betrogen habe, und nahmen uns beyde in Augen- schein, bezeugten auch ihr Vergnügen auf eine selt- same Art, nur aber dieses war so wohl meinem Bru- der, als mir zuwieder, ja es gereichte uns fast zum Eckel, daß sie uns so gar sehr öffters umhalseten und küsseten. "Sehet ihr nun, ihr lieben Kin- &q;der! (sagte die eine alte Hexe) daß wir euch &q;glücklich gemacht haben? aber dieses ist &q;noch nichts gegen das, was euch noch be- &q;schehret und zugedacht ist. Folget nur uns, &q;so kan es euch nicht fehlen, vor allen Din- &q;gen aber haltet die Mäuler zu, und plau- &q;dert nichts von demjenigen aus, was ihr &q;etwa gesehen und gehöret habt.
Wir hatten hier auf beyder Seits die besondere Gnade, daß uns die ältesten und vornehmsten Ta- tarn vor dieses mahl an ihre Taffel zogen, welche recht fürstlich angerichtet war; in folgenden Tagen aber wurde uns nur in unserer Stube der Tisch ge- deckt, und es speiseten allezeit 3. Tatarische Mannes, und eben so viele alte Weibs-Personen mit uns, je- doch die Speisen und Geträncke waren Mittags und Abends allezeit herrlich und kostbar, ja! wir durfften nur kühnlich fordern, was wir etwa sonsten besonderes verlangeten, so war alles in möglichster Geschwindigkeit herbey geschafft. Meinem Bruder, welcher ohngeachtet er noch ein einfältiger Knabe war, kamen die spitzfindigen Gedancken in den Kopff, daß er von einer alten Tatars-Frau begehr- te, ihm zum Zeitvertreibe einige geistliche Prote- stantische Bücher zu verschaffen, um sich darinnen in seinem Christenthume zu üben, worbey er ihr ver-
sprach,
IV.Theil. (d d)
betrogen habe, und nahmen uns beyde in Augen- ſchein, bezeugten auch ihr Vergnuͤgen auf eine ſelt- ſame Art, nur aber dieſes war ſo wohl meinem Bru- der, als mir zuwieder, ja es gereichte uns faſt zum Eckel, daß ſie uns ſo gar ſehr oͤffters umhalſeten und kuͤſſeten. „Sehet ihr nun, ihr lieben Kin- &q;der! (ſagte die eine alte Hexe) daß wir euch &q;gluͤcklich gemacht haben? aber dieſes iſt &q;noch nichts gegen das, was euch noch be- &q;ſchehret und zugedacht iſt. Folget nur uns, &q;ſo kan es euch nicht fehlen, vor allen Din- &q;gen aber haltet die Maͤuler zu, und plau- &q;dert nichts von demjenigen aus, was ihr &q;etwa geſehen und gehoͤret habt.
Wir hatten hier auf beyder Seits die beſondere Gnade, daß uns die aͤlteſten und vornehmſten Ta- tarn vor dieſes mahl an ihre Taffel zogen, welche recht fuͤrſtlich angerichtet war; in folgenden Tagen aber wurde uns nur in unſerer Stube der Tiſch ge- deckt, und es ſpeiſeten allezeit 3. Tatariſche Mannes, und eben ſo viele alte Weibs-Perſonen mit uns, je- doch die Speiſen und Getraͤncke waren Mittags und Abends allezeit herrlich und koſtbar, ja! wir durfften nur kuͤhnlich fordern, was wir etwa ſonſten beſonderes verlangeten, ſo war alles in moͤglichſter Geſchwindigkeit herbey geſchafft. Meinem Bruder, welcher ohngeachtet er noch ein einfaͤltiger Knabe war, kamen die ſpitzfindigen Gedancken in den Kopff, daß er von einer alten Tatars-Frau begehr- te, ihm zum Zeitvertreibe einige geiſtliche Prote- ſtantiſche Buͤcher zu verſchaffen, um ſich darinnen in ſeinem Chriſtenthume zu uͤben, worbey er ihr ver-
ſprach,
IV.Theil. (d d)
<TEI><text><body><divn="1"><floatingText><body><div><p><pbfacs="#f0427"n="417"/>
betrogen habe, und nahmen uns beyde in Augen-<lb/>ſchein, bezeugten auch ihr Vergnuͤgen auf eine ſelt-<lb/>ſame Art, nur aber dieſes war ſo wohl meinem Bru-<lb/>
der, als mir zuwieder, ja es gereichte uns faſt zum<lb/>
Eckel, daß ſie uns ſo gar ſehr oͤffters umhalſeten<lb/>
und kuͤſſeten. <hirendition="#fr">„Sehet ihr nun, ihr lieben Kin-<lb/>&q;der! (ſagte die eine alte Hexe) daß wir euch<lb/>&q;gluͤcklich gemacht haben? aber dieſes iſt<lb/>&q;noch nichts gegen das, was euch noch be-<lb/>&q;ſchehret und zugedacht iſt. Folget nur uns,<lb/>&q;ſo kan es euch nicht fehlen, vor allen Din-<lb/>&q;gen aber haltet die Maͤuler zu, und plau-<lb/>&q;dert nichts von demjenigen aus, was ihr<lb/>&q;etwa geſehen und gehoͤret habt.</hi></p><lb/><p>Wir hatten hier auf beyder Seits die beſondere<lb/>
Gnade, daß uns die aͤlteſten und vornehmſten Ta-<lb/>
tarn vor dieſes mahl an ihre Taffel zogen, welche<lb/>
recht fuͤrſtlich angerichtet war; in folgenden Tagen<lb/>
aber wurde uns nur in unſerer Stube der Tiſch ge-<lb/>
deckt, und es ſpeiſeten allezeit 3. Tatariſche Mannes,<lb/>
und eben ſo viele alte Weibs-Perſonen mit uns, je-<lb/>
doch die Speiſen und Getraͤncke waren Mittags<lb/>
und Abends allezeit herrlich und koſtbar, ja! wir<lb/>
durfften nur kuͤhnlich fordern, was wir etwa ſonſten<lb/>
beſonderes verlangeten, ſo war alles in moͤglichſter<lb/>
Geſchwindigkeit herbey geſchafft. Meinem Bruder,<lb/>
welcher ohngeachtet er noch ein einfaͤltiger Knabe<lb/>
war, kamen die ſpitzfindigen Gedancken in den<lb/>
Kopff, daß er von einer alten Tatars-Frau begehr-<lb/>
te, ihm zum Zeitvertreibe einige geiſtliche <hirendition="#aq">Prote-<lb/>ſtanti</hi>ſche Buͤcher zu verſchaffen, um ſich darinnen<lb/>
in ſeinem Chriſtenthume zu uͤben, worbey er ihr ver-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">IV.</hi></hi><hirendition="#fr">Theil.</hi> (d d)</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſprach,</fw><lb/></p></div></body></floatingText></div></body></text></TEI>
[417/0427]
betrogen habe, und nahmen uns beyde in Augen-
ſchein, bezeugten auch ihr Vergnuͤgen auf eine ſelt-
ſame Art, nur aber dieſes war ſo wohl meinem Bru-
der, als mir zuwieder, ja es gereichte uns faſt zum
Eckel, daß ſie uns ſo gar ſehr oͤffters umhalſeten
und kuͤſſeten. „Sehet ihr nun, ihr lieben Kin-
&q;der! (ſagte die eine alte Hexe) daß wir euch
&q;gluͤcklich gemacht haben? aber dieſes iſt
&q;noch nichts gegen das, was euch noch be-
&q;ſchehret und zugedacht iſt. Folget nur uns,
&q;ſo kan es euch nicht fehlen, vor allen Din-
&q;gen aber haltet die Maͤuler zu, und plau-
&q;dert nichts von demjenigen aus, was ihr
&q;etwa geſehen und gehoͤret habt.
Wir hatten hier auf beyder Seits die beſondere
Gnade, daß uns die aͤlteſten und vornehmſten Ta-
tarn vor dieſes mahl an ihre Taffel zogen, welche
recht fuͤrſtlich angerichtet war; in folgenden Tagen
aber wurde uns nur in unſerer Stube der Tiſch ge-
deckt, und es ſpeiſeten allezeit 3. Tatariſche Mannes,
und eben ſo viele alte Weibs-Perſonen mit uns, je-
doch die Speiſen und Getraͤncke waren Mittags
und Abends allezeit herrlich und koſtbar, ja! wir
durfften nur kuͤhnlich fordern, was wir etwa ſonſten
beſonderes verlangeten, ſo war alles in moͤglichſter
Geſchwindigkeit herbey geſchafft. Meinem Bruder,
welcher ohngeachtet er noch ein einfaͤltiger Knabe
war, kamen die ſpitzfindigen Gedancken in den
Kopff, daß er von einer alten Tatars-Frau begehr-
te, ihm zum Zeitvertreibe einige geiſtliche Prote-
ſtantiſche Buͤcher zu verſchaffen, um ſich darinnen
in ſeinem Chriſtenthume zu uͤben, worbey er ihr ver-
ſprach,
IV. Theil. (d d)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/427>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.