Schnitzler, Arthur: Fräulein Else. Novelle. Berlin u. a., 1924.Sternenlicht wird Sie herrlich kleiden." - Wie zu einer Sklavin spricht er. Ich spucke ihm ins Gesicht. - "Sie sollen mir nicht gleich antworten, Else. Überlegen Sie. Nach dem Diner werden Sie mir gütigst Ihre Entscheidung kundtun." - Warum sagt er denn ,kundtun'. Was für ein blödes Wort: kundtun. - "Überlegen Sie in aller Ruhe. Sie werden vielleicht spüren, daß es nicht einfach ein Handel ist, den ich Ihnen vorschlage." - Was denn, du klingender Schuft! - "Sie werden möglicherweise ahnen, daß ein Mann zu Ihnen spricht, der ziemlich einsam und nicht besonders glücklich ist und der vielleicht einige Nachsicht verdient." - Affektierter Schuft. Spricht wie ein schlechter Schauspieler. Seine gepflegten Finger sehen aus wie Krallen. Nein, nein, ich will nicht. Warum sag' ich es denn nicht. Bring' dich um, Papa! Was will er denn mit meiner Hand? Ganz schlaff ist mein Arm. Er führt meine Hand an seine Lippen. Heiße Lippen. Pfui! Meine Hand ist kalt. Ich hätte Lust, ihm den Hut herunter zu blasen. Ha, wie komisch wär' das. Bald ausgeküßt, du Schuft? - Die Bogenlampen vor dem Hotel brennen schon. Zwei Fenster stehen Sternenlicht wird Sie herrlich kleiden.“ – Wie zu einer Sklavin spricht er. Ich spucke ihm ins Gesicht. – „Sie sollen mir nicht gleich antworten, Else. Überlegen Sie. Nach dem Diner werden Sie mir gütigst Ihre Entscheidung kundtun.“ – Warum sagt er denn ‚kundtun‘. Was für ein blödes Wort: kundtun. – „Überlegen Sie in aller Ruhe. Sie werden vielleicht spüren, daß es nicht einfach ein Handel ist, den ich Ihnen vorschlage.“ – Was denn, du klingender Schuft! – „Sie werden möglicherweise ahnen, daß ein Mann zu Ihnen spricht, der ziemlich einsam und nicht besonders glücklich ist und der vielleicht einige Nachsicht verdient.“ – Affektierter Schuft. Spricht wie ein schlechter Schauspieler. Seine gepflegten Finger sehen aus wie Krallen. Nein, nein, ich will nicht. Warum sag’ ich es denn nicht. Bring’ dich um, Papa! Was will er denn mit meiner Hand? Ganz schlaff ist mein Arm. Er führt meine Hand an seine Lippen. Heiße Lippen. Pfui! Meine Hand ist kalt. Ich hätte Lust, ihm den Hut herunter zu blasen. Ha, wie komisch wär’ das. Bald ausgeküßt, du Schuft? – Die Bogenlampen vor dem Hotel brennen schon. Zwei Fenster stehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><hi rendition="#i"><pb facs="#f0058" n="60"/> Sternenlicht wird Sie herrlich kleiden.“</hi> – Wie zu einer Sklavin spricht er. Ich spucke ihm ins Gesicht. – <hi rendition="#i">„Sie sollen mir nicht gleich antworten, Else. Überlegen Sie. Nach dem Diner werden Sie mir gütigst Ihre Entscheidung kundtun.“</hi> – Warum sagt er denn ‚kundtun‘. Was für ein blödes Wort: kundtun. – <hi rendition="#i">„Überlegen Sie in aller Ruhe. Sie werden vielleicht spüren, daß es nicht einfach ein Handel ist, den ich Ihnen vorschlage.“</hi> – Was denn, du klingender Schuft! – <hi rendition="#i">„Sie werden möglicherweise ahnen, daß ein Mann zu Ihnen spricht, der ziemlich einsam und nicht besonders glücklich ist und der vielleicht einige Nachsicht verdient.“</hi> – Affektierter Schuft. Spricht wie ein schlechter Schauspieler. Seine gepflegten Finger sehen aus wie Krallen. Nein, nein, ich will nicht. Warum sag’ ich es denn nicht. Bring’ dich um, Papa! Was will er denn mit meiner Hand? Ganz schlaff ist mein Arm. Er führt meine Hand an seine Lippen. Heiße Lippen. Pfui! Meine Hand ist kalt. Ich hätte Lust, ihm den Hut herunter zu blasen. Ha, wie komisch wär’ das. Bald ausgeküßt, du Schuft? – Die Bogenlampen vor dem Hotel brennen schon. Zwei Fenster stehen </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0058]
Sternenlicht wird Sie herrlich kleiden.“ – Wie zu einer Sklavin spricht er. Ich spucke ihm ins Gesicht. – „Sie sollen mir nicht gleich antworten, Else. Überlegen Sie. Nach dem Diner werden Sie mir gütigst Ihre Entscheidung kundtun.“ – Warum sagt er denn ‚kundtun‘. Was für ein blödes Wort: kundtun. – „Überlegen Sie in aller Ruhe. Sie werden vielleicht spüren, daß es nicht einfach ein Handel ist, den ich Ihnen vorschlage.“ – Was denn, du klingender Schuft! – „Sie werden möglicherweise ahnen, daß ein Mann zu Ihnen spricht, der ziemlich einsam und nicht besonders glücklich ist und der vielleicht einige Nachsicht verdient.“ – Affektierter Schuft. Spricht wie ein schlechter Schauspieler. Seine gepflegten Finger sehen aus wie Krallen. Nein, nein, ich will nicht. Warum sag’ ich es denn nicht. Bring’ dich um, Papa! Was will er denn mit meiner Hand? Ganz schlaff ist mein Arm. Er führt meine Hand an seine Lippen. Heiße Lippen. Pfui! Meine Hand ist kalt. Ich hätte Lust, ihm den Hut herunter zu blasen. Ha, wie komisch wär’ das. Bald ausgeküßt, du Schuft? – Die Bogenlampen vor dem Hotel brennen schon. Zwei Fenster stehen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924/58 |
Zitationshilfe: | Schnitzler, Arthur: Fräulein Else. Novelle. Berlin u. a., 1924, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnitzler_else_1924/58>, abgerufen am 16.02.2025. |