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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Des Fürsten Zorn, da er seine eintzige Toch-
ter, so zu sagen, mit blossem Wasser und Brodt ge-
speiset, verschwand aber binnen 3. Tagen, da er
denn gantz freundlich kam, und sie zu einem neuen
Schach-Spiele mit ihm zu spielen nöthigte; von
den alten Geschichten und Begebenheiten gedachte
er gar nichts, endlich aber fragte er, wo denn die
Anna wäre? wie nun die Printzeßin antwortete:
daß dieselbe in einem Neben-Zimmer vielleicht schon
schlieffe, so fieng er abermahls an, seine Gemüths-
Regungen bey der favorablen Nacht-Zeit zu Tage
zu legen, und die Printzeßin dahin zu verleiten zu
suchen, seinen geilen Begierden Gehör zu geben,
um sogleich seinen Willen zu erfüllen; Allein, die
hertzhaffte Printzeßin stund auch diesen Kampff
mit himmlischer Hülffe ritterlich aus, biß er sie nach
noch vielen gebrauchten Schmeicheleyen endlich
mit gröstem Ungestüm beängstigte, und das, was
er in Güte nicht erhalten konte, nunmehro mit
stürmender Faust zu erobern trachtete. Der Prin-
tzeßin Hülffe-ruffen war vergebens, indem ich mich
scheuete, ihr, wegen der vor unserer Thür stehenden
Wache, zu Hülffe zu kommen; derowegen hörete
ich nur noch dieses, daß die Printzeßin sagte:
Wäre es doch kein Wunder, wenn sich der
Cörper meiner seeligen Mutter noch in der
Erden umwendete, und ein Donner-Wetter
erregte, welches einen so gottlosen Vater und
mich unschuldige Tochter sogleich im Augen-
blicke verderbete! die ich durchaus keine Hu-
re, viel weniger eine Blutschänderin werden,

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Des Fuͤrſten Zorn, da er ſeine eintzige Toch-
ter, ſo zu ſagen, mit bloſſem Waſſer und Brodt ge-
ſpeiſet, verſchwand aber binnen 3. Tagen, da er
denn gantz freundlich kam, und ſie zu einem neuen
Schach-Spiele mit ihm zu ſpielen noͤthigte; von
den alten Geſchichten und Begebenheiten gedachte
er gar nichts, endlich aber fragte er, wo denn die
Anna waͤre? wie nun die Printzeßin antwortete:
daß dieſelbe in einem Neben-Zimmer vielleicht ſchon
ſchlieffe, ſo fieng er abermahls an, ſeine Gemuͤths-
Regungen bey der favorablen Nacht-Zeit zu Tage
zu legen, und die Printzeßin dahin zu verleiten zu
ſuchen, ſeinen geilen Begierden Gehoͤr zu geben,
um ſogleich ſeinen Willen zu erfuͤllen; Allein, die
hertzhaffte Printzeßin ſtund auch dieſen Kampff
mit him̃liſcher Huͤlffe ritterlich aus, biß er ſie nach
noch vielen gebrauchten Schmeicheleyen endlich
mit groͤſtem Ungeſtuͤm beaͤngſtigte, und das, was
er in Guͤte nicht erhalten konte, nunmehro mit
ſtuͤrmender Fauſt zu erobern trachtete. Der Prin-
tzeßin Huͤlffe-ruffen war vergebens, indem ich mich
ſcheuete, ihr, wegen der vor unſerer Thuͤr ſtehenden
Wache, zu Huͤlffe zu kommen; derowegen hoͤrete
ich nur noch dieſes, daß die Printzeßin ſagte:
Waͤre es doch kein Wunder, wenn ſich der
Coͤrper meiner ſeeligen Mutter noch in der
Erden umwendete, und ein Donner-Wetter
erregte, welches einen ſo gottloſen Vater und
mich unſchuldige Tochter ſogleich im Augen-
blicke verderbete! die ich durchaus keine Hu-
re, viel weniger eine Blutſchaͤnderin werden,

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[467/0477] Des Fuͤrſten Zorn, da er ſeine eintzige Toch- ter, ſo zu ſagen, mit bloſſem Waſſer und Brodt ge- ſpeiſet, verſchwand aber binnen 3. Tagen, da er denn gantz freundlich kam, und ſie zu einem neuen Schach-Spiele mit ihm zu ſpielen noͤthigte; von den alten Geſchichten und Begebenheiten gedachte er gar nichts, endlich aber fragte er, wo denn die Anna waͤre? wie nun die Printzeßin antwortete: daß dieſelbe in einem Neben-Zimmer vielleicht ſchon ſchlieffe, ſo fieng er abermahls an, ſeine Gemuͤths- Regungen bey der favorablen Nacht-Zeit zu Tage zu legen, und die Printzeßin dahin zu verleiten zu ſuchen, ſeinen geilen Begierden Gehoͤr zu geben, um ſogleich ſeinen Willen zu erfuͤllen; Allein, die hertzhaffte Printzeßin ſtund auch dieſen Kampff mit him̃liſcher Huͤlffe ritterlich aus, biß er ſie nach noch vielen gebrauchten Schmeicheleyen endlich mit groͤſtem Ungeſtuͤm beaͤngſtigte, und das, was er in Guͤte nicht erhalten konte, nunmehro mit ſtuͤrmender Fauſt zu erobern trachtete. Der Prin- tzeßin Huͤlffe-ruffen war vergebens, indem ich mich ſcheuete, ihr, wegen der vor unſerer Thuͤr ſtehenden Wache, zu Huͤlffe zu kommen; derowegen hoͤrete ich nur noch dieſes, daß die Printzeßin ſagte: Waͤre es doch kein Wunder, wenn ſich der Coͤrper meiner ſeeligen Mutter noch in der Erden umwendete, und ein Donner-Wetter erregte, welches einen ſo gottloſen Vater und mich unſchuldige Tochter ſogleich im Augen- blicke verderbete! die ich durchaus keine Hu- re, viel weniger eine Blutſchaͤnderin werden, ſon- (g g) 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/477>, abgerufen am 22.11.2024.