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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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war so verwegen, sich auf die Hinter-Pfoten zu se-
tzen, mit den Vorder-Pfoten aber die Printzeßin
auf das allerfreundlichste zu umarmen, und ihr
das Angesicht zu belecken.

Kaum hatte die Löwin dergleichen Compli-
ment
e gesehen, als sie dieselben auf eben die Art
und Weise recht poßierlich und liebreich nach-
machte, worüber allen Zuschauern ein Grauen und
Schrecken ankam; allein, nachdem sich die Prin-
tzeßin in dem Gehäuse und Vorhofe über 2. Stun-
den lang mit beyden Löwen ergötzt, der schönen
jungen Löwin aber etliche Stücke Confect zur
Speise dargereicht (als welches dieselbe mit be-
sonderm Appetite zu sich nahm) so kam unsere
Printzeßin Christiana vergnügt und unbeschädi-
get zurück auf die Burg.

Nachdem auf diese besondere Begebenheit
etwa 6. oder 8. Wochen verflossen, höreten wir in
einer stockfinstern Nacht ein entsetzliches Brüllen
beyder Löwen, welches fast biß zum Aufgange der
Sonne immer abwechselend währete. Die Be-
hertztesten unter uns giengen mit Ober-und Un-
ter-Gewehr hin, um zu erfahren, ob etwa eine
Verrätherey unter Handen, oder was den Löwen
allen beyden sonsten zugestossen wäre; allein wir
höreten weiter nichts, als in dem Löwen-Hause zu
etlichen mahlen ein Winseln und Wehklagen mit
unter mischten Brüllen, weßwegen wir denn auf
die Gedancken geriethen, daß diese beyden Ehe-
Gatten, die vielleicht nicht recht mit einander zu-
frieden seyn möchten, sich wohl etwa gar umbrin-
gen wolten, mithin uns denn nicht weiter um sie

beküm-

war ſo verwegen, ſich auf die Hinter-Pfoten zu ſe-
tzen, mit den Vorder-Pfoten aber die Printzeßin
auf das allerfreundlichſte zu umarmen, und ihr
das Angeſicht zu belecken.

Kaum hatte die Loͤwin dergleichen Compli-
ment
e geſehen, als ſie dieſelben auf eben die Art
und Weiſe recht poßierlich und liebreich nach-
machte, woruͤber allen Zuſchauern ein Grauen und
Schrecken ankam; allein, nachdem ſich die Prin-
tzeßin in dem Gehaͤuſe und Vorhofe uͤber 2. Stun-
den lang mit beyden Loͤwen ergoͤtzt, der ſchoͤnen
jungen Loͤwin aber etliche Stuͤcke Confect zur
Speiſe dargereicht (als welches dieſelbe mit be-
ſonderm Appetite zu ſich nahm) ſo kam unſere
Printzeßin Chriſtiana vergnuͤgt und unbeſchaͤdi-
get zuruͤck auf die Burg.

Nachdem auf dieſe beſondere Begebenheit
etwa 6. oder 8. Wochen verfloſſen, hoͤreten wir in
einer ſtockfinſtern Nacht ein entſetzliches Bruͤllen
beyder Loͤwen, welches faſt biß zum Aufgange der
Sonne immer abwechſelend waͤhrete. Die Be-
hertzteſten unter uns giengen mit Ober-und Un-
ter-Gewehr hin, um zu erfahren, ob etwa eine
Verraͤtherey unter Handen, oder was den Loͤwen
allen beyden ſonſten zugeſtoſſen waͤre; allein wir
hoͤreten weiter nichts, als in dem Loͤwen-Hauſe zu
etlichen mahlen ein Winſeln und Wehklagen mit
unter miſchten Bruͤllen, weßwegen wir denn auf
die Gedancken geriethen, daß dieſe beyden Ehe-
Gatten, die vielleicht nicht recht mit einander zu-
frieden ſeyn moͤchten, ſich wohl etwa gar umbrin-
gen wolten, mithin uns denn nicht weiter um ſie

bekuͤm-
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[540/0550] war ſo verwegen, ſich auf die Hinter-Pfoten zu ſe- tzen, mit den Vorder-Pfoten aber die Printzeßin auf das allerfreundlichſte zu umarmen, und ihr das Angeſicht zu belecken. Kaum hatte die Loͤwin dergleichen Compli- mente geſehen, als ſie dieſelben auf eben die Art und Weiſe recht poßierlich und liebreich nach- machte, woruͤber allen Zuſchauern ein Grauen und Schrecken ankam; allein, nachdem ſich die Prin- tzeßin in dem Gehaͤuſe und Vorhofe uͤber 2. Stun- den lang mit beyden Loͤwen ergoͤtzt, der ſchoͤnen jungen Loͤwin aber etliche Stuͤcke Confect zur Speiſe dargereicht (als welches dieſelbe mit be- ſonderm Appetite zu ſich nahm) ſo kam unſere Printzeßin Chriſtiana vergnuͤgt und unbeſchaͤdi- get zuruͤck auf die Burg. Nachdem auf dieſe beſondere Begebenheit etwa 6. oder 8. Wochen verfloſſen, hoͤreten wir in einer ſtockfinſtern Nacht ein entſetzliches Bruͤllen beyder Loͤwen, welches faſt biß zum Aufgange der Sonne immer abwechſelend waͤhrete. Die Be- hertzteſten unter uns giengen mit Ober-und Un- ter-Gewehr hin, um zu erfahren, ob etwa eine Verraͤtherey unter Handen, oder was den Loͤwen allen beyden ſonſten zugeſtoſſen waͤre; allein wir hoͤreten weiter nichts, als in dem Loͤwen-Hauſe zu etlichen mahlen ein Winſeln und Wehklagen mit unter miſchten Bruͤllen, weßwegen wir denn auf die Gedancken geriethen, daß dieſe beyden Ehe- Gatten, die vielleicht nicht recht mit einander zu- frieden ſeyn moͤchten, ſich wohl etwa gar umbrin- gen wolten, mithin uns denn nicht weiter um ſie bekuͤm-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/550>, abgerufen am 25.11.2024.