Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

teten, ohne dem nicht verwehren konten, indem wir
uns in seiner Gewalt befanden.

Demnach kam Arab-Ogli Abends nach der
Taffel, da wir in unserm Zimmer bereits die
Wachs-Kertzen angezündet hatten, und weilen
er die Printzeßin bey ihrem Nacht-Tische sitzend,
und in einem geistlichen Buche lesend antraff, so
warff er sich gleich augenblicklich zu ihren Füssen
hin, und redete dieselbe meines Behalts ohngefähr
mit folgenden Worten an: "Printzeßin Mir-
&q;zamanda!
ihr stehet in der falschen Einbildung,
&q;als ob ihr meine Gefangene wäret; allein hier-
&q;innen irret ihr euch viel zu sehr, denn weilen ihr
&q;die Königin und Beherrscherin meines Hertzens,
&q;so bin ich im Gegentheil euer Gefangener, ja
&q;euer allerunterthänigster Sclave, und zwar von
&q;der Stunde an, da ich das Glück gehabt, eure
&q;Anbethens-würdige Person, als das vollkomme-
&q;ne, ja noch weit schönere Ebenbild eurer gestor-
&q;benen Mutter zu erblicken. Glaubet ja nicht,
&q;daß ich Schuld bin an eurer so genannten Ge-
&q;fangenschafft, oder es meinen Jägern anbefohlen
&q;habe, euch aufzuheben, und zu mir zu führen.
&q;Nein! ich betheure nochmahls bey dem Zeugniß
&q;aller Götter und allen dem, was heilig über und
&q;um uns heist, daß ich ein solches nicht gethan;
&q;da aber das Glück eure Person unverhoffter
&q;Weise in meine Verwahrung geführet, so sehe
&q;ich solches als eine gute Vorbedeutung an, durch
&q;diese eure Person mit eurem Durchl. Vater,
&q;dem Fürsten von Candahar, bald vollkommen

&q;verei-

teten, ohne dem nicht verwehren konten, indem wir
uns in ſeiner Gewalt befanden.

Demnach kam Arab-Ogli Abends nach der
Taffel, da wir in unſerm Zimmer bereits die
Wachs-Kertzen angezuͤndet hatten, und weilen
er die Printzeßin bey ihrem Nacht-Tiſche ſitzend,
und in einem geiſtlichen Buche leſend antraff, ſo
warff er ſich gleich augenblicklich zu ihren Fuͤſſen
hin, und redete dieſelbe meines Behalts ohngefaͤhr
mit folgenden Worten an: „Printzeßin Mir-
&q;zamanda!
ihr ſtehet in der falſchen Einbildung,
&q;als ob ihr meine Gefangene waͤret; allein hier-
&q;innen irret ihr euch viel zu ſehr, denn weilen ihr
&q;die Koͤnigin und Beherrſcherin meines Hertzens,
&q;ſo bin ich im Gegentheil euer Gefangener, ja
&q;euer allerunterthaͤnigſter Sclave, und zwar von
&q;der Stunde an, da ich das Gluͤck gehabt, eure
&q;Anbethens-wuͤrdige Perſon, als das vollkomme-
&q;ne, ja noch weit ſchoͤnere Ebenbild eurer geſtor-
&q;benen Mutter zu erblicken. Glaubet ja nicht,
&q;daß ich Schuld bin an eurer ſo genannten Ge-
&q;fangenſchafft, oder es meinen Jaͤgern anbefohlen
&q;habe, euch aufzuheben, und zu mir zu fuͤhren.
&q;Nein! ich betheure nochmahls bey dem Zeugniß
&q;aller Goͤtter und allen dem, was heilig uͤber und
&q;um uns heiſt, daß ich ein ſolches nicht gethan;
&q;da aber das Gluͤck eure Perſon unverhoffter
&q;Weiſe in meine Verwahrung gefuͤhret, ſo ſehe
&q;ich ſolches als eine gute Vorbedeutung an, durch
&q;dieſe eure Perſon mit eurem Durchl. Vater,
&q;dem Fuͤrſten von Candahar, bald vollkommen

&q;verei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0485" n="475"/>
teten, ohne dem nicht verwehren konten, indem wir<lb/>
uns in &#x017F;einer Gewalt befanden.</p><lb/>
              <p>Demnach kam <hi rendition="#aq">Arab-Ogli</hi> Abends nach der<lb/>
Taffel, da wir in un&#x017F;erm Zimmer bereits die<lb/>
Wachs-Kertzen angezu&#x0364;ndet hatten, und weilen<lb/>
er die Printzeßin bey ihrem Nacht-Ti&#x017F;che &#x017F;itzend,<lb/>
und in einem gei&#x017F;tlichen Buche le&#x017F;end antraff, &#x017F;o<lb/>
warff er &#x017F;ich gleich augenblicklich zu ihren Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hin, und redete die&#x017F;elbe meines Behalts ohngefa&#x0364;hr<lb/>
mit folgenden Worten an: &#x201E;Printzeßin <hi rendition="#aq">Mir-<lb/>
&amp;q;zamanda!</hi> ihr &#x017F;tehet in der fal&#x017F;chen Einbildung,<lb/>
&amp;q;als ob ihr meine Gefangene wa&#x0364;ret; allein hier-<lb/>
&amp;q;innen irret ihr euch viel zu &#x017F;ehr, denn weilen ihr<lb/>
&amp;q;die Ko&#x0364;nigin und Beherr&#x017F;cherin meines Hertzens,<lb/>
&amp;q;&#x017F;o bin ich im Gegentheil euer Gefangener, ja<lb/>
&amp;q;euer alleruntertha&#x0364;nig&#x017F;ter Sclave, und zwar von<lb/>
&amp;q;der Stunde an, da ich das Glu&#x0364;ck gehabt, eure<lb/>
&amp;q;Anbethens-wu&#x0364;rdige Per&#x017F;on, als das vollkomme-<lb/>
&amp;q;ne, ja noch weit &#x017F;cho&#x0364;nere Ebenbild eurer ge&#x017F;tor-<lb/>
&amp;q;benen Mutter zu erblicken. Glaubet ja nicht,<lb/>
&amp;q;daß ich Schuld bin an eurer &#x017F;o genannten Ge-<lb/>
&amp;q;fangen&#x017F;chafft, oder es meinen Ja&#x0364;gern anbefohlen<lb/>
&amp;q;habe, euch aufzuheben, und zu mir zu fu&#x0364;hren.<lb/>
&amp;q;Nein! ich betheure nochmahls bey dem Zeugniß<lb/>
&amp;q;aller Go&#x0364;tter und allen dem, was heilig u&#x0364;ber und<lb/>
&amp;q;um uns hei&#x017F;t, daß ich ein &#x017F;olches nicht gethan;<lb/>
&amp;q;da aber das Glu&#x0364;ck eure Per&#x017F;on unverhoffter<lb/>
&amp;q;Wei&#x017F;e in meine Verwahrung gefu&#x0364;hret, &#x017F;o &#x017F;ehe<lb/>
&amp;q;ich &#x017F;olches als eine gute Vorbedeutung an, durch<lb/>
&amp;q;die&#x017F;e eure Per&#x017F;on mit eurem Durchl. Vater,<lb/>
&amp;q;dem Fu&#x0364;r&#x017F;ten von <hi rendition="#aq">Candahar,</hi> bald vollkommen<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&amp;q;verei-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0485] teten, ohne dem nicht verwehren konten, indem wir uns in ſeiner Gewalt befanden. Demnach kam Arab-Ogli Abends nach der Taffel, da wir in unſerm Zimmer bereits die Wachs-Kertzen angezuͤndet hatten, und weilen er die Printzeßin bey ihrem Nacht-Tiſche ſitzend, und in einem geiſtlichen Buche leſend antraff, ſo warff er ſich gleich augenblicklich zu ihren Fuͤſſen hin, und redete dieſelbe meines Behalts ohngefaͤhr mit folgenden Worten an: „Printzeßin Mir- &q;zamanda! ihr ſtehet in der falſchen Einbildung, &q;als ob ihr meine Gefangene waͤret; allein hier- &q;innen irret ihr euch viel zu ſehr, denn weilen ihr &q;die Koͤnigin und Beherrſcherin meines Hertzens, &q;ſo bin ich im Gegentheil euer Gefangener, ja &q;euer allerunterthaͤnigſter Sclave, und zwar von &q;der Stunde an, da ich das Gluͤck gehabt, eure &q;Anbethens-wuͤrdige Perſon, als das vollkomme- &q;ne, ja noch weit ſchoͤnere Ebenbild eurer geſtor- &q;benen Mutter zu erblicken. Glaubet ja nicht, &q;daß ich Schuld bin an eurer ſo genannten Ge- &q;fangenſchafft, oder es meinen Jaͤgern anbefohlen &q;habe, euch aufzuheben, und zu mir zu fuͤhren. &q;Nein! ich betheure nochmahls bey dem Zeugniß &q;aller Goͤtter und allen dem, was heilig uͤber und &q;um uns heiſt, daß ich ein ſolches nicht gethan; &q;da aber das Gluͤck eure Perſon unverhoffter &q;Weiſe in meine Verwahrung gefuͤhret, ſo ſehe &q;ich ſolches als eine gute Vorbedeutung an, durch &q;dieſe eure Perſon mit eurem Durchl. Vater, &q;dem Fuͤrſten von Candahar, bald vollkommen &q;verei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/485
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/485>, abgerufen am 28.11.2024.