Kurz! er war jungferntoll; und nannte sich der deutsche Anakreon. Den Augenblick erschien der griechische, und führte ihn in die Höhle. Als sie wieder heraus traten, that jener so ernst- haft, als ein Bonze oder Marbut. Er ge- stand: er heiße nicht Anakreon: sondern Gleim. Er hätte gehöret, daß Anakreon von griechischen Fräulein, und griechischen Champagnerweine gesungen: er hätte es ver- suchet und ihm nachgeahmet; aber leider! die Lehren vergessen, die sein Meister mit Scherz und Lust verknüpfet. Jener hätte gescherzet, um zu lehren; er aber nur gescherzet und getändelt, um zu scherzen und zu tändeln. Als er dieses sagte, ging er bey uns vorbey. Aber ach! Hätte gleich der Fuchs seine Sünden Grimbarten, dem Vätter, gebeichtet: so sprang er doch nach den Hühnern, daß die Federn von ihnen stoben: so sah auch uns Gleim für ein Mägdchen an, und wollte gaukelnd, wahrhaftig! wahrhaftig! uns küssen; ob wir gleich mit einem gräßlichen Capuzinerbarte versehen waren.
Hierauf erschien ein finsterer Mann, der hämi- sche Blicke in unser Herz warf. Wir erschra- ken; er entriß uns den Schlüssel; ging als ein Edelmann eigenmächtig hinein, und kam, als ein Doctor, wieder heraus. Er hatte sein Von vor dem Altare gelassen; auch die Präsidenten- stelle niedergeleget; er beklagte, daß ein unzeitiger Weihrauch ihn gehindert hätte, Fehler zu sehen; er bekannte, daß er ein Schweizer und kein Deut-
scher
La
Kurz! er war jungferntoll; und nannte ſich der deutſche Anakreon. Den Augenblick erſchien der griechiſche, und fuͤhrte ihn in die Hoͤhle. Als ſie wieder heraus traten, that jener ſo ernſt- haft, als ein Bonze oder Marbut. Er ge- ſtand: er heiße nicht Anakreon: ſondern Gleim. Er haͤtte gehoͤret, daß Anakreon von griechiſchen Fraͤulein, und griechiſchen Champagnerweine geſungen: er haͤtte es ver- ſuchet und ihm nachgeahmet; aber leider! die Lehren vergeſſen, die ſein Meiſter mit Scherz und Luſt verknuͤpfet. Jener haͤtte geſcherzet, um zu lehren; er aber nur geſcherzet und getaͤndelt, um zu ſcherzen und zu taͤndeln. Als er dieſes ſagte, ging er bey uns vorbey. Aber ach! Haͤtte gleich der Fuchs ſeine Suͤnden Grimbarten, dem Vaͤtter, gebeichtet: ſo ſprang er doch nach den Huͤhnern, daß die Federn von ihnen ſtoben: ſo ſah auch uns Gleim fuͤr ein Maͤgdchen an, und wollte gaukelnd, wahrhaftig! wahrhaftig! uns kuͤſſen; ob wir gleich mit einem graͤßlichen Capuzinerbarte verſehen waren.
Hierauf erſchien ein finſterer Mann, der haͤmi- ſche Blicke in unſer Herz warf. Wir erſchra- ken; er entriß uns den Schluͤſſel; ging als ein Edelmann eigenmaͤchtig hinein, und kam, als ein Doctor, wieder heraus. Er hatte ſein Von vor dem Altare gelaſſen; auch die Praͤſidenten- ſtelle niedergeleget; er beklagte, daß ein unzeitiger Weihrauch ihn gehindert haͤtte, Fehler zu ſehen; er bekannte, daß er ein Schweizer und kein Deut-
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Kurz! er war jungferntoll; und nannte ſich der
deutſche Anakreon. Den Augenblick erſchien
der griechiſche, und fuͤhrte ihn in die Hoͤhle.
Als ſie wieder heraus traten, that jener ſo ernſt-
haft, als ein Bonze oder Marbut. Er ge-
ſtand: er heiße nicht Anakreon: ſondern
Gleim. Er haͤtte gehoͤret, daß Anakreon von
griechiſchen Fraͤulein, und griechiſchen
Champagnerweine geſungen: er haͤtte es ver-
ſuchet und ihm nachgeahmet; aber leider! die
Lehren vergeſſen, die ſein Meiſter mit Scherz und
Luſt verknuͤpfet. Jener haͤtte geſcherzet, um zu
lehren; er aber nur geſcherzet und getaͤndelt,
um zu ſcherzen und zu taͤndeln. Als er dieſes
ſagte, ging er bey uns vorbey. Aber ach! Haͤtte
gleich der Fuchs ſeine Suͤnden Grimbarten,
dem Vaͤtter, gebeichtet: ſo ſprang er doch nach
den Huͤhnern, daß die Federn von ihnen ſtoben: ſo
ſah auch uns Gleim fuͤr ein Maͤgdchen an, und
wollte gaukelnd, wahrhaftig! wahrhaftig!
uns kuͤſſen; ob wir gleich mit einem graͤßlichen
Capuzinerbarte verſehen waren.
Hierauf erſchien ein finſterer Mann, der haͤmi-
ſche Blicke in unſer Herz warf. Wir erſchra-
ken; er entriß uns den Schluͤſſel; ging als ein
Edelmann eigenmaͤchtig hinein, und kam, als
ein Doctor, wieder heraus. Er hatte ſein Von
vor dem Altare gelaſſen; auch die Praͤſidenten-
ſtelle niedergeleget; er beklagte, daß ein unzeitiger
Weihrauch ihn gehindert haͤtte, Fehler zu ſehen; er
bekannte, daß er ein Schweizer und kein Deut-
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/308>, abgerufen am 25.11.2024.
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