Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

hero aufs allerkostbarste von uns mit Speisen und
Geträncke bewirthet, auch wurden ihnen die vor-
nehmsten und zierlichsten Zimmer zu ihrer Bequem-
lichkeit eingeräumet, anbey die Erlaubniß gegeben,
alles auf unserer Jnsul in Augenschein zu nehmen,
als womit sie denn einige Tage zubrachten, und wie
sie selbsten sagten, sich fast nicht satt sehen könten,
weilen sie sich dergleichen Anstalten und Verfas-
sungen nimmermehr hätten träumen lassen, so wie
sie dieselben nemlich auf der von aussen so rauhe
scheinenden Felsen-Jnsul angetroffen hätten.

Es war gewiß so wohl auf unserer, als der
Portugiesen Seite ein merckwürdiges Exempel
zu nehmen, wie veränderlich die Hertzen und Ge-
müther der sterblichen Menschen sich in einen und
anderen Begebenheiten, sonderlich aber Glücks-
und Unglücks-Fällen aufzuführen oder zu verhal-
ten pflegen: Denn diejenigen, welche wir kurtze
Zeit vorhero vor unsere abgesagten Tod-Feinde
gehalten, ihnen auch dergestalt, wie man zu sagen
pflegt, Spinnenfeind gewesen, daß wir sie nur im-
mer alle Augenblicke anspeyen mögen; eben diese
wurden nunmehro von uns aufs allerliebreichste
und freundlichste tractiret, nicht anders, als ob
sie schon lange Zeit unsere guten Freunde gewesen,
sondern auch immerfort bey uns zu bleiben, sich
möchten gefallen lassen. Anderer Seits gab der
Don Juan sich in so weit bloß: Meine Herrn und
Freunde! ich schwöre zu GOtt, daß ich allhier in
diesem kleinem Stückgen des Erd-Kreyses ange-
troffen habe, was vielleicht in der gantzen Welt im
so kurtzen Begriff aller Annehmlichkeiten nicht zu

finden
IV. Theil. (u)

hero aufs allerkoſtbarſte von uns mit Speiſen und
Getraͤncke bewirthet, auch wurden ihnen die vor-
nehmſten und zierlichſten Zimmer zu ihrer Bequem-
lichkeit eingeraͤumet, anbey die Erlaubniß gegeben,
alles auf unſerer Jnſul in Augenſchein zu nehmen,
als womit ſie denn einige Tage zubrachten, und wie
ſie ſelbſten ſagten, ſich faſt nicht ſatt ſehen koͤnten,
weilen ſie ſich dergleichen Anſtalten und Verfaſ-
ſungen nimmermehr haͤtten traͤumen laſſen, ſo wie
ſie dieſelben nemlich auf der von auſſen ſo rauhe
ſcheinenden Felſen-Jnſul angetroffen haͤtten.

Es war gewiß ſo wohl auf unſerer, als der
Portugieſen Seite ein merckwuͤrdiges Exempel
zu nehmen, wie veraͤnderlich die Hertzen und Ge-
muͤther der ſterblichen Menſchen ſich in einen und
anderen Begebenheiten, ſonderlich aber Gluͤcks-
und Ungluͤcks-Faͤllen aufzufuͤhren oder zu verhal-
ten pflegen: Denn diejenigen, welche wir kurtze
Zeit vorhero vor unſere abgeſagten Tod-Feinde
gehalten, ihnen auch dergeſtalt, wie man zu ſagen
pflegt, Spinnenfeind geweſen, daß wir ſie nur im-
mer alle Augenblicke anſpeyen moͤgen; eben dieſe
wurden nunmehro von uns aufs allerliebreichſte
und freundlichſte tractiret, nicht anders, als ob
ſie ſchon lange Zeit unſere guten Freunde geweſen,
ſondern auch immerfort bey uns zu bleiben, ſich
moͤchten gefallen laſſen. Anderer Seits gab der
Don Juan ſich in ſo weit bloß: Meine Herrn und
Freunde! ich ſchwoͤre zu GOtt, daß ich allhier in
dieſem kleinem Stuͤckgen des Erd-Kreyſes ange-
troffen habe, was vielleicht in der gantzen Welt im
ſo kurtzen Begriff aller Annehmlichkeiten nicht zu

finden
IV. Theil. (u)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="305"/>
hero aufs allerko&#x017F;tbar&#x017F;te von uns mit Spei&#x017F;en und<lb/>
Getra&#x0364;ncke bewirthet, auch wurden ihnen die vor-<lb/>
nehm&#x017F;ten und zierlich&#x017F;ten Zimmer zu ihrer Bequem-<lb/>
lichkeit eingera&#x0364;umet, anbey die Erlaubniß gegeben,<lb/>
alles auf un&#x017F;erer Jn&#x017F;ul in Augen&#x017F;chein zu nehmen,<lb/>
als womit &#x017F;ie denn einige Tage zubrachten, und wie<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;agten, &#x017F;ich fa&#x017F;t nicht &#x017F;att &#x017F;ehen ko&#x0364;nten,<lb/>
weilen &#x017F;ie &#x017F;ich dergleichen An&#x017F;talten und Verfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ungen nimmermehr ha&#x0364;tten tra&#x0364;umen la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wie<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elben nemlich auf der von au&#x017F;&#x017F;en &#x017F;o rauhe<lb/>
&#x017F;cheinenden Fel&#x017F;en-Jn&#x017F;ul angetroffen ha&#x0364;tten.</p><lb/>
        <p>Es war gewiß &#x017F;o wohl auf un&#x017F;erer, als der<lb/>
Portugie&#x017F;en Seite ein merckwu&#x0364;rdiges <hi rendition="#aq">Exempel</hi><lb/>
zu nehmen, wie vera&#x0364;nderlich die Hertzen und Ge-<lb/>
mu&#x0364;ther der &#x017F;terblichen Men&#x017F;chen &#x017F;ich in einen und<lb/>
anderen Begebenheiten, &#x017F;onderlich aber Glu&#x0364;cks-<lb/>
und Unglu&#x0364;cks-Fa&#x0364;llen aufzufu&#x0364;hren oder zu verhal-<lb/>
ten pflegen: Denn diejenigen, welche wir kurtze<lb/>
Zeit vorhero vor un&#x017F;ere abge&#x017F;agten Tod-Feinde<lb/>
gehalten, ihnen auch derge&#x017F;talt, wie man zu &#x017F;agen<lb/>
pflegt, Spinnenfeind gewe&#x017F;en, daß wir &#x017F;ie nur im-<lb/>
mer alle Augenblicke an&#x017F;peyen mo&#x0364;gen; eben die&#x017F;e<lb/>
wurden nunmehro von uns aufs allerliebreich&#x017F;te<lb/>
und freundlich&#x017F;te <hi rendition="#aq">tractir</hi>et, nicht anders, als ob<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;chon lange Zeit un&#x017F;ere guten Freunde gewe&#x017F;en,<lb/>
&#x017F;ondern auch immerfort bey uns zu bleiben, &#x017F;ich<lb/>
mo&#x0364;chten gefallen la&#x017F;&#x017F;en. Anderer Seits gab der<lb/><hi rendition="#aq">Don Juan</hi> &#x017F;ich in &#x017F;o weit bloß: Meine Herrn und<lb/>
Freunde! ich &#x017F;chwo&#x0364;re zu GOtt, daß ich allhier in<lb/>
die&#x017F;em kleinem Stu&#x0364;ckgen des Erd-Krey&#x017F;es ange-<lb/>
troffen habe, was vielleicht in der gantzen Welt im<lb/>
&#x017F;o kurtzen Begriff aller Annehmlichkeiten nicht zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">IV.</hi></hi><hi rendition="#fr">Theil.</hi> (u)</fw><fw place="bottom" type="catch">finden</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[305/0315] hero aufs allerkoſtbarſte von uns mit Speiſen und Getraͤncke bewirthet, auch wurden ihnen die vor- nehmſten und zierlichſten Zimmer zu ihrer Bequem- lichkeit eingeraͤumet, anbey die Erlaubniß gegeben, alles auf unſerer Jnſul in Augenſchein zu nehmen, als womit ſie denn einige Tage zubrachten, und wie ſie ſelbſten ſagten, ſich faſt nicht ſatt ſehen koͤnten, weilen ſie ſich dergleichen Anſtalten und Verfaſ- ſungen nimmermehr haͤtten traͤumen laſſen, ſo wie ſie dieſelben nemlich auf der von auſſen ſo rauhe ſcheinenden Felſen-Jnſul angetroffen haͤtten. Es war gewiß ſo wohl auf unſerer, als der Portugieſen Seite ein merckwuͤrdiges Exempel zu nehmen, wie veraͤnderlich die Hertzen und Ge- muͤther der ſterblichen Menſchen ſich in einen und anderen Begebenheiten, ſonderlich aber Gluͤcks- und Ungluͤcks-Faͤllen aufzufuͤhren oder zu verhal- ten pflegen: Denn diejenigen, welche wir kurtze Zeit vorhero vor unſere abgeſagten Tod-Feinde gehalten, ihnen auch dergeſtalt, wie man zu ſagen pflegt, Spinnenfeind geweſen, daß wir ſie nur im- mer alle Augenblicke anſpeyen moͤgen; eben dieſe wurden nunmehro von uns aufs allerliebreichſte und freundlichſte tractiret, nicht anders, als ob ſie ſchon lange Zeit unſere guten Freunde geweſen, ſondern auch immerfort bey uns zu bleiben, ſich moͤchten gefallen laſſen. Anderer Seits gab der Don Juan ſich in ſo weit bloß: Meine Herrn und Freunde! ich ſchwoͤre zu GOtt, daß ich allhier in dieſem kleinem Stuͤckgen des Erd-Kreyſes ange- troffen habe, was vielleicht in der gantzen Welt im ſo kurtzen Begriff aller Annehmlichkeiten nicht zu finden IV. Theil. (u)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/315
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 305. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/315>, abgerufen am 22.11.2024.