Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

zusammen nehmen, und nebst seiner Frau nach
Europa überschiffen wolte, indem er schon einige
Anstalten darzu gemacht, wolten wir nun mitrei-
sen, so wolte er sehen, daß er uns mit forthelffen
könte: denn er sähe wohl, daß es so wohl vor die
Printzeßin, als vor mich höchst gefährlich wäre,
länger allhier zu bleiben, vorjetzo aber könne er uns
als ein Wein-Händler wohl forthelffen. Man
sagt sonsten im gemeinen Sprichworte: Wer gerne
tantzt, dem ist leichte gepfiffen, und dieses traff bey
mir ein, denn ich kan nicht läugnen, daß ich mich
hertzlich nach Europa sehnete, und vielleicht wieder
in mein Vaterland zu kommen verhoffte, indem
ich einen ziemlichen Schatz an Kleynodien, Dia-
manten und andern kostbaren Edelgesteinen ge-
sammlet, welchen ich meistentheils der Freygebigkeit
meiner seeligen Fürstin zu dancken hatte. Wie
nun die Printzeßin diesen meinen Entschluß gewahr
wurde, fiel sie mir zu Füssen, und bath mich mit
heissen Thränen, sie mit nach Europa unter die
Christen zu nehmen, denn sie wolte sich und mich
mit Kostbarkeiten dergestalt beladen, daß wir alle
beyde schwer und sauer genug daran zu tragen ha-
ben solten. Ohngeachtet ich nun dieses Vorneh-
men der Printzeßin als ein allerhöchst gefährliches
Werck vorstellete, indem es erstlich sehr schwer hal-
ten würde, durch die Wachen zu kommen, vor
das andere, wenn man uns auf der Flucht ertapp-
te, unser Leben in der allergrösten Gefahr stünde,
so ließ sie sich doch von ihrem Vorhaben nicht ab-
wendig machen. Als wir demnach 3. Tage und
Nächte auf unsern Knien gelegen, und GOtt mit

heissen

zuſammen nehmen, und nebſt ſeiner Frau nach
Europa uͤberſchiffen wolte, indem er ſchon einige
Anſtalten darzu gemacht, wolten wir nun mitrei-
ſen, ſo wolte er ſehen, daß er uns mit forthelffen
koͤnte: denn er ſaͤhe wohl, daß es ſo wohl vor die
Printzeßin, als vor mich hoͤchſt gefaͤhrlich waͤre,
laͤnger allhier zu bleiben, vorjetzo aber koͤnne er uns
als ein Wein-Haͤndler wohl forthelffen. Man
ſagt ſonſten im gemeinen Sprichworte: Wer gerne
tantzt, dem iſt leichte gepfiffen, und dieſes traff bey
mir ein, denn ich kan nicht laͤugnen, daß ich mich
hertzlich nach Europa ſehnete, und vielleicht wieder
in mein Vaterland zu kommen verhoffte, indem
ich einen ziemlichen Schatz an Kleynodien, Dia-
manten und andern koſtbaren Edelgeſteinen ge-
ſammlet, welchen ich meiſtentheils der Freygebigkeit
meiner ſeeligen Fuͤrſtin zu dancken hatte. Wie
nun die Printzeßin dieſen meinen Entſchluß gewahr
wurde, fiel ſie mir zu Fuͤſſen, und bath mich mit
heiſſen Thraͤnen, ſie mit nach Europa unter die
Chriſten zu nehmen, denn ſie wolte ſich und mich
mit Koſtbarkeiten dergeſtalt beladen, daß wir alle
beyde ſchwer und ſauer genug daran zu tragen ha-
ben ſolten. Ohngeachtet ich nun dieſes Vorneh-
men der Printzeßin als ein allerhoͤchſt gefaͤhrliches
Werck vorſtellete, indem es erſtlich ſehr ſchwer hal-
ten wuͤrde, durch die Wachen zu kommen, vor
das andere, wenn man uns auf der Flucht ertapp-
te, unſer Leben in der allergroͤſten Gefahr ſtuͤnde,
ſo ließ ſie ſich doch von ihrem Vorhaben nicht ab-
wendig machen. Als wir demnach 3. Tage und
Naͤchte auf unſern Knien gelegen, und GOtt mit

heiſſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0482" n="472"/>
zu&#x017F;ammen nehmen, und neb&#x017F;t &#x017F;einer Frau nach<lb/><hi rendition="#aq">Europa</hi> u&#x0364;ber&#x017F;chiffen wolte, indem er &#x017F;chon einige<lb/>
An&#x017F;talten darzu gemacht, wolten wir nun mitrei-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;o wolte er &#x017F;ehen, daß er uns mit forthelffen<lb/>
ko&#x0364;nte: denn er &#x017F;a&#x0364;he wohl, daß es &#x017F;o wohl vor die<lb/>
Printzeßin, als vor mich ho&#x0364;ch&#x017F;t gefa&#x0364;hrlich wa&#x0364;re,<lb/>
la&#x0364;nger allhier zu bleiben, vorjetzo aber ko&#x0364;nne er uns<lb/>
als ein Wein-Ha&#x0364;ndler wohl forthelffen. Man<lb/>
&#x017F;agt &#x017F;on&#x017F;ten im gemeinen Sprichworte: Wer gerne<lb/>
tantzt, dem i&#x017F;t leichte gepfiffen, und die&#x017F;es traff bey<lb/>
mir ein, denn ich kan nicht la&#x0364;ugnen, daß ich mich<lb/>
hertzlich nach <hi rendition="#aq">Europa</hi> &#x017F;ehnete, und vielleicht wieder<lb/>
in mein Vaterland zu kommen verhoffte, indem<lb/>
ich einen ziemlichen Schatz an Kleynodien, Dia-<lb/>
manten und andern ko&#x017F;tbaren Edelge&#x017F;teinen ge-<lb/>
&#x017F;ammlet, welchen ich mei&#x017F;tentheils der Freygebigkeit<lb/>
meiner &#x017F;eeligen Fu&#x0364;r&#x017F;tin zu dancken hatte. Wie<lb/>
nun die Printzeßin die&#x017F;en meinen Ent&#x017F;chluß gewahr<lb/>
wurde, fiel &#x017F;ie mir zu Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und bath mich mit<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en Thra&#x0364;nen, &#x017F;ie mit nach <hi rendition="#aq">Europa</hi> unter die<lb/>
Chri&#x017F;ten zu nehmen, denn &#x017F;ie wolte &#x017F;ich und mich<lb/>
mit Ko&#x017F;tbarkeiten derge&#x017F;talt beladen, daß wir alle<lb/>
beyde &#x017F;chwer und &#x017F;auer genug daran zu tragen ha-<lb/>
ben &#x017F;olten. Ohngeachtet ich nun die&#x017F;es Vorneh-<lb/>
men der Printzeßin als ein allerho&#x0364;ch&#x017F;t gefa&#x0364;hrliches<lb/>
Werck vor&#x017F;tellete, indem es er&#x017F;tlich &#x017F;ehr &#x017F;chwer hal-<lb/>
ten wu&#x0364;rde, durch die Wachen zu kommen, vor<lb/>
das andere, wenn man uns auf der Flucht ertapp-<lb/>
te, un&#x017F;er Leben in der allergro&#x0364;&#x017F;ten Gefahr &#x017F;tu&#x0364;nde,<lb/>
&#x017F;o ließ &#x017F;ie &#x017F;ich doch von ihrem Vorhaben nicht ab-<lb/>
wendig machen. Als wir demnach 3. Tage und<lb/>
Na&#x0364;chte auf un&#x017F;ern Knien gelegen, und GOtt mit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hei&#x017F;&#x017F;en</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[472/0482] zuſammen nehmen, und nebſt ſeiner Frau nach Europa uͤberſchiffen wolte, indem er ſchon einige Anſtalten darzu gemacht, wolten wir nun mitrei- ſen, ſo wolte er ſehen, daß er uns mit forthelffen koͤnte: denn er ſaͤhe wohl, daß es ſo wohl vor die Printzeßin, als vor mich hoͤchſt gefaͤhrlich waͤre, laͤnger allhier zu bleiben, vorjetzo aber koͤnne er uns als ein Wein-Haͤndler wohl forthelffen. Man ſagt ſonſten im gemeinen Sprichworte: Wer gerne tantzt, dem iſt leichte gepfiffen, und dieſes traff bey mir ein, denn ich kan nicht laͤugnen, daß ich mich hertzlich nach Europa ſehnete, und vielleicht wieder in mein Vaterland zu kommen verhoffte, indem ich einen ziemlichen Schatz an Kleynodien, Dia- manten und andern koſtbaren Edelgeſteinen ge- ſammlet, welchen ich meiſtentheils der Freygebigkeit meiner ſeeligen Fuͤrſtin zu dancken hatte. Wie nun die Printzeßin dieſen meinen Entſchluß gewahr wurde, fiel ſie mir zu Fuͤſſen, und bath mich mit heiſſen Thraͤnen, ſie mit nach Europa unter die Chriſten zu nehmen, denn ſie wolte ſich und mich mit Koſtbarkeiten dergeſtalt beladen, daß wir alle beyde ſchwer und ſauer genug daran zu tragen ha- ben ſolten. Ohngeachtet ich nun dieſes Vorneh- men der Printzeßin als ein allerhoͤchſt gefaͤhrliches Werck vorſtellete, indem es erſtlich ſehr ſchwer hal- ten wuͤrde, durch die Wachen zu kommen, vor das andere, wenn man uns auf der Flucht ertapp- te, unſer Leben in der allergroͤſten Gefahr ſtuͤnde, ſo ließ ſie ſich doch von ihrem Vorhaben nicht ab- wendig machen. Als wir demnach 3. Tage und Naͤchte auf unſern Knien gelegen, und GOtt mit heiſſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/482
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 472. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/482>, abgerufen am 27.11.2024.