weniger einen Geist damit verknüpfen; ja einen Geist, der noch unreif zu dem Wesen, wir wis- sen nicht zu welchem, erlesen worden:
Ein Geist, noch unreif zu dem Wesen, Wird heut zur Größe schon erlesen Verknüpft in dieses Tages Riß. Haller, 130 S.
Sollte wohl verknüpft auf Größe gehen? Jn der 1. Zeile dieser Strophe sagt der unsterbliche Mann, daß ihm schwindelte. Wir glauben es; und die ganze Ode ist ein Beweis davon.
Geister.
Ein ästhetischer Philosoph belehret seine Leser, daß Gott zweyerley Gattungen vernünftiger Geschöpfe aus Nichts hervorgebracht habe; näm- lich Menschen, und zweytens: Wesen, deren Gestalt nur mit den Augen des Verstandes kann gesehen werden.
Jch lobe den Mann, daß der die andere Gattung nicht Geister genennet hat. Leben nicht in unsern Zeiten Menschen, die das Daseyn der Geister in Zweifel ziehen? Die Klugheit eines Schriftstel- lers macht sich ein Gesetz, dem Leser nicht anstößig zu seyn. Auch ein einziges Wort bringt uns um den Beyfall.
Geistschöpfer.
So pfleget man auf neu deutsch Gott anzureden: es ist ein sehr artiger Sproß von zweenen zusammen gewachsenen Stämmen: der eine Stamm ist ein Gallicismus; der andere ein Anglicismus: woraus die ungemeine Frucht, die wir den Klopstockianismus nennen, ent-
sprin-
Ge
weniger einen Geiſt damit verknuͤpfen; ja einen Geiſt, der noch unreif zu dem Weſen, wir wiſ- ſen nicht zu welchem, erleſen worden:
Ein Geiſt, noch unreif zu dem Weſen, Wird heut zur Groͤße ſchon erleſen Verknuͤpft in dieſes Tages Riß. Haller, 130 S.
Sollte wohl verknuͤpft auf Groͤße gehen? Jn der 1. Zeile dieſer Strophe ſagt der unſterbliche Mann, daß ihm ſchwindelte. Wir glauben es; und die ganze Ode iſt ein Beweis davon.
Geiſter.
Ein aͤſthetiſcher Philoſoph belehret ſeine Leſer, daß Gott zweyerley Gattungen vernuͤnftiger Geſchoͤpfe aus Nichts hervorgebracht habe; naͤm- lich Menſchen, und zweytens: Weſen, deren Geſtalt nur mit den Augen des Verſtandes kann geſehen werden.
Jch lobe den Mann, daß der die andere Gattung nicht Geiſter genennet hat. Leben nicht in unſern Zeiten Menſchen, die das Daſeyn der Geiſter in Zweifel ziehen? Die Klugheit eines Schriftſtel- lers macht ſich ein Geſetz, dem Leſer nicht anſtoͤßig zu ſeyn. Auch ein einziges Wort bringt uns um den Beyfall.
Geiſtſchoͤpfer.
So pfleget man auf neu deutſch Gott anzureden: es iſt ein ſehr artiger Sproß von zweenen zuſammen gewachſenen Staͤmmen: der eine Stamm iſt ein Gallicismus; der andere ein Anglicismus: woraus die ungemeine Frucht, die wir den Klopſtockianismus nennen, ent-
ſprin-
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weniger einen Geiſt damit verknuͤpfen; ja einen
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Ein Geiſt, noch unreif zu dem Weſen,
Wird heut zur Groͤße ſchon erleſen
Verknuͤpft in dieſes Tages Riß.
Haller, 130 S.
Sollte wohl verknuͤpft auf Groͤße gehen? Jn
der 1. Zeile dieſer Strophe ſagt der unſterbliche
Mann, daß ihm ſchwindelte. Wir glauben es;
und die ganze Ode iſt ein Beweis davon.
Geiſter. Ein aͤſthetiſcher Philoſoph belehret ſeine
Leſer, daß Gott zweyerley Gattungen vernuͤnftiger
Geſchoͤpfe aus Nichts hervorgebracht habe; naͤm-
lich Menſchen, und zweytens:
Weſen, deren Geſtalt nur mit den Augen
des Verſtandes kann geſehen werden.
Jch lobe den Mann, daß der die andere Gattung
nicht Geiſter genennet hat. Leben nicht in unſern
Zeiten Menſchen, die das Daſeyn der Geiſter in
Zweifel ziehen? Die Klugheit eines Schriftſtel-
lers macht ſich ein Geſetz, dem Leſer nicht anſtoͤßig
zu ſeyn. Auch ein einziges Wort bringt uns um
den Beyfall.
Geiſtſchoͤpfer. So pfleget man auf neu deutſch
Gott anzureden: es iſt ein ſehr artiger Sproß von
zweenen zuſammen gewachſenen Staͤmmen: der
eine Stamm iſt ein Gallicismus; der andere ein
Anglicismus: woraus die ungemeine Frucht,
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/196>, abgerufen am 22.12.2024.
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