Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926.

Bild:
<< vorherige Seite

der Furcht, ja des Entsetzens trat in ihr Auge. Sie streckte die Arme empor, sinnlos und wie verzweifelt, ihr Mund blieb geöffnet.

"Was ist dir?" fragte Fridolin stockenden Atems. Und da sie ihn immer noch wie mit Entsetzen anstarrte, fügte er wie beruhigend hinzu: "Ich bin's, Albertine." Sie atmete tief, versuchte ein Lächeln, ließ die Arme auf die Bettdecke sinken, und wie aus der Ferne fragte sie: "Ist es schon Morgen?"

"Bald", erwiderte Fridolin. "Vier Uhr vorüber. Eben erst bin ich nach Hause gekommen." Sie schwieg. Er fuhr fort: "Der Hofrat ist tot. Er lag schon im Sterben, als ich kam, - und ich konnte natürlich - die Angehörigen nicht gleich allein lassen."

Sie nickte, schien ihn aber kaum gehört oder verstanden zu haben, starrte wie durch ihn hindurch ins Leere, und ihm war, - so unsinnig ihm selbst der Einfall im gleichen Augenblick erschien, als müßte ihr bekannt sein, was er in dieser Nacht erlebt hatte. Er neigte sich über sie und berührte ihre Stirn. Sie erschauerte leicht.

"Was ist dir?" fragte er wieder.

Sie schüttelte nur langsam den Kopf. Er strich ihr über die Haare. "Albertine, was ist dir?"

"Ich habe geträumt", sagte sie fern.

"Was hast du denn geträumt?" fragte er mild.

"Ach, so viel. Ich kann mich nicht recht besinnen."

der Furcht, ja des Entsetzens trat in ihr Auge. Sie streckte die Arme empor, sinnlos und wie verzweifelt, ihr Mund blieb geöffnet.

„Was ist dir?“ fragte Fridolin stockenden Atems. Und da sie ihn immer noch wie mit Entsetzen anstarrte, fügte er wie beruhigend hinzu: „Ich bin’s, Albertine.“ Sie atmete tief, versuchte ein Lächeln, ließ die Arme auf die Bettdecke sinken, und wie aus der Ferne fragte sie: „Ist es schon Morgen?“

„Bald“, erwiderte Fridolin. „Vier Uhr vorüber. Eben erst bin ich nach Hause gekommen.“ Sie schwieg. Er fuhr fort: „Der Hofrat ist tot. Er lag schon im Sterben, als ich kam, – und ich konnte natürlich – die Angehörigen nicht gleich allein lassen.“

Sie nickte, schien ihn aber kaum gehört oder verstanden zu haben, starrte wie durch ihn hindurch ins Leere, und ihm war, – so unsinnig ihm selbst der Einfall im gleichen Augenblick erschien, als müßte ihr bekannt sein, was er in dieser Nacht erlebt hatte. Er neigte sich über sie und berührte ihre Stirn. Sie erschauerte leicht.

„Was ist dir?“ fragte er wieder.

Sie schüttelte nur langsam den Kopf. Er strich ihr über die Haare. „Albertine, was ist dir?“

„Ich habe geträumt“, sagte sie fern.

„Was hast du denn geträumt?“ fragte er mild.

„Ach, so viel. Ich kann mich nicht recht besinnen.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="81"/>
der Furcht, ja des Entsetzens trat in ihr Auge. Sie streckte die Arme empor, sinnlos und wie verzweifelt, ihr Mund blieb geöffnet.</p>
        <p>&#x201E;Was ist dir?&#x201C; fragte Fridolin stockenden Atems. Und da sie ihn immer noch wie mit Entsetzen anstarrte, fügte er wie beruhigend hinzu: &#x201E;Ich bin&#x2019;s, Albertine.&#x201C; Sie atmete tief, versuchte ein Lächeln, ließ die Arme auf die Bettdecke sinken, und wie aus der Ferne fragte sie: &#x201E;Ist es schon Morgen?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Bald&#x201C;, erwiderte Fridolin. &#x201E;Vier Uhr vorüber. Eben erst bin ich nach Hause gekommen.&#x201C; Sie schwieg. Er fuhr fort: &#x201E;Der Hofrat ist tot. Er lag schon im Sterben, als ich kam, &#x2013; und ich konnte natürlich &#x2013; die Angehörigen nicht gleich allein lassen.&#x201C;</p>
        <p>Sie nickte, schien ihn aber kaum gehört oder verstanden zu haben, starrte wie durch ihn hindurch ins Leere, und ihm war, &#x2013; so unsinnig ihm selbst der Einfall im gleichen Augenblick erschien, als müßte ihr bekannt sein, was er in dieser Nacht erlebt hatte. Er neigte sich über sie und berührte ihre Stirn. Sie erschauerte leicht.</p>
        <p>&#x201E;Was ist dir?&#x201C; fragte er wieder.</p>
        <p>Sie schüttelte nur langsam den Kopf. Er strich ihr über die Haare. &#x201E;Albertine, was ist dir?&#x201C;</p>
        <p>&#x201E;Ich habe geträumt&#x201C;, sagte sie fern.</p>
        <p>&#x201E;Was hast du denn geträumt?&#x201C; fragte er mild.</p>
        <p>&#x201E;Ach, so viel. Ich kann mich nicht recht besinnen.&#x201C;</p>
        <p>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0083] der Furcht, ja des Entsetzens trat in ihr Auge. Sie streckte die Arme empor, sinnlos und wie verzweifelt, ihr Mund blieb geöffnet. „Was ist dir?“ fragte Fridolin stockenden Atems. Und da sie ihn immer noch wie mit Entsetzen anstarrte, fügte er wie beruhigend hinzu: „Ich bin’s, Albertine.“ Sie atmete tief, versuchte ein Lächeln, ließ die Arme auf die Bettdecke sinken, und wie aus der Ferne fragte sie: „Ist es schon Morgen?“ „Bald“, erwiderte Fridolin. „Vier Uhr vorüber. Eben erst bin ich nach Hause gekommen.“ Sie schwieg. Er fuhr fort: „Der Hofrat ist tot. Er lag schon im Sterben, als ich kam, – und ich konnte natürlich – die Angehörigen nicht gleich allein lassen.“ Sie nickte, schien ihn aber kaum gehört oder verstanden zu haben, starrte wie durch ihn hindurch ins Leere, und ihm war, – so unsinnig ihm selbst der Einfall im gleichen Augenblick erschien, als müßte ihr bekannt sein, was er in dieser Nacht erlebt hatte. Er neigte sich über sie und berührte ihre Stirn. Sie erschauerte leicht. „Was ist dir?“ fragte er wieder. Sie schüttelte nur langsam den Kopf. Er strich ihr über die Haare. „Albertine, was ist dir?“ „Ich habe geträumt“, sagte sie fern. „Was hast du denn geträumt?“ fragte er mild. „Ach, so viel. Ich kann mich nicht recht besinnen.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_traumnovelle_1926
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_traumnovelle_1926/83
Zitationshilfe: Schnitzler, Arthur: Traumnovelle. Berlin, 1926, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_traumnovelle_1926/83>, abgerufen am 04.12.2024.