Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Ja
"Japhet! wie war dir bey diesem Gesicht? welch
süßes Entzücken
"Zog dir die Seel in das Aug, in das sie gesamm-
let hervor trat,

"Und unersättlich im Schaun im fröhlichen
Schimmer da ruhte." Noah, 8 S.

Du armer Japhet! Trat dir deine Seele ins Au-
ge,
wodurch sie, wie durch ein Kappfenster,
kuckte? Ruhte sie auf dem Ellenbogen im fröhli-
chen Schimmer:
oder saß sie? Du armer Ja-
phet!
dessen Seele zerstreuet war; denn wie hätte
sie können gesammlet werden? So ist es denn
nicht wahr, daß sie ein einfaches Wesen ist. Hier ha-
ben wir in einem Auge eine Treppe und ein Bett;
man sollte kaum denken, daß alles Raum hätte.

Jauchzen.

Nimm nicht übel, lieber Leser! wenn
auch wir etwas jauchzen werden; die heiligen
Jauchzer nämlich jauchzen gar zu jauchzend.
Wir erinnern uns dabey der Zöglinge Anas und
Zibeons,
die auch jauchzen, wenn nur einer zu
jauchzen anfängt. Kaum fing ein göttlicher Klop-
stock
zu jauchzen an: so jauchzete unser gan-
zer Parnaß; denn in dem jauchzenden Gesichte
Meßias jauchzet alles: auch die Pforten der
Tiefen tief unten.

"Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang
die Pforten der Tiefen." 6 S.

Das Jauchzen gehet demnach spazieren; die Tie-
fen
müssen auch Pforten haben, damit die Stim-
me hinein könne. Ein unsterbliches Jauchzen,
ist das nicht ein ewiges Schreyen? e. d. 19 S.

Es
Ja
Japhet! wie war dir bey dieſem Geſicht? welch
ſuͤßes Entzuͤcken
“Zog dir die Seel in das Aug, in das ſie geſamm-
let hervor trat,

“Und unerſaͤttlich im Schaun im froͤhlichen
Schimmer da ruhte.” Noah, 8 S.

Du armer Japhet! Trat dir deine Seele ins Au-
ge,
wodurch ſie, wie durch ein Kappfenſter,
kuckte? Ruhte ſie auf dem Ellenbogen im froͤhli-
chen Schimmer:
oder ſaß ſie? Du armer Ja-
phet!
deſſen Seele zerſtreuet war; denn wie haͤtte
ſie koͤnnen geſammlet werden? So iſt es denn
nicht wahr, daß ſie ein einfaches Weſen iſt. Hier ha-
ben wir in einem Auge eine Treppe und ein Bett;
man ſollte kaum denken, daß alles Raum haͤtte.

Jauchzen.

Nimm nicht uͤbel, lieber Leſer! wenn
auch wir etwas jauchzen werden; die heiligen
Jauchzer naͤmlich jauchzen gar zu jauchzend.
Wir erinnern uns dabey der Zoͤglinge Anas und
Zibeons,
die auch jauchzen, wenn nur einer zu
jauchzen anfaͤngt. Kaum fing ein goͤttlicher Klop-
ſtock
zu jauchzen an: ſo jauchzete unſer gan-
zer Parnaß; denn in dem jauchzenden Geſichte
Meßias jauchzet alles: auch die Pforten der
Tiefen tief unten.

“Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang
die Pforten der Tiefen.” 6 S.

Das Jauchzen gehet demnach ſpazieren; die Tie-
fen
muͤſſen auch Pforten haben, damit die Stim-
me hinein koͤnne. Ein unſterbliches Jauchzen,
iſt das nicht ein ewiges Schreyen? e. d. 19 S.

Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0260" n="234"/>
            <fw place="top" type="header">Ja</fw><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x201C;<hi rendition="#fr">Japhet!</hi> wie war dir bey die&#x017F;em Ge&#x017F;icht? welch<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;u&#x0364;ßes Entzu&#x0364;cken</hi><lb/>
&#x201C;Zog dir die Seel in das Aug, in das &#x017F;ie <hi rendition="#fr">ge&#x017F;amm-<lb/><hi rendition="#et">let hervor trat,</hi></hi><lb/>
&#x201C;Und uner&#x017F;a&#x0364;ttlich im Schaun im fro&#x0364;hlichen<lb/><hi rendition="#et">Schimmer da <hi rendition="#fr">ruhte.&#x201D; Noah, 8 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Du armer <hi rendition="#fr">Japhet! Trat</hi> dir deine Seele <hi rendition="#fr">ins Au-<lb/>
ge,</hi> wodurch &#x017F;ie, wie durch ein Kappfen&#x017F;ter,<lb/>
kuckte? <hi rendition="#fr">Ruhte</hi> &#x017F;ie auf dem Ellenbogen im <hi rendition="#fr">fro&#x0364;hli-<lb/>
chen Schimmer:</hi> oder <hi rendition="#fr">&#x017F;&#x017F;ie?</hi> Du armer <hi rendition="#fr">Ja-<lb/>
phet!</hi> de&#x017F;&#x017F;en Seele <hi rendition="#fr">zer&#x017F;treuet</hi> war; denn wie ha&#x0364;tte<lb/>
&#x017F;ie ko&#x0364;nnen <hi rendition="#fr">ge&#x017F;ammlet</hi> werden? So i&#x017F;t es denn<lb/>
nicht wahr, daß &#x017F;ie ein einfaches We&#x017F;en i&#x017F;t. Hier ha-<lb/>
ben wir in einem <hi rendition="#fr">Auge</hi> eine <hi rendition="#fr">Treppe</hi> und ein <hi rendition="#fr">Bett;</hi><lb/>
man &#x017F;ollte kaum denken, daß alles Raum ha&#x0364;tte.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Jauchzen.</head>
            <p>Nimm nicht u&#x0364;bel, lieber Le&#x017F;er! wenn<lb/>
auch wir etwas <hi rendition="#fr">jauchzen</hi> werden; die heiligen<lb/><hi rendition="#fr">Jauchzer</hi> na&#x0364;mlich <hi rendition="#fr">jauchzen</hi> gar zu <hi rendition="#fr">jauchzend.</hi><lb/>
Wir erinnern uns dabey der <hi rendition="#fr">Zo&#x0364;glinge Anas und<lb/>
Zibeons,</hi> die auch <hi rendition="#fr">jauchzen,</hi> wenn nur einer zu<lb/><hi rendition="#fr">jauchzen</hi> anfa&#x0364;ngt. Kaum fing ein <hi rendition="#fr">go&#x0364;ttlicher Klop-<lb/>
&#x017F;tock</hi> zu <hi rendition="#fr">jauchzen</hi> an: &#x017F;o <hi rendition="#fr">jauchzete</hi> un&#x017F;er gan-<lb/>
zer <hi rendition="#fr">Parnaß;</hi> denn in dem <hi rendition="#fr">jauchzenden</hi> Ge&#x017F;ichte<lb/><hi rendition="#fr">Meßias jauchzet</hi> alles: auch die <hi rendition="#fr">Pforten der<lb/>
Tiefen tief unten.</hi></p><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x201C;Und ein <hi rendition="#fr">wandelndes Jauchzen durchdrang</hi><lb/><hi rendition="#et">die <hi rendition="#fr">Pforten</hi> der Tiefen.&#x201D; 6 <hi rendition="#fr">S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Das <hi rendition="#fr">Jauchzen</hi> gehet demnach &#x017F;pazieren; die <hi rendition="#fr">Tie-<lb/>
fen</hi> mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en auch <hi rendition="#fr">Pforten</hi> haben, damit die Stim-<lb/>
me hinein ko&#x0364;nne. Ein <hi rendition="#fr">un&#x017F;terbliches Jauchzen,</hi><lb/>
i&#x017F;t das nicht ein <hi rendition="#fr">ewiges Schreyen? e. d. 19 S.</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0260] Ja “Japhet! wie war dir bey dieſem Geſicht? welch ſuͤßes Entzuͤcken “Zog dir die Seel in das Aug, in das ſie geſamm- let hervor trat, “Und unerſaͤttlich im Schaun im froͤhlichen Schimmer da ruhte.” Noah, 8 S. Du armer Japhet! Trat dir deine Seele ins Au- ge, wodurch ſie, wie durch ein Kappfenſter, kuckte? Ruhte ſie auf dem Ellenbogen im froͤhli- chen Schimmer: oder ſaß ſie? Du armer Ja- phet! deſſen Seele zerſtreuet war; denn wie haͤtte ſie koͤnnen geſammlet werden? So iſt es denn nicht wahr, daß ſie ein einfaches Weſen iſt. Hier ha- ben wir in einem Auge eine Treppe und ein Bett; man ſollte kaum denken, daß alles Raum haͤtte. Jauchzen. Nimm nicht uͤbel, lieber Leſer! wenn auch wir etwas jauchzen werden; die heiligen Jauchzer naͤmlich jauchzen gar zu jauchzend. Wir erinnern uns dabey der Zoͤglinge Anas und Zibeons, die auch jauchzen, wenn nur einer zu jauchzen anfaͤngt. Kaum fing ein goͤttlicher Klop- ſtock zu jauchzen an: ſo jauchzete unſer gan- zer Parnaß; denn in dem jauchzenden Geſichte Meßias jauchzet alles: auch die Pforten der Tiefen tief unten. “Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten der Tiefen.” 6 S. Das Jauchzen gehet demnach ſpazieren; die Tie- fen muͤſſen auch Pforten haben, damit die Stim- me hinein koͤnne. Ein unſterbliches Jauchzen, iſt das nicht ein ewiges Schreyen? e. d. 19 S. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/260
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/260>, abgerufen am 21.11.2024.