Schnitzler, Arthur: Reigen. Wien, 1903.Morgen, gegen sechs Uhr. Ein ärmliches Zimmer; einfenstrig, die gelblich-schmutzigen Rouletten sind heruntergelassen. Verschlissene grünliche Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Photographien stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damen- hut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer. Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch über- zogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich brennt; papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halb geleertes Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne; sie atmet ruhig. -- Auf dem Divan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im Drapp-Überzieher; der Hut liegt zu Häupten des Divans auf dem Boden. Graf (bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch, bleibt sitzen, schaut um sich). Ja, wie bin ich denn . . . . Ah so . . . . Also bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach Haus . . . . (Er steht rasch auf, sieht ihr Bett.) Da liegt s' ja . . . . Was einem noch alles in meinem Alter passieren kann. Ich hab' keine Morgen, gegen sechs Uhr. Ein ärmliches Zimmer; einfenstrig, die gelblich-schmutzigen Rouletten sind heruntergelassen. Verschlissene grünliche Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Photographien stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damen- hut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer. Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch über- zogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich brennt; papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halb geleertes Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne; sie atmet ruhig. — Auf dem Divan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im Drapp-Überzieher; der Hut liegt zu Häupten des Divans auf dem Boden. Graf (bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch, bleibt sitzen, schaut um sich). Ja, wie bin ich denn . . . . Ah so . . . . Also bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach Haus . . . . (Er steht rasch auf, sieht ihr Bett.) Da liegt s’ ja . . . . Was einem noch alles in meinem Alter passieren kann. Ich hab’ keine <TEI> <text> <body> <div n="2"> <pb facs="#f0241" n="[233]"/> <stage>Morgen, gegen sechs Uhr.<lb/> Ein ärmliches Zimmer; einfenstrig, die gelblich-schmutzigen<lb/> Rouletten sind heruntergelassen. Verschlissene grünliche<lb/> Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Photographien<lb/> stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damen-<lb/> hut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer.<lb/> Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch über-<lb/> zogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich<lb/> brennt; papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein<lb/> Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halb geleertes<lb/> Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich<lb/> Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden<lb/> wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne; sie atmet ruhig.<lb/> — Auf dem Divan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im<lb/> Drapp-Überzieher; der Hut liegt zu Häupten des Divans<lb/> auf dem Boden.</stage><lb/> <sp who="#GRAF"> <speaker> <hi rendition="#b">Graf</hi> </speaker> <stage>(bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch,<lb/> bleibt sitzen, schaut um sich).</stage><lb/> <p>Ja, wie bin ich denn . . . . Ah so . . . . Also<lb/> bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach<lb/> Haus . . . . <stage>(Er steht rasch auf, sieht ihr Bett.)</stage> Da<lb/> liegt s’ ja . . . . Was einem noch alles in<lb/> meinem Alter passieren kann. Ich hab’ keine<lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [[233]/0241]
Morgen, gegen sechs Uhr.
Ein ärmliches Zimmer; einfenstrig, die gelblich-schmutzigen
Rouletten sind heruntergelassen. Verschlissene grünliche
Vorhänge. Eine Kommode, auf der ein paar Photographien
stehen und ein auffallend geschmackloser, billiger Damen-
hut liegt. Hinter dem Spiegel billige japanische Fächer.
Auf dem Tisch, der mit einem rötlichen Schutztuch über-
zogen ist, steht eine Petroleumlampe, die schwach brenzlich
brennt; papierener, gelber Lampenschirm, daneben ein
Krug, in dem ein Rest von Bier ist, und ein halb geleertes
Glas. Auf dem Boden neben dem Bett liegen unordentlich
Frauenkleider, als wenn sie eben rasch abgeworfen worden
wären. Im Bett liegt schlafend die Dirne; sie atmet ruhig.
— Auf dem Divan, völlig angekleidet, liegt der Graf, im
Drapp-Überzieher; der Hut liegt zu Häupten des Divans
auf dem Boden.
Graf (bewegt sich, reibt die Augen, erhebt sich rasch,
bleibt sitzen, schaut um sich).
Ja, wie bin ich denn . . . . Ah so . . . . Also
bin ich richtig mit dem Frauenzimmer nach
Haus . . . . (Er steht rasch auf, sieht ihr Bett.) Da
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Zitationshilfe: | Schnitzler, Arthur: Reigen. Wien, 1903, S. [233]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_reigen_1903/241>, abgerufen am 17.02.2025. |