Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

Me Ma
sanft brüllen oder schreyen; und beklagen nur die
Schiffe, die in diesem Sunde segeln. Schade,
daß Gog hier keinen Zoll angeleget.

Meere zerfliessen in lange Gebirge.

Wir haben
schon oben einen Probierstein angegeben, das äch-
te und unächte einer Metaphor von einander zu
unterscheiden. Wir wollen zur Abwechselung die-
se darauf streichen. Wir malen uns ein Meer;
dieses ist Wasser: nicht wahr? Da soll nun etwas
zerfliessen, was schon zerflossen ist: das ist nun
schon unbegreiflich; noch unbegreiflicher aber wird
es, wenn Wasser Sand oder Fels werden soll,
von welchen Materien doch Gebirge bestehen.
Der göttliche Klopstock, dem wir und seine Be-
wunderer so oft mit dem Rauchfasse übers Ge-
sicht fahren, hat fast jede Zeile seiner Offenb.
mit dieser Figur, die wir den Unsinn nennen, ver-
brämet. Wir schliessen daher, daß die Muse von
Tabor
nicht deutsch kann; denn könnte sie es:
sie würde es wohl reden.

"-- Die Meere zerflossen in lange Ge-
birge,

"Da sein kommender Fuß die schwarzen Flu-
then zertheilte. Off. St. Kl. 48 S.

Ein kommender Fuß ist das nicht ein allerlieb-
ster Fuß?

Mauern.

Herr Lazarus, der in die silberne
Cidli
göttlich oder sehraffisch verliebt ist, baut
auf eine wundersame Art in sich selbst eherne
Mauern.
Diese ganze Liebeserklärung zeiget,
wie die Liebe mit der Schwärmerey artig zu ver-

binden
T 3

Me Ma
ſanft bruͤllen oder ſchreyen; und beklagen nur die
Schiffe, die in dieſem Sunde ſegeln. Schade,
daß Gog hier keinen Zoll angeleget.

Meere zerflieſſen in lange Gebirge.

Wir haben
ſchon oben einen Probierſtein angegeben, das aͤch-
te und unaͤchte einer Metaphor von einander zu
unterſcheiden. Wir wollen zur Abwechſelung die-
ſe darauf ſtreichen. Wir malen uns ein Meer;
dieſes iſt Waſſer: nicht wahr? Da ſoll nun etwas
zerflieſſen, was ſchon zerfloſſen iſt: das iſt nun
ſchon unbegreiflich; noch unbegreiflicher aber wird
es, wenn Waſſer Sand oder Fels werden ſoll,
von welchen Materien doch Gebirge beſtehen.
Der goͤttliche Klopſtock, dem wir und ſeine Be-
wunderer ſo oft mit dem Rauchfaſſe uͤbers Ge-
ſicht fahren, hat faſt jede Zeile ſeiner Offenb.
mit dieſer Figur, die wir den Unſinn nennen, ver-
braͤmet. Wir ſchlieſſen daher, daß die Muſe von
Tabor
nicht deutſch kann; denn koͤnnte ſie es:
ſie wuͤrde es wohl reden.

“— Die Meere zerfloſſen in lange Ge-
birge,

“Da ſein kommender Fuß die ſchwarzen Flu-
then zertheilte. Off. St. Kl. 48 S.

Ein kommender Fuß iſt das nicht ein allerlieb-
ſter Fuß?

Mauern.

Herr Lazarus, der in die ſilberne
Cidli
goͤttlich oder ſehraffiſch verliebt iſt, baut
auf eine wunderſame Art in ſich ſelbſt eherne
Mauern.
Dieſe ganze Liebeserklaͤrung zeiget,
wie die Liebe mit der Schwaͤrmerey artig zu ver-

binden
T 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0319" n="293"/><fw place="top" type="header">Me Ma</fw><lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;anft bru&#x0364;llen</hi> oder <hi rendition="#fr">&#x017F;chreyen;</hi> und beklagen nur die<lb/>
Schiffe, die in die&#x017F;em <hi rendition="#fr">Sunde</hi> &#x017F;egeln. Schade,<lb/>
daß <hi rendition="#fr">Gog</hi> hier keinen <hi rendition="#fr">Zoll</hi> angeleget.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Meere zerflie&#x017F;&#x017F;en in lange Gebirge.</head>
            <p>Wir haben<lb/>
&#x017F;chon oben einen Probier&#x017F;tein angegeben, das a&#x0364;ch-<lb/>
te und una&#x0364;chte einer <hi rendition="#fr">Metaphor</hi> von einander zu<lb/>
unter&#x017F;cheiden. Wir wollen zur Abwech&#x017F;elung die-<lb/>
&#x017F;e darauf &#x017F;treichen. Wir <hi rendition="#fr">malen</hi> uns ein <hi rendition="#fr">Meer;</hi><lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t Wa&#x017F;&#x017F;er: nicht wahr? Da &#x017F;oll nun etwas<lb/><hi rendition="#fr">zerflie&#x017F;&#x017F;en,</hi> was &#x017F;chon <hi rendition="#fr">zerflo&#x017F;&#x017F;en</hi> i&#x017F;t: das i&#x017F;t nun<lb/>
&#x017F;chon unbegreiflich; noch unbegreiflicher aber wird<lb/>
es, wenn <hi rendition="#fr">Wa&#x017F;&#x017F;er Sand</hi> oder <hi rendition="#fr">Fels</hi> werden &#x017F;oll,<lb/>
von welchen Materien doch <hi rendition="#fr">Gebirge</hi> be&#x017F;tehen.<lb/>
Der <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttliche Klop&#x017F;tock,</hi> dem wir und &#x017F;eine Be-<lb/>
wunderer &#x017F;o oft mit dem Rauchfa&#x017F;&#x017F;e u&#x0364;bers Ge-<lb/>
&#x017F;icht fahren, hat fa&#x017F;t jede Zeile &#x017F;einer <hi rendition="#fr">Offenb.</hi><lb/>
mit die&#x017F;er Figur, die wir den <hi rendition="#fr">Un&#x017F;inn</hi> nennen, ver-<lb/>
bra&#x0364;met. Wir &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en daher, daß die <hi rendition="#fr">Mu&#x017F;e von<lb/>
Tabor</hi> nicht <hi rendition="#fr">deut&#x017F;ch</hi> kann; denn ko&#x0364;nnte &#x017F;ie es:<lb/>
&#x017F;ie wu&#x0364;rde es wohl reden.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x201C;&#x2014; Die <hi rendition="#fr">Meere zerflo&#x017F;&#x017F;en in lange Ge-<lb/><hi rendition="#et">birge,</hi></hi><lb/>
&#x201C;Da &#x017F;ein <hi rendition="#fr">kommender Fuß</hi> die &#x017F;chwarzen Flu-<lb/><hi rendition="#et">then zertheilte. <hi rendition="#fr">Off. St. Kl. 48 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Ein <hi rendition="#fr">kommender Fuß</hi> i&#x017F;t das nicht ein allerlieb-<lb/>
&#x017F;ter <hi rendition="#fr">Fuß?</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Mauern.</head>
            <p><hi rendition="#fr">Herr Lazarus,</hi> der in die <hi rendition="#fr">&#x017F;ilberne<lb/>
Cidli</hi> go&#x0364;ttlich oder <hi rendition="#fr">&#x017F;ehraffi&#x017F;ch</hi> verliebt i&#x017F;t, baut<lb/>
auf eine wunder&#x017F;ame Art in &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t <hi rendition="#fr">eherne<lb/>
Mauern.</hi> Die&#x017F;e ganze <hi rendition="#fr">Liebeserkla&#x0364;rung</hi> zeiget,<lb/>
wie die <hi rendition="#fr">Liebe</hi> mit der <hi rendition="#fr">Schwa&#x0364;rmerey</hi> artig zu ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 3</fw><fw place="bottom" type="catch">binden</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0319] Me Ma ſanft bruͤllen oder ſchreyen; und beklagen nur die Schiffe, die in dieſem Sunde ſegeln. Schade, daß Gog hier keinen Zoll angeleget. Meere zerflieſſen in lange Gebirge. Wir haben ſchon oben einen Probierſtein angegeben, das aͤch- te und unaͤchte einer Metaphor von einander zu unterſcheiden. Wir wollen zur Abwechſelung die- ſe darauf ſtreichen. Wir malen uns ein Meer; dieſes iſt Waſſer: nicht wahr? Da ſoll nun etwas zerflieſſen, was ſchon zerfloſſen iſt: das iſt nun ſchon unbegreiflich; noch unbegreiflicher aber wird es, wenn Waſſer Sand oder Fels werden ſoll, von welchen Materien doch Gebirge beſtehen. Der goͤttliche Klopſtock, dem wir und ſeine Be- wunderer ſo oft mit dem Rauchfaſſe uͤbers Ge- ſicht fahren, hat faſt jede Zeile ſeiner Offenb. mit dieſer Figur, die wir den Unſinn nennen, ver- braͤmet. Wir ſchlieſſen daher, daß die Muſe von Tabor nicht deutſch kann; denn koͤnnte ſie es: ſie wuͤrde es wohl reden. “— Die Meere zerfloſſen in lange Ge- birge, “Da ſein kommender Fuß die ſchwarzen Flu- then zertheilte. Off. St. Kl. 48 S. Ein kommender Fuß iſt das nicht ein allerlieb- ſter Fuß? Mauern. Herr Lazarus, der in die ſilberne Cidli goͤttlich oder ſehraffiſch verliebt iſt, baut auf eine wunderſame Art in ſich ſelbſt eherne Mauern. Dieſe ganze Liebeserklaͤrung zeiget, wie die Liebe mit der Schwaͤrmerey artig zu ver- binden T 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/319
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/319>, abgerufen am 22.12.2024.