bange, als mir, weilen diese einem Deutschen zu lernen gar nicht schwer fällt.
Demnach waren wir alle beyde abermahls versorgt, denn mein Bruder sagte mir, so offt wir zusammen kamen, daß er die beste Zeit hätte, und bey jetzigen Jahren sich kein besseres Glück wün- schen möchte. Mit mir hatte es eben dergleichen Beschaffenheit, denn ich wurde von meiner Frau Pastorin nicht etwa als Magd, sondern als eine leibliche Schwester, ja fast so gut, als ihr eigen Kind gehalten. Das allerschönste und vortreff- lichste bey der gantzen Sache war dieses, daß mich der Priester täglich fast vom Morgen biß in die Nacht im Christenthum herum tummelte, und mich dergestalt vest darinnen setzte, daß ich einem jeden von unsern Protestantischen Glaubens-Articuln vollkommene Rede und Antwort zu geben mich noch jetzo im Stande befinde. O Himmel! hätte ich doch nur diese guten Tage und Zeiten in stiller Gemüths-Ruhe ertragen können! aber so ließ ich mich den Satan verblenden, der es dahin brach- te, daß ich mich mit einem Schiffs-Officier, wel- ches ein ungemein schöner Mensch war, auch etliche 1000. Fl. werth aufzuweisen hatte, ehrlich verlob- te, und darbey versprach, die Reise nach Ost-Jn- dien mit ihm anzutreten, welches alles er denn durch seine gantz auserordentlichen Schmeicheley- en, indem er ein gebohrner Franzose war, so weit brachte, jedoch, GOtt sey noch jetzo davor Danck gesagt, niemahls den Zweck in Erlangung seiner wollüstigen Absichten bey mir erreichen konte, son- dern ich speisete ihn jederzeit damit ab, daß ich mich
vorjetzo
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bange, als mir, weilen dieſe einem Deutſchen zu lernen gar nicht ſchwer faͤllt.
Demnach waren wir alle beyde abermahls verſorgt, denn mein Bruder ſagte mir, ſo offt wir zuſammen kamen, daß er die beſte Zeit haͤtte, und bey jetzigen Jahren ſich kein beſſeres Gluͤck wuͤn- ſchen moͤchte. Mit mir hatte es eben dergleichen Beſchaffenheit, denn ich wurde von meiner Frau Paſtorin nicht etwa als Magd, ſondern als eine leibliche Schweſter, ja faſt ſo gut, als ihr eigen Kind gehalten. Das allerſchoͤnſte und vortreff- lichſte bey der gantzen Sache war dieſes, daß mich der Prieſter taͤglich faſt vom Morgen biß in die Nacht im Chriſtenthum herum tummelte, und mich dergeſtalt veſt darinnen ſetzte, daß ich einem jeden von unſern Proteſtantiſchen Glaubens-Articuln vollkommene Rede und Antwort zu geben mich noch jetzo im Stande befinde. O Himmel! haͤtte ich doch nur dieſe guten Tage und Zeiten in ſtiller Gemuͤths-Ruhe ertragen koͤnnen! aber ſo ließ ich mich den Satan verblenden, der es dahin brach- te, daß ich mich mit einem Schiffs-Officier, wel- ches ein ungemein ſchoͤner Menſch war, auch etliche 1000. Fl. werth aufzuweiſen hatte, ehrlich verlob- te, und darbey verſprach, die Reiſe nach Oſt-Jn- dien mit ihm anzutreten, welches alles er denn durch ſeine gantz auſerordentlichen Schmeicheley- en, indem er ein gebohrner Franzoſe war, ſo weit brachte, jedoch, GOtt ſey noch jetzo davor Danck geſagt, niemahls den Zweck in Erlangung ſeiner wolluͤſtigen Abſichten bey mir erreichen konte, ſon- dern ich ſpeiſete ihn jederzeit damit ab, daß ich mich
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bange, als mir, weilen dieſe einem Deutſchen zu
lernen gar nicht ſchwer faͤllt.
Demnach waren wir alle beyde abermahls
verſorgt, denn mein Bruder ſagte mir, ſo offt wir
zuſammen kamen, daß er die beſte Zeit haͤtte, und
bey jetzigen Jahren ſich kein beſſeres Gluͤck wuͤn-
ſchen moͤchte. Mit mir hatte es eben dergleichen
Beſchaffenheit, denn ich wurde von meiner Frau
Paſtorin nicht etwa als Magd, ſondern als
eine leibliche Schweſter, ja faſt ſo gut, als ihr eigen
Kind gehalten. Das allerſchoͤnſte und vortreff-
lichſte bey der gantzen Sache war dieſes, daß mich
der Prieſter taͤglich faſt vom Morgen biß in die
Nacht im Chriſtenthum herum tummelte, und mich
dergeſtalt veſt darinnen ſetzte, daß ich einem jeden
von unſern Proteſtantiſchen Glaubens-Articuln
vollkommene Rede und Antwort zu geben mich
noch jetzo im Stande befinde. O Himmel! haͤtte
ich doch nur dieſe guten Tage und Zeiten in ſtiller
Gemuͤths-Ruhe ertragen koͤnnen! aber ſo ließ
ich mich den Satan verblenden, der es dahin brach-
te, daß ich mich mit einem Schiffs-Officier, wel-
ches ein ungemein ſchoͤner Menſch war, auch etliche
1000. Fl. werth aufzuweiſen hatte, ehrlich verlob-
te, und darbey verſprach, die Reiſe nach Oſt-Jn-
dien mit ihm anzutreten, welches alles er denn
durch ſeine gantz auſerordentlichen Schmeicheley-
en, indem er ein gebohrner Franzoſe war, ſo weit
brachte, jedoch, GOtt ſey noch jetzo davor Danck
geſagt, niemahls den Zweck in Erlangung ſeiner
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/435>, abgerufen am 22.11.2024.
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