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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Kessel schüttete, den Pocal wieder ausspülte, und
denselben des Gouverneurs Gemahlin praesen-
tir
te, die so gut mit machte, als der beste Cavalier.
Die Dame trunck es ihrer ältesten Tochter, und
diese ihrer Schwester zu, und war hierbey zu be-
mercken: daß, so offt eine Person an der Taffel
den Pocal ausgetruncken, ein Page kam, der den
noch übrig darinnen befindlichen Wein in den
silbernen Schwenck-Kessel goß, den Pocal mit
Wasser ausspülete, wieder voll Wein schenckte,
und ihn demjenigen, welchem es zugetruncken war,
auf einer goldenen Schaale praesentirte, auch dar-
bey credentzte. So gieng es von oben an biß
unten aus.

Meinem Bruder war seiner Haupt-Wunde
wegen bey Tische nicht allzu wohl, welches ich
wohl merckte, indem er sich zum öfftern im Gesich-
te veränderte, allein, weil er ein Löwen-Hertz im
Leibe hat, so verbiß er seine Schmertzen, und ließ
sich nichts mercken, weßwegen ich auch stille schwieg.
Unter dessen war des Gouverneurs älteste Toch-
ter, so neben mir saß, dieses gewahr worden, neigte
sich also zu mir, und sagte: Mein Herr! wie kommt
mir euer Herr Bruder vor? er verwandelt sich
öffters im Gesichte. Es wäre kein Wunder,
Gnädiges Fräulin, (gab ich zur Antwort) wenn
er sich zuweilen im Gesichte verwandelte, denn
er hat gestern Abend einen gewaltigen Hieb über
den Hirnschädel, und eine Kugel in die lincke
Hüffte bekommen; Allein, er wird daran nicht
sterben. So bald ich ausgeredet, ließ das Fräu-
lein einige Thränen fallen; worauf sie von ihrer

Frau

Keſſel ſchuͤttete, den Pocal wieder ausſpuͤlte, und
denſelben des Gouverneurs Gemahlin præſen-
tir
te, die ſo gut mit machte, als der beſte Cavalier.
Die Dame trunck es ihrer aͤlteſten Tochter, und
dieſe ihrer Schweſter zu, und war hierbey zu be-
mercken: daß, ſo offt eine Perſon an der Taffel
den Pocal ausgetruncken, ein Page kam, der den
noch uͤbrig darinnen befindlichen Wein in den
ſilbernen Schwenck-Keſſel goß, den Pocal mit
Waſſer ausſpuͤlete, wieder voll Wein ſchenckte,
und ihn demjenigen, welchem es zugetruncken war,
auf einer goldenen Schaale præſentirte, auch dar-
bey credentzte. So gieng es von oben an biß
unten aus.

Meinem Bruder war ſeiner Haupt-Wunde
wegen bey Tiſche nicht allzu wohl, welches ich
wohl merckte, indem er ſich zum oͤfftern im Geſich-
te veraͤnderte, allein, weil er ein Loͤwen-Hertz im
Leibe hat, ſo verbiß er ſeine Schmertzen, und ließ
ſich nichts mercken, weßwegen ich auch ſtille ſchwieg.
Unter deſſen war des Gouverneurs aͤlteſte Toch-
ter, ſo neben mir ſaß, dieſes gewahr worden, neigte
ſich alſo zu mir, und ſagte: Mein Herr! wie kom̃t
mir euer Herr Bruder vor? er verwandelt ſich
oͤffters im Geſichte. Es waͤre kein Wunder,
Gnaͤdiges Fraͤulin, (gab ich zur Antwort) wenn
er ſich zuweilen im Geſichte verwandelte, denn
er hat geſtern Abend einen gewaltigen Hieb uͤber
den Hirnſchaͤdel, und eine Kugel in die lincke
Huͤffte bekommen; Allein, er wird daran nicht
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Frau
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[82/0092] Keſſel ſchuͤttete, den Pocal wieder ausſpuͤlte, und denſelben des Gouverneurs Gemahlin præſen- tirte, die ſo gut mit machte, als der beſte Cavalier. Die Dame trunck es ihrer aͤlteſten Tochter, und dieſe ihrer Schweſter zu, und war hierbey zu be- mercken: daß, ſo offt eine Perſon an der Taffel den Pocal ausgetruncken, ein Page kam, der den noch uͤbrig darinnen befindlichen Wein in den ſilbernen Schwenck-Keſſel goß, den Pocal mit Waſſer ausſpuͤlete, wieder voll Wein ſchenckte, und ihn demjenigen, welchem es zugetruncken war, auf einer goldenen Schaale præſentirte, auch dar- bey credentzte. So gieng es von oben an biß unten aus. Meinem Bruder war ſeiner Haupt-Wunde wegen bey Tiſche nicht allzu wohl, welches ich wohl merckte, indem er ſich zum oͤfftern im Geſich- te veraͤnderte, allein, weil er ein Loͤwen-Hertz im Leibe hat, ſo verbiß er ſeine Schmertzen, und ließ ſich nichts mercken, weßwegen ich auch ſtille ſchwieg. Unter deſſen war des Gouverneurs aͤlteſte Toch- ter, ſo neben mir ſaß, dieſes gewahr worden, neigte ſich alſo zu mir, und ſagte: Mein Herr! wie kom̃t mir euer Herr Bruder vor? er verwandelt ſich oͤffters im Geſichte. Es waͤre kein Wunder, Gnaͤdiges Fraͤulin, (gab ich zur Antwort) wenn er ſich zuweilen im Geſichte verwandelte, denn er hat geſtern Abend einen gewaltigen Hieb uͤber den Hirnſchaͤdel, und eine Kugel in die lincke Huͤffte bekommen; Allein, er wird daran nicht ſterben. So bald ich ausgeredet, ließ das Fraͤu- lein einige Thraͤnen fallen; worauf ſie von ihrer Frau

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/92>, abgerufen am 24.11.2024.