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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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in gröster Verwirrung zu, da ich aber meine Mut-
ter gegen Morgen in ziemlichen gesundem Zustande
antraf, gab sich mein Hertz doch einiger Maassen
zufrieden, ja, ich bemerckte in demselben, daß es
gedoppelte Courage bekam. So bald ich recht zu
unterscheiden mir zugetrauete, was schwartz oder
weiß wäre, nahm ich zu allem Uberflusse noch 2.
Wachs-Lichter in meine Hände, gieng nochmahls
zum Zimmer gantz allein hinaus auf den Saal, allwo
ich denn ohnfern vor unseres Zimmers Thür den
vorhero schon erblickten schwartzen Reise-Couffre
erblickte. Weiln nun der helle Tag bereits angebro-
chen, auch die Sonne schon aufgegangen war, so
nahm ich mir (ich weiß selbst nicht, aus was Krafft)
die eigene Hertzhafftigkeit, den schwartzen Couffre
in unser Zimmer zu tragen, an welchen meine
liebe Mutter nicht die geringste Hand anlegen wol-
te, sondern auch geboth, daß man dieses Teuffels-
Ding solte stehen lassen, biß zum wenigsten der See-
gen darüber wäre gesprochen worden.

Jch schickte zu einem mir wohl bekannten religi-
eu
sen Geistlichen, und erzehlete ihm die gantze Ge-
schichte und Gesichte, so uns in voriger Nacht begeg-
net und erschienen war. Dieser nahm sich kein Ge-
wissen, nachdem er sein Christlich Bedencken darüber
gegeben, auch den Seegen über den Couffre zu
sprechen. Worauf wir denn sogleich nach einem
Schlösser schickten, und den Couffre eröffnen liessen,
worinnen sich 6000 Thaler theils an baarem Gelde,
theils Gold, theils Silber-Müntzen befanden,
nebst noch mehr als einmahl so viel an Wechsel-
Briefen und Actien Zetteln, wobey ein Memorial

lag,

in groͤſter Verwirrung zu, da ich aber meine Mut-
ter gegen Morgen in ziemlichen geſundem Zuſtande
antraf, gab ſich mein Hertz doch einiger Maaſſen
zufrieden, ja, ich bemerckte in demſelben, daß es
gedoppelte Courage bekam. So bald ich recht zu
unterſcheiden mir zugetrauete, was ſchwartz oder
weiß waͤre, nahm ich zu allem Uberfluſſe noch 2.
Wachs-Lichter in meine Haͤnde, gieng nochmahls
zum Zimmer gantz allein hinaus auf den Saal, allwo
ich denn ohnfern vor unſeres Zimmers Thuͤr den
vorhero ſchon erblickten ſchwartzen Reiſe-Couffre
erblickte. Weiln nun der helle Tag bereits angebro-
chen, auch die Sonne ſchon aufgegangen war, ſo
nahm ich mir (ich weiß ſelbſt nicht, aus was Krafft)
die eigene Hertzhafftigkeit, den ſchwartzen Couffre
in unſer Zimmer zu tragen, an welchen meine
liebe Mutter nicht die geringſte Hand anlegen wol-
te, ſondern auch geboth, daß man dieſes Teuffels-
Ding ſolte ſtehen laſſen, biß zum wenigſten der See-
gen daruͤber waͤre geſprochen worden.

Jch ſchickte zu einem mir wohl bekannten religi-
eu
ſen Geiſtlichen, und erzehlete ihm die gantze Ge-
ſchichte und Geſichte, ſo uns in voriger Nacht begeg-
net und erſchienen war. Dieſer nahm ſich kein Ge-
wiſſen, nachdem er ſein Chriſtlich Bedencken daruͤber
gegeben, auch den Seegen uͤber den Couffre zu
ſprechen. Worauf wir denn ſogleich nach einem
Schloͤſſer ſchickten, und den Couffre eroͤffnen lieſſen,
worinnen ſich 6000 Thaler theils an baarem Gelde,
theils Gold, theils Silber-Muͤntzen befanden,
nebſt noch mehr als einmahl ſo viel an Wechſel-
Briefen und Actien Zetteln, wobey ein Memorial

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[214/0224] in groͤſter Verwirrung zu, da ich aber meine Mut- ter gegen Morgen in ziemlichen geſundem Zuſtande antraf, gab ſich mein Hertz doch einiger Maaſſen zufrieden, ja, ich bemerckte in demſelben, daß es gedoppelte Courage bekam. So bald ich recht zu unterſcheiden mir zugetrauete, was ſchwartz oder weiß waͤre, nahm ich zu allem Uberfluſſe noch 2. Wachs-Lichter in meine Haͤnde, gieng nochmahls zum Zimmer gantz allein hinaus auf den Saal, allwo ich denn ohnfern vor unſeres Zimmers Thuͤr den vorhero ſchon erblickten ſchwartzen Reiſe-Couffre erblickte. Weiln nun der helle Tag bereits angebro- chen, auch die Sonne ſchon aufgegangen war, ſo nahm ich mir (ich weiß ſelbſt nicht, aus was Krafft) die eigene Hertzhafftigkeit, den ſchwartzen Couffre in unſer Zimmer zu tragen, an welchen meine liebe Mutter nicht die geringſte Hand anlegen wol- te, ſondern auch geboth, daß man dieſes Teuffels- Ding ſolte ſtehen laſſen, biß zum wenigſten der See- gen daruͤber waͤre geſprochen worden. Jch ſchickte zu einem mir wohl bekannten religi- euſen Geiſtlichen, und erzehlete ihm die gantze Ge- ſchichte und Geſichte, ſo uns in voriger Nacht begeg- net und erſchienen war. Dieſer nahm ſich kein Ge- wiſſen, nachdem er ſein Chriſtlich Bedencken daruͤber gegeben, auch den Seegen uͤber den Couffre zu ſprechen. Worauf wir denn ſogleich nach einem Schloͤſſer ſchickten, und den Couffre eroͤffnen lieſſen, worinnen ſich 6000 Thaler theils an baarem Gelde, theils Gold, theils Silber-Muͤntzen befanden, nebſt noch mehr als einmahl ſo viel an Wechſel- Briefen und Actien Zetteln, wobey ein Memorial lag,

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/224>, abgerufen am 24.11.2024.