blicken; Allein er kam, da wir eben damahls seiner am wenigsten gedachten, einstmahls in der Mitter- nachts-Stunde auf einer Post-Chaise gefahren, gab ein Zeichen mit pfeiffen von sich, und rief, daß man ihm aufmachen solte. Wie wir nun seine Stim- me wohl kannten, wurde ihm so gleich aufgemacht, da wir denn höreten, daß mehr als eine Person die Stie- gen herauf gestolpert kamen, weßwegen denn meine Mutter so gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei- nem grossen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thür des Zimmers zugieng, um selbige zu eröffnen, und zu se- hen, was auf dem Vor-Saale passirte. Jch, die ich gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte ihr auf dem Fusse nach, und erblickte meinen Vater in Lebens-Grösse, auch in seiner gewöhnlichen Klei- dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut- lich, daß er einen blossen Degen mitten in der Brust stecken hatte, dessen Gefässe vorne auf der Hertz-Gru- be fast Spannenlang heraus ragete, ingleichen be- merckte ich, daß das Blut sehr starck aus der Brust und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern ist es demnach, daß ich vor Schrecken nicht so gleich augen- blicklich zu Boden gesuncken bin, weiln mir noch auser dem die hinter ihm stehenden 2. langen, weis- sen Geister, oder Gespenster, die einen grossen schwar- tzen Reise-Couffre zwischen sich trugen, einen er- staunlichen Anblick verursachten. So wahr der Himmel über mir lebt und schwebt, ich kan nicht wis- sen, woher ich in selbiger Stunde alle Hertzhafftig- keit muß herbekommen haben, und glaube dieser- wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes recht übernatürlicher Weise muß gestärckt haben,
denn
blicken; Allein er kam, da wir eben damahls ſeiner am wenigſten gedachten, einſtmahls in der Mitter- nachts-Stunde auf einer Poſt-Chaiſe gefahren, gab ein Zeichen mit pfeiffen von ſich, und rief, daß man ihm aufmachen ſolte. Wie wir nun ſeine Stim- me wohl kañten, wurde ihm ſo gleich aufgemacht, da wir denn hoͤreten, daß mehr als eine Perſon die Stie- gen herauf geſtolpert kamen, weßwegen denn meine Mutter ſo gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei- nem groſſen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thuͤr des Zimmers zugieng, um ſelbige zu eroͤffnen, und zu ſe- hen, was auf dem Vor-Saale paſſirte. Jch, die ich gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte ihr auf dem Fuſſe nach, und erblickte meinen Vater in Lebens-Groͤſſe, auch in ſeiner gewoͤhnlichen Klei- dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut- lich, daß er einen bloſſen Degen mitten in der Bruſt ſtecken hatte, deſſen Gefaͤſſe vorne auf der Hertz-Gru- be faſt Spannenlang heraus ragete, ingleichen be- merckte ich, daß das Blut ſehr ſtarck aus der Bruſt und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern iſt es demnach, daß ich vor Schrecken nicht ſo gleich augen- blicklich zu Boden geſuncken bin, weiln mir noch auſer dem die hinter ihm ſtehenden 2. langen, weiſ- ſen Geiſter, oder Geſpenſter, die einen groſſen ſchwar- tzen Reiſe-Couffre zwiſchen ſich trugen, einen er- ſtaunlichen Anblick verurſachten. So wahr der Himmel uͤber mir lebt und ſchwebt, ich kan nicht wiſ- ſen, woher ich in ſelbiger Stunde alle Hertzhafftig- keit muß herbekommen haben, und glaube dieſer- wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes recht uͤbernatuͤrlicher Weiſe muß geſtaͤrckt haben,
denn
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0222"n="212"/>
blicken; Allein er kam, da wir eben damahls ſeiner<lb/>
am wenigſten gedachten, einſtmahls in der Mitter-<lb/>
nachts-Stunde auf einer Poſt-<hirendition="#aq">Chaiſe</hi> gefahren,<lb/>
gab ein Zeichen mit pfeiffen von ſich, und rief, daß<lb/>
man ihm aufmachen ſolte. Wie wir nun ſeine Stim-<lb/>
me wohl kañten, wurde ihm ſo gleich aufgemacht, da<lb/>
wir denn hoͤreten, daß mehr als eine Perſon die Stie-<lb/>
gen herauf geſtolpert kamen, weßwegen denn meine<lb/>
Mutter ſo gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei-<lb/>
nem groſſen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thuͤr des<lb/>
Zimmers zugieng, um ſelbige zu eroͤffnen, und zu ſe-<lb/>
hen, was auf dem Vor-Saale <hirendition="#aq">paſſirte.</hi> Jch, die ich<lb/>
gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte<lb/>
ihr auf dem Fuſſe nach, und erblickte meinen Vater<lb/>
in Lebens-Groͤſſe, auch in ſeiner gewoͤhnlichen Klei-<lb/>
dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut-<lb/>
lich, daß er einen bloſſen Degen mitten in der Bruſt<lb/>ſtecken hatte, deſſen Gefaͤſſe vorne auf der Hertz-Gru-<lb/>
be faſt Spannenlang heraus ragete, ingleichen be-<lb/>
merckte ich, daß das Blut ſehr ſtarck aus der Bruſt<lb/>
und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern iſt es<lb/>
demnach, daß ich vor Schrecken nicht ſo gleich augen-<lb/>
blicklich zu Boden geſuncken bin, weiln mir noch<lb/>
auſer dem die hinter ihm ſtehenden 2. langen, weiſ-<lb/>ſen Geiſter, oder Geſpenſter, die einen groſſen ſchwar-<lb/>
tzen Reiſe-<hirendition="#aq">Couffre</hi> zwiſchen ſich trugen, einen er-<lb/>ſtaunlichen Anblick verurſachten. So wahr der<lb/>
Himmel uͤber mir lebt und ſchwebt, ich kan nicht wiſ-<lb/>ſen, woher ich in ſelbiger Stunde alle Hertzhafftig-<lb/>
keit muß herbekommen haben, und glaube dieſer-<lb/>
wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes<lb/>
recht uͤbernatuͤrlicher Weiſe muß geſtaͤrckt haben,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">denn</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[212/0222]
blicken; Allein er kam, da wir eben damahls ſeiner
am wenigſten gedachten, einſtmahls in der Mitter-
nachts-Stunde auf einer Poſt-Chaiſe gefahren,
gab ein Zeichen mit pfeiffen von ſich, und rief, daß
man ihm aufmachen ſolte. Wie wir nun ſeine Stim-
me wohl kañten, wurde ihm ſo gleich aufgemacht, da
wir denn hoͤreten, daß mehr als eine Perſon die Stie-
gen herauf geſtolpert kamen, weßwegen denn meine
Mutter ſo gleich in jede Hand einen Leuchter mit ei-
nem groſſen Wachs-Lichte nahm, gegen die Thuͤr des
Zimmers zugieng, um ſelbige zu eroͤffnen, und zu ſe-
hen, was auf dem Vor-Saale paſſirte. Jch, die ich
gleichfalls ein Licht in jede Hand genommen, folgte
ihr auf dem Fuſſe nach, und erblickte meinen Vater
in Lebens-Groͤſſe, auch in ſeiner gewoͤhnlichen Klei-
dung, bemerckte aber anbey gantz klar und deut-
lich, daß er einen bloſſen Degen mitten in der Bruſt
ſtecken hatte, deſſen Gefaͤſſe vorne auf der Hertz-Gru-
be faſt Spannenlang heraus ragete, ingleichen be-
merckte ich, daß das Blut ſehr ſtarck aus der Bruſt
und am Leibe hinunter floß. Zu verwundern iſt es
demnach, daß ich vor Schrecken nicht ſo gleich augen-
blicklich zu Boden geſuncken bin, weiln mir noch
auſer dem die hinter ihm ſtehenden 2. langen, weiſ-
ſen Geiſter, oder Geſpenſter, die einen groſſen ſchwar-
tzen Reiſe-Couffre zwiſchen ſich trugen, einen er-
ſtaunlichen Anblick verurſachten. So wahr der
Himmel uͤber mir lebt und ſchwebt, ich kan nicht wiſ-
ſen, woher ich in ſelbiger Stunde alle Hertzhafftig-
keit muß herbekommen haben, und glaube dieſer-
wegen vollkommen, daß mich ein Engel GOttes
recht uͤbernatuͤrlicher Weiſe muß geſtaͤrckt haben,
denn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/222>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.