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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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in unsern Zimmern mit davorgestellten Wachten
gefänglich verwahren, nachdem er zu der Printzeßin
diese Worte gesprochen: "Wo ich mich nicht irre,
&q;so wirst du gantz gewiß eine Christin seyn, und ich
&q;will darhinter kommen, wer dich darzu gemacht
&q;hat, denn das Christenthum hat deine Mutter um
&q;ihr annoch sehr junges Leben gebracht."

Anfänglich wurde mir angst und bange, je-
doch, da ich mich mit der Printzeßin in einem Zim-
mer befand, welches nur durch eine leichte Tape-
ten-Wand in etwas unterschieden war, wir auch
die kostbarsten Speisen und Geträncke, ingleichen
sonsten alles, was wir verlangten, im Uberflusse
bekamen, fassete ich mir auf einmahl einen Muth,
in Hofnung, wenn auch die gantze Sache heraus
käme, und bloß auf mich allein geschoben würde,
mir der Hals dennoch dieserwegen eben nicht ge-
brochen werden könte, es wäre denn, daß Gewalt
vor Recht gienge. Jedoch meine Sorgen und
Bangigkeiten waren deßfalls vergebens, denn der
Fürst gewöhnete sich bald an, daß er alle Abende
zur Printzeßin kam, und das Schach-Spiel mit
ihr spielete, als in welchem Spiele sie ungemein
fertig und glücklich war. Bey dieser Gelegenheit
aber hatte der Satan sein Spiel, und verleitete
den Fürsten dahin, daß er seiner leiblichen Toch-
ter Unzucht zumuthete, derselben auch unter den
grösten Schmeicheleyen und grossen Versprechun-
gen seine hefftige Liebe antrug, und um die Erfül-
lung seines Willens auf das allersehnlichste an-
hielt. Wie ich nun über diese Begebenheit recht
erstaunete, so fand mich doch bald auf das aller-

kräff-

in unſern Zimmern mit davorgeſtellten Wachten
gefaͤnglich verwahren, nachdem er zu der Printzeßin
dieſe Worte geſprochen: „Wo ich mich nicht irre,
&q;ſo wirſt du gantz gewiß eine Chriſtin ſeyn, und ich
&q;will darhinter kommen, wer dich darzu gemacht
&q;hat, denn das Chriſtenthum hat deine Mutter um
&q;ihr annoch ſehr junges Leben gebracht.‟

Anfaͤnglich wurde mir angſt und bange, je-
doch, da ich mich mit der Printzeßin in einem Zim-
mer befand, welches nur durch eine leichte Tape-
ten-Wand in etwas unterſchieden war, wir auch
die koſtbarſten Speiſen und Getraͤncke, ingleichen
ſonſten alles, was wir verlangten, im Uberfluſſe
bekamen, faſſete ich mir auf einmahl einen Muth,
in Hofnung, wenn auch die gantze Sache heraus
kaͤme, und bloß auf mich allein geſchoben wuͤrde,
mir der Hals dennoch dieſerwegen eben nicht ge-
brochen werden koͤnte, es waͤre denn, daß Gewalt
vor Recht gienge. Jedoch meine Sorgen und
Bangigkeiten waren deßfalls vergebens, denn der
Fuͤrſt gewoͤhnete ſich bald an, daß er alle Abende
zur Printzeßin kam, und das Schach-Spiel mit
ihr ſpielete, als in welchem Spiele ſie ungemein
fertig und gluͤcklich war. Bey dieſer Gelegenheit
aber hatte der Satan ſein Spiel, und verleitete
den Fuͤrſten dahin, daß er ſeiner leiblichen Toch-
ter Unzucht zumuthete, derſelben auch unter den
groͤſten Schmeicheleyen und groſſen Verſprechun-
gen ſeine hefftige Liebe antrug, und um die Erfuͤl-
lung ſeines Willens auf das allerſehnlichſte an-
hielt. Wie ich nun uͤber dieſe Begebenheit recht
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kraͤff-
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[461/0471] in unſern Zimmern mit davorgeſtellten Wachten gefaͤnglich verwahren, nachdem er zu der Printzeßin dieſe Worte geſprochen: „Wo ich mich nicht irre, &q;ſo wirſt du gantz gewiß eine Chriſtin ſeyn, und ich &q;will darhinter kommen, wer dich darzu gemacht &q;hat, denn das Chriſtenthum hat deine Mutter um &q;ihr annoch ſehr junges Leben gebracht.‟ Anfaͤnglich wurde mir angſt und bange, je- doch, da ich mich mit der Printzeßin in einem Zim- mer befand, welches nur durch eine leichte Tape- ten-Wand in etwas unterſchieden war, wir auch die koſtbarſten Speiſen und Getraͤncke, ingleichen ſonſten alles, was wir verlangten, im Uberfluſſe bekamen, faſſete ich mir auf einmahl einen Muth, in Hofnung, wenn auch die gantze Sache heraus kaͤme, und bloß auf mich allein geſchoben wuͤrde, mir der Hals dennoch dieſerwegen eben nicht ge- brochen werden koͤnte, es waͤre denn, daß Gewalt vor Recht gienge. Jedoch meine Sorgen und Bangigkeiten waren deßfalls vergebens, denn der Fuͤrſt gewoͤhnete ſich bald an, daß er alle Abende zur Printzeßin kam, und das Schach-Spiel mit ihr ſpielete, als in welchem Spiele ſie ungemein fertig und gluͤcklich war. Bey dieſer Gelegenheit aber hatte der Satan ſein Spiel, und verleitete den Fuͤrſten dahin, daß er ſeiner leiblichen Toch- ter Unzucht zumuthete, derſelben auch unter den groͤſten Schmeicheleyen und groſſen Verſprechun- gen ſeine hefftige Liebe antrug, und um die Erfuͤl- lung ſeines Willens auf das allerſehnlichſte an- hielt. Wie ich nun uͤber dieſe Begebenheit recht erſtaunete, ſo fand mich doch bald auf das aller- kraͤff-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/471>, abgerufen am 25.11.2024.