Wir haben die Ehre, unserm Leser dieses starken und großen Geistes Glaubensbekenntniß vom Reime vorzulegen, welches auf dem Grymsel- berge so gut, als die Augspurgische Confeßion, gilt. Er ward ihnen zu schwer, der Reim; darum schafften sie ihn ab.
"Den Reim, das glaube mir frey, hat tücki- sche Dummheit erfunden; "Den Dichtern zum lethäischen Trank. "Er reizt, verzärtelt Gehör; jedoch sein gifti- ger Nebel "Umringt die Vernunft; verlöschet den Witz. Brem. Ged. 54 S.
Daß sich Gott erbarme! So waren, so sind so vie- le Völker so tückisch! Du tückischer Opitz! Du tückischer Rachel! du tückischer Kanitz! du tückischer Günther! du tückischer Gottsched! Ja! du tückischer Haller und tückischer Bod- mer!
"Das sagt auch Klopstock nicht, der unge- schickte Reimer.
Jn der Anmerkung vergleichet der Dichter den Reim mit einer Werbtrommel; wir, das Syl- benmaaß mit einem Kühhirtenhorne: sehr sinn- reich; sehr breit!
Seele in eine andere verweben:
das ist also ein Tuch von Seelen.
"Seine Seele schien in der Seele Benonis verwebet. Jac. u. Jos. 4 S.
Mit Erlaubniß, Herr Baron! gehöret ihr Weben nicht auch hieher? Jch freue mich immer,
wenn
Se
Wir haben die Ehre, unſerm Leſer dieſes ſtarken und großen Geiſtes Glaubensbekenntniß vom Reime vorzulegen, welches auf dem Grymſel- berge ſo gut, als die Augſpurgiſche Confeßion, gilt. Er ward ihnen zu ſchwer, der Reim; darum ſchafften ſie ihn ab.
“Den Reim, das glaube mir frey, hat tuͤcki- ſche Dummheit erfunden; “Den Dichtern zum lethaͤiſchen Trank. “Er reizt, verzaͤrtelt Gehoͤr; jedoch ſein gifti- ger Nebel “Umringt die Vernunft; verloͤſchet den Witz. Brem. Ged. 54 S.
Daß ſich Gott erbarme! So waren, ſo ſind ſo vie- le Voͤlker ſo tuͤckiſch! Du tuͤckiſcher Opitz! Du tuͤckiſcher Rachel! du tuͤckiſcher Kanitz! du tuͤckiſcher Guͤnther! du tuͤckiſcher Gottſched! Ja! du tuͤckiſcher Haller und tuͤckiſcher Bod- mer!
“Das ſagt auch Klopſtock nicht, der unge- ſchickte Reimer.
Jn der Anmerkung vergleichet der Dichter den Reim mit einer Werbtrommel; wir, das Syl- benmaaß mit einem Kuͤhhirtenhorne: ſehr ſinn- reich; ſehr breit!
Seele in eine andere verweben:
das iſt alſo ein Tuch von Seelen.
“Seine Seele ſchien in der Seele Benonis verwebet. Jac. u. Joſ. 4 S.
Mit Erlaubniß, Herr Baron! gehoͤret ihr Weben nicht auch hieher? Jch freue mich immer,
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Wir haben die Ehre, unſerm Leſer dieſes ſtarken
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berge ſo gut, als die Augſpurgiſche Confeßion,
gilt. Er ward ihnen zu ſchwer, der Reim;
darum ſchafften ſie ihn ab.
“Den Reim, das glaube mir frey, hat tuͤcki-
ſche Dummheit erfunden;
“Den Dichtern zum lethaͤiſchen Trank.
“Er reizt, verzaͤrtelt Gehoͤr; jedoch ſein gifti-
ger Nebel
“Umringt die Vernunft; verloͤſchet den Witz.
Brem. Ged. 54 S.
Daß ſich Gott erbarme! So waren, ſo ſind ſo vie-
le Voͤlker ſo tuͤckiſch! Du tuͤckiſcher Opitz! Du
tuͤckiſcher Rachel! du tuͤckiſcher Kanitz! du
tuͤckiſcher Guͤnther! du tuͤckiſcher Gottſched!
Ja! du tuͤckiſcher Haller und tuͤckiſcher Bod-
mer!
“Das ſagt auch Klopſtock nicht, der unge-
ſchickte Reimer.
Jn der Anmerkung vergleichet der Dichter den
Reim mit einer Werbtrommel; wir, das Syl-
benmaaß mit einem Kuͤhhirtenhorne: ſehr ſinn-
reich; ſehr breit!
Seele in eine andere verweben: das iſt alſo ein
Tuch von Seelen.
“Seine Seele ſchien in der Seele Benonis
verwebet. Jac. u. Joſ. 4 S.
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/418>, abgerufen am 16.02.2025.
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