Lebens-Geschichte der Persiani- schen PrintzeßinMirzamanda ausCandahar
recht gründlich erzehlen soll, so werden mir meine al- lerwerthesten Zuhörer nicht übel deuten, daß ich mich genöthiget sehe, um dieselbe desto deutlicher vorzu- tragen, mit Erzehlung meiner eigenen Lebens-Ge- schichte den Anfang zu machen. Es halten demnach zwar meine allerwerthesten Freunde, wie ich ver- nehme, mich vor eine gebohrne Holländerin, weil mir die Holländische Sprache unter allen andern Sprachen am besten vom Munde gehet, denn mei- ne angebohrne Mutter-Sprache habe fast gantz und gar verlernet, ich will ihnen aber aufrichtig sagen: daß ich eine gebohrne Deutsche und aus dem Für- stenthume Halberstadt gebürtig bin, in welchem mei- ne Eltern zu damahligen Zeiten, als ich gebohren worden, (welches denn vor etwa 46. biß 48. Jah- ren geschehen seyn mag, denn ich weiß das Jahr und den Tag meiner Geburt so eigentlich nicht) ein ade- liches Ritter-Gut gepachtet gehabt, und sich, wie ich nachhero von andern vernommen, anfänglich einige Jahre hin bey dieser Pachterey sehr wohl befunden; Zu meiner Eltern Unglück aber streiff- ten zur selbigen Zeit eine gewisse Art Leute nicht nur in diesem, sondern auch vielen angrentzenden Län- dern herum, welche Ziegeuners, auch Tatars ge- nennet wurden, sich aber nächst dem Bettel-Sta- be, mit Wahrsagen, Zeichen-deuten und allerley lo- sen Händeln, hauptsächlich aber mit Rauben und Stehlen nähreten; da denn meine Eltern zu ver-
schiede-
Lebens-Geſchichte der Perſiani- ſchen PrintzeßinMirzamanda ausCandahar
recht gruͤndlich erzehlen ſoll, ſo werden mir meine al- lerwertheſten Zuhoͤrer nicht uͤbel deuten, daß ich mich genoͤthiget ſehe, um dieſelbe deſto deutlicher vorzu- tragen, mit Erzehlung meiner eigenen Lebens-Ge- ſchichte den Anfang zu machen. Es halten demnach zwar meine allerwertheſten Freunde, wie ich ver- nehme, mich vor eine gebohrne Hollaͤnderin, weil mir die Hollaͤndiſche Sprache unter allen andern Sprachen am beſten vom Munde gehet, denn mei- ne angebohrne Mutter-Sprache habe faſt gantz und gar verlernet, ich will ihnen aber aufrichtig ſagen: daß ich eine gebohrne Deutſche und aus dem Fuͤr- ſtenthume Halberſtadt gebuͤrtig bin, in welchem mei- ne Eltern zu damahligen Zeiten, als ich gebohren worden, (welches denn vor etwa 46. biß 48. Jah- ren geſchehen ſeyn mag, denn ich weiß das Jahr und den Tag meiner Geburt ſo eigentlich nicht) ein ade- liches Ritter-Gut gepachtet gehabt, und ſich, wie ich nachhero von andern vernommen, anfaͤnglich einige Jahre hin bey dieſer Pachterey ſehr wohl befunden; Zu meiner Eltern Ungluͤck aber ſtreiff- ten zur ſelbigen Zeit eine gewiſſe Art Leute nicht nur in dieſem, ſondern auch vielen angrentzenden Laͤn- dern herum, welche Ziegeuners, auch Tatars ge- nennet wurden, ſich aber naͤchſt dem Bettel-Sta- be, mit Wahrſagen, Zeichen-deuten und allerley lo- ſen Haͤndeln, hauptſaͤchlich aber mit Rauben und Stehlen naͤhreten; da denn meine Eltern zu ver-
ſchiede-
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Lebens-Geſchichte der Perſiani-
ſchen Printzeßin Mirzamanda
aus Candahar
recht gruͤndlich erzehlen ſoll, ſo werden mir meine al-
lerwertheſten Zuhoͤrer nicht uͤbel deuten, daß ich mich
genoͤthiget ſehe, um dieſelbe deſto deutlicher vorzu-
tragen, mit Erzehlung meiner eigenen Lebens-Ge-
ſchichte den Anfang zu machen. Es halten demnach
zwar meine allerwertheſten Freunde, wie ich ver-
nehme, mich vor eine gebohrne Hollaͤnderin, weil
mir die Hollaͤndiſche Sprache unter allen andern
Sprachen am beſten vom Munde gehet, denn mei-
ne angebohrne Mutter-Sprache habe faſt gantz und
gar verlernet, ich will ihnen aber aufrichtig ſagen:
daß ich eine gebohrne Deutſche und aus dem Fuͤr-
ſtenthume Halberſtadt gebuͤrtig bin, in welchem mei-
ne Eltern zu damahligen Zeiten, als ich gebohren
worden, (welches denn vor etwa 46. biß 48. Jah-
ren geſchehen ſeyn mag, denn ich weiß das Jahr und
den Tag meiner Geburt ſo eigentlich nicht) ein ade-
liches Ritter-Gut gepachtet gehabt, und ſich, wie
ich nachhero von andern vernommen, anfaͤnglich
einige Jahre hin bey dieſer Pachterey ſehr wohl
befunden; Zu meiner Eltern Ungluͤck aber ſtreiff-
ten zur ſelbigen Zeit eine gewiſſe Art Leute nicht nur
in dieſem, ſondern auch vielen angrentzenden Laͤn-
dern herum, welche Ziegeuners, auch Tatars ge-
nennet wurden, ſich aber naͤchſt dem Bettel-Sta-
be, mit Wahrſagen, Zeichen-deuten und allerley lo-
ſen Haͤndeln, hauptſaͤchlich aber mit Rauben und
Stehlen naͤhreten; da denn meine Eltern zu ver-
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/422>, abgerufen am 25.11.2024.
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