Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.Vorrede. ne wichtige Person ein Dichter ist. Red-ner, Theologen, Weltweise, Geschicht- schreiber, Rechtsgelehrte, Aerzte müssen vor der Tyrannin, der Sprache, zittern. Ja, alle, die vernünftig seyn wollen, er- kennen, und verehren sie. Aber wir nicht! Was gehet uns die gesunde Ver- nunft an? Vernünftig sind die Men- schen lange gewesen; aber so witzig, wie wir, noch nicht. Man kann leicht denken, daß ich mir bey dem Worte wir den Bart, wie ein polnischer Landboth, streiche; wenn er sein veto donnert. * So sehr ich mich auch bemühe, mich in dieser Vorrede zu meinem Leser herab zu lassen: so siehet man wohl, daß mein Geist viel zu groß ist, als daß er seine Größe verbergen könne. Es gehet mir wie dem Cyrus, der auch un- tern Ochsenjungen seinen königlichen Geist verrieth. Allein was Cyrus? Das war kein Patriarch; ein Gleichniß von Zo- phenat- * Siehe alle heilige Dichter.
Vorrede. ne wichtige Perſon ein Dichter iſt. Red-ner, Theologen, Weltweiſe, Geſchicht- ſchreiber, Rechtsgelehrte, Aerzte muͤſſen vor der Tyrannin, der Sprache, zittern. Ja, alle, die vernuͤnftig ſeyn wollen, er- kennen, und verehren ſie. Aber wir nicht! Was gehet uns die geſunde Ver- nunft an? Vernuͤnftig ſind die Men- ſchen lange geweſen; aber ſo witzig, wie wir, noch nicht. Man kann leicht denken, daß ich mir bey dem Worte wir den Bart, wie ein polniſcher Landboth, ſtreiche; wenn er ſein veto donnert. * So ſehr ich mich auch bemuͤhe, mich in dieſer Vorrede zu meinem Leſer herab zu laſſen: ſo ſiehet man wohl, daß mein Geiſt viel zu groß iſt, als daß er ſeine Groͤße verbergen koͤnne. Es gehet mir wie dem Cyrus, der auch un- tern Ochſenjungen ſeinen koͤniglichen Geiſt verrieth. Allein was Cyrus? Das war kein Patriarch; ein Gleichniß von Zo- phenat- * Siehe alle heilige Dichter.
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Vorrede.
ne wichtige Perſon ein Dichter iſt. Red-
ner, Theologen, Weltweiſe, Geſchicht-
ſchreiber, Rechtsgelehrte, Aerzte muͤſſen
vor der Tyrannin, der Sprache, zittern.
Ja, alle, die vernuͤnftig ſeyn wollen, er-
kennen, und verehren ſie. Aber wir
nicht! Was gehet uns die geſunde Ver-
nunft an? Vernuͤnftig ſind die Men-
ſchen lange geweſen; aber ſo witzig, wie
wir, noch nicht. Man kann leicht denken, daß
ich mir bey dem Worte wir den Bart, wie
ein polniſcher Landboth, ſtreiche; wenn
er ſein veto donnert. * So ſehr ich mich
auch bemuͤhe, mich in dieſer Vorrede zu
meinem Leſer herab zu laſſen: ſo ſiehet man
wohl, daß mein Geiſt viel zu groß iſt, als
daß er ſeine Groͤße verbergen koͤnne. Es
gehet mir wie dem Cyrus, der auch un-
tern Ochſenjungen ſeinen koͤniglichen Geiſt
verrieth. Allein was Cyrus? Das war
kein Patriarch; ein Gleichniß von Zo-
phenat-
* Siehe alle heilige Dichter.
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