diese Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach der Zeit um so viel desto gewisser versichert wurden, wie sich mein Vater noch beständig in Londen auf- hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte, von daraus aber einmahl wie immer seine Frantzö- sin so wohl bey Tage, als bey Nacht besuchte. Dem- nach aber meine Mutter in sichere Erfahrung ge- bracht, wo eigentlich sein Logis wäre, warff sie sich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ sich durch einen getreuen Menschen dahin bringen. Sie ist so glücklich, meinen Vater zu Hause anzutreffen, weßwegen sie in sein Zimmer gehet, sich zu seinen Füssen wirfft, und um alles dessen, was heilig ist, bittet, mir ihr in unser Logis zurück zu kehren, auch fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und seinen Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene in Vergessenheit zu stellen etc. An statt aber, daß sich meines Vaters Hertz hätte sollen erweichen lassen, karbatscht er sie Gottes-jämmerlich in dem Zimmer herum, und läst sie durch seinen Bedienten die Trep- pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen, als ob er eine falsche Visite von einem Spitzbuben be- kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Kost- barkeiten beschnellen wollen.
Solchergestalt kam meine Mutter in erbärm- lichem Zustande zurück nach Hause, und wuste sich weder zu rathen noch zu helffen, indem sie sich das wichtigste Bedencken nahm, diese gantze Begeben- heit vor die Obrigkeit kommen zu lassen.
Noch ehe aber hätten wir uns des Himmels Einfall versehen, als bey so gestalten Sachen un- sern Vater in dieser Welt wieder mit Augen zu er-
blicken;
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dieſe Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach der Zeit um ſo viel deſto gewiſſer verſichert wurden, wie ſich mein Vater noch beſtaͤndig in Londen auf- hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte, von daraus aber einmahl wie immer ſeine Frantzoͤ- ſin ſo wohl bey Tage, als bey Nacht beſuchte. Dem- nach aber meine Mutter in ſichere Erfahrung ge- bracht, wo eigentlich ſein Logis waͤre, warff ſie ſich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ ſich durch einen getreuen Menſchen dahin bringen. Sie iſt ſo gluͤcklich, meinen Vater zu Hauſe anzutreffen, weßwegen ſie in ſein Zimmer gehet, ſich zu ſeinen Fuͤſſen wirfft, und um alles deſſen, was heilig iſt, bittet, mir ihr in unſer Logis zuruͤck zu kehren, auch fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und ſeinen Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene in Vergeſſenheit zu ſtellen ꝛc. An ſtatt aber, daß ſich meines Vaters Hertz haͤtte ſollen erweichen laſſen, karbatſcht er ſie Gottes-jaͤmmerlich in dem Zimmer herum, und laͤſt ſie durch ſeinen Bedienten die Trep- pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen, als ob er eine falſche Viſite von einem Spitzbuben be- kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Koſt- barkeiten beſchnellen wollen.
Solchergeſtalt kam meine Mutter in erbaͤrm- lichem Zuſtande zuruͤck nach Hauſe, und wuſte ſich weder zu rathen noch zu helffen, indem ſie ſich das wichtigſte Bedencken nahm, dieſe gantze Begeben- heit vor die Obrigkeit kommen zu laſſen.
Noch ehe aber haͤtten wir uns des Himmels Einfall verſehen, als bey ſo geſtalten Sachen un- ſern Vater in dieſer Welt wieder mit Augen zu er-
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dieſe Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach
der Zeit um ſo viel deſto gewiſſer verſichert wurden,
wie ſich mein Vater noch beſtaͤndig in Londen auf-
hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte,
von daraus aber einmahl wie immer ſeine Frantzoͤ-
ſin ſo wohl bey Tage, als bey Nacht beſuchte. Dem-
nach aber meine Mutter in ſichere Erfahrung ge-
bracht, wo eigentlich ſein Logis waͤre, warff ſie
ſich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ ſich
durch einen getreuen Menſchen dahin bringen. Sie
iſt ſo gluͤcklich, meinen Vater zu Hauſe anzutreffen,
weßwegen ſie in ſein Zimmer gehet, ſich zu ſeinen
Fuͤſſen wirfft, und um alles deſſen, was heilig iſt,
bittet, mir ihr in unſer Logis zuruͤck zu kehren, auch
fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und ſeinen
Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene
in Vergeſſenheit zu ſtellen ꝛc. An ſtatt aber, daß ſich
meines Vaters Hertz haͤtte ſollen erweichen laſſen,
karbatſcht er ſie Gottes-jaͤmmerlich in dem Zimmer
herum, und laͤſt ſie durch ſeinen Bedienten die Trep-
pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen,
als ob er eine falſche Viſite von einem Spitzbuben be-
kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Koſt-
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Solchergeſtalt kam meine Mutter in erbaͤrm-
lichem Zuſtande zuruͤck nach Hauſe, und wuſte ſich
weder zu rathen noch zu helffen, indem ſie ſich das
wichtigſte Bedencken nahm, dieſe gantze Begeben-
heit vor die Obrigkeit kommen zu laſſen.
Noch ehe aber haͤtten wir uns des Himmels
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/221>, abgerufen am 21.11.2024.
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