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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

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Beschluß.
he; und es ging uns wie Leuten, die des Nachts
klüger, als bey Tage, sind. Wir sahen Gesichter
und Offenbarungen; und nach einigen unor-
dentlichen Vorstellungen befanden wir uns, so
lang, als wir waren, in Raphaels himmlisch
gestricketem Netze.
Wir hatten uns in eben
der Schleife verwickelt, aus der der Engel
Abdieln
in die Anden des Monden aus
Großmuth hatte fliegen lassen. Uns ward es so
gut nicht! Ob wir uns gleich in einen Punct,
wie unser Vorgänger, zusammen gezogen; so
empfang unser Pünctchen dennoch das Knar-
ren
und die Donner wandelnder Orionen,
und die Gesänge der Sphären. Es klingelte
alles im Himmel wie ein Morgenstern; wir
wollten die Melodie auswendig lernen, als uns
ein tausendstimmichter Sturmwind aus den
klebrichten Faden des Netzes in einen Planeten
warf. Wir erkannten ihn gar bald für das Pa-
radieß der Amerikaner;
zum wenigsten glich
er ihm an seinem Wesen: denn alles war Geist!
Wir begriffen uns kaum: so sahen wir Addode
wackeln,
und Hyänen Amphisbänen winken.
Ja! eine grinsete uns so gräßlich an, daß wir,
aus Furcht von ihr genothzüchtiget zu werden,
einen Stein ergriffen, und nach ihr warfen:
aber auch der Stein war Geist. Wir entschul-
digten die Amerikaner, eine solche Welt zu
glauben: denn wir waren gerade auf einer, die
ihrer vollkommen glich. Wir sahen Wälder

voll
G g 2

Beſchluß.
he; und es ging uns wie Leuten, die des Nachts
kluͤger, als bey Tage, ſind. Wir ſahen Geſichter
und Offenbarungen; und nach einigen unor-
dentlichen Vorſtellungen befanden wir uns, ſo
lang, als wir waren, in Raphaels himmliſch
geſtricketem Netze.
Wir hatten uns in eben
der Schleife verwickelt, aus der der Engel
Abdieln
in die Anden des Monden aus
Großmuth hatte fliegen laſſen. Uns ward es ſo
gut nicht! Ob wir uns gleich in einen Punct,
wie unſer Vorgaͤnger, zuſammen gezogen; ſo
empfang unſer Puͤnctchen dennoch das Knar-
ren
und die Donner wandelnder Orionen,
und die Geſaͤnge der Sphaͤren. Es klingelte
alles im Himmel wie ein Morgenſtern; wir
wollten die Melodie auswendig lernen, als uns
ein tauſendſtimmichter Sturmwind aus den
klebrichten Faden des Netzes in einen Planeten
warf. Wir erkannten ihn gar bald fuͤr das Pa-
radieß der Amerikaner;
zum wenigſten glich
er ihm an ſeinem Weſen: denn alles war Geiſt!
Wir begriffen uns kaum: ſo ſahen wir Addode
wackeln,
und Hyaͤnen Amphisbaͤnen winken.
Ja! eine grinſete uns ſo graͤßlich an, daß wir,
aus Furcht von ihr genothzuͤchtiget zu werden,
einen Stein ergriffen, und nach ihr warfen:
aber auch der Stein war Geiſt. Wir entſchul-
digten die Amerikaner, eine ſolche Welt zu
glauben: denn wir waren gerade auf einer, die
ihrer vollkommen glich. Wir ſahen Waͤlder

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G g 2
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[467/0493] Beſchluß. he; und es ging uns wie Leuten, die des Nachts kluͤger, als bey Tage, ſind. Wir ſahen Geſichter und Offenbarungen; und nach einigen unor- dentlichen Vorſtellungen befanden wir uns, ſo lang, als wir waren, in Raphaels himmliſch geſtricketem Netze. Wir hatten uns in eben der Schleife verwickelt, aus der der Engel Abdieln in die Anden des Monden aus Großmuth hatte fliegen laſſen. Uns ward es ſo gut nicht! Ob wir uns gleich in einen Punct, wie unſer Vorgaͤnger, zuſammen gezogen; ſo empfang unſer Puͤnctchen dennoch das Knar- ren und die Donner wandelnder Orionen, und die Geſaͤnge der Sphaͤren. Es klingelte alles im Himmel wie ein Morgenſtern; wir wollten die Melodie auswendig lernen, als uns ein tauſendſtimmichter Sturmwind aus den klebrichten Faden des Netzes in einen Planeten warf. Wir erkannten ihn gar bald fuͤr das Pa- radieß der Amerikaner; zum wenigſten glich er ihm an ſeinem Weſen: denn alles war Geiſt! Wir begriffen uns kaum: ſo ſahen wir Addode wackeln, und Hyaͤnen Amphisbaͤnen winken. Ja! eine grinſete uns ſo graͤßlich an, daß wir, aus Furcht von ihr genothzuͤchtiget zu werden, einen Stein ergriffen, und nach ihr warfen: aber auch der Stein war Geiſt. Wir entſchul- digten die Amerikaner, eine ſolche Welt zu glauben: denn wir waren gerade auf einer, die ihrer vollkommen glich. Wir ſahen Waͤlder voll G g 2

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Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/493>, abgerufen am 25.11.2024.