Jch, der ich nur zum Bewundern ge- bohren bin; ich habe mich bereits seit 15 bis 16 Jahren, d. i. die halbe Zeit meines Lebens, bemühet, Blümchen zu sammeln, die alle den Stengel zeigen, von dem sie gebrochen worden;* d. i. Kinder des Verstandes sind. Jch habe daher die mehr als homerischen Teufel- und Bibel- dichter fast alle gelesen, und bin, wenn ichs sagen darf, endlich so weit gekommen, ein Mitglied der vortrefflichen Sprach- schnitzergesellschaft, oder himmlischen Jüngerschaft** zu werden. Da nun ei- nes jeden Pflicht ist, sein Talent nicht zu vergraben: so wuchere auch ich mit meinem Pfunde. Jch mache gar zu gern Prosely- ten. Jch halte des Nachmittags ordent- lich eine Erbauungsstunde, wo ich meine Schüler, an Statt eines Kapitels aus der Bibel, allezeit ein Stück aus der Meßiade
vorle-
* Siehe Bodmers ungereimte Gedichte.
** Siehe Meßias an vielen Orten.
Vorrede.
Jch, der ich nur zum Bewundern ge- bohren bin; ich habe mich bereits ſeit 15 bis 16 Jahren, d. i. die halbe Zeit meines Lebens, bemuͤhet, Bluͤmchen zu ſammeln, die alle den Stengel zeigen, von dem ſie gebrochen worden;* d. i. Kinder des Verſtandes ſind. Jch habe daher die mehr als homeriſchen Teufel- und Bibel- dichter faſt alle geleſen, und bin, wenn ichs ſagen darf, endlich ſo weit gekommen, ein Mitglied der vortrefflichen Sprach- ſchnitzergeſellſchaft, oder himmliſchen Juͤngerſchaft** zu werden. Da nun ei- nes jeden Pflicht iſt, ſein Talent nicht zu vergraben: ſo wuchere auch ich mit meinem Pfunde. Jch mache gar zu gern Proſely- ten. Jch halte des Nachmittags ordent- lich eine Erbauungsſtunde, wo ich meine Schuͤler, an Statt eines Kapitels aus der Bibel, allezeit ein Stuͤck aus der Meßiade
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* Siehe Bodmers ungereimte Gedichte.
** Siehe Meßias an vielen Orten.
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[0010]
Vorrede.
Jch, der ich nur zum Bewundern ge-
bohren bin; ich habe mich bereits ſeit 15
bis 16 Jahren, d. i. die halbe Zeit meines
Lebens, bemuͤhet, Bluͤmchen zu ſammeln,
die alle den Stengel zeigen, von dem ſie
gebrochen worden; * d. i. Kinder des
Verſtandes ſind. Jch habe daher die
mehr als homeriſchen Teufel- und Bibel-
dichter faſt alle geleſen, und bin, wenn
ichs ſagen darf, endlich ſo weit gekommen,
ein Mitglied der vortrefflichen Sprach-
ſchnitzergeſellſchaft, oder himmliſchen
Juͤngerſchaft ** zu werden. Da nun ei-
nes jeden Pflicht iſt, ſein Talent nicht zu
vergraben: ſo wuchere auch ich mit meinem
Pfunde. Jch mache gar zu gern Proſely-
ten. Jch halte des Nachmittags ordent-
lich eine Erbauungsſtunde, wo ich meine
Schuͤler, an Statt eines Kapitels aus der
Bibel, allezeit ein Stuͤck aus der Meßiade
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* Siehe Bodmers ungereimte Gedichte.
** Siehe Meßias an vielen Orten.
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Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/10>, abgerufen am 27.11.2024.
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