Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

diese Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach
der Zeit um so viel desto gewisser versichert wurden,
wie sich mein Vater noch beständig in Londen auf-
hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte,
von daraus aber einmahl wie immer seine Frantzö-
sin so wohl bey Tage, als bey Nacht besuchte. Dem-
nach aber meine Mutter in sichere Erfahrung ge-
bracht, wo eigentlich sein Logis wäre, warff sie
sich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ sich
durch einen getreuen Menschen dahin bringen. Sie
ist so glücklich, meinen Vater zu Hause anzutreffen,
weßwegen sie in sein Zimmer gehet, sich zu seinen
Füssen wirfft, und um alles dessen, was heilig ist,
bittet, mir ihr in unser Logis zurück zu kehren, auch
fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und seinen
Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene
in Vergessenheit zu stellen etc. An statt aber, daß sich
meines Vaters Hertz hätte sollen erweichen lassen,
karbatscht er sie Gottes-jämmerlich in dem Zimmer
herum, und läst sie durch seinen Bedienten die Trep-
pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen,
als ob er eine falsche Visite von einem Spitzbuben be-
kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Kost-
barkeiten beschnellen wollen.

Solchergestalt kam meine Mutter in erbärm-
lichem Zustande zurück nach Hause, und wuste sich
weder zu rathen noch zu helffen, indem sie sich das
wichtigste Bedencken nahm, diese gantze Begeben-
heit vor die Obrigkeit kommen zu lassen.

Noch ehe aber hätten wir uns des Himmels
Einfall versehen, als bey so gestalten Sachen un-
sern Vater in dieser Welt wieder mit Augen zu er-

blicken;
(o) 2

dieſe Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach
der Zeit um ſo viel deſto gewiſſer verſichert wurden,
wie ſich mein Vater noch beſtaͤndig in Londen auf-
hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte,
von daraus aber einmahl wie immer ſeine Frantzoͤ-
ſin ſo wohl bey Tage, als bey Nacht beſuchte. Dem-
nach aber meine Mutter in ſichere Erfahrung ge-
bracht, wo eigentlich ſein Logis waͤre, warff ſie
ſich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ ſich
durch einen getreuen Menſchen dahin bringen. Sie
iſt ſo gluͤcklich, meinen Vater zu Hauſe anzutreffen,
weßwegen ſie in ſein Zimmer gehet, ſich zu ſeinen
Fuͤſſen wirfft, und um alles deſſen, was heilig iſt,
bittet, mir ihr in unſer Logis zuruͤck zu kehren, auch
fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und ſeinen
Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene
in Vergeſſenheit zu ſtellen ꝛc. An ſtatt aber, daß ſich
meines Vaters Hertz haͤtte ſollen erweichen laſſen,
karbatſcht er ſie Gottes-jaͤmmerlich in dem Zimmer
herum, und laͤſt ſie durch ſeinen Bedienten die Trep-
pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen,
als ob er eine falſche Viſite von einem Spitzbuben be-
kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Koſt-
barkeiten beſchnellen wollen.

Solchergeſtalt kam meine Mutter in erbaͤrm-
lichem Zuſtande zuruͤck nach Hauſe, und wuſte ſich
weder zu rathen noch zu helffen, indem ſie ſich das
wichtigſte Bedencken nahm, dieſe gantze Begeben-
heit vor die Obrigkeit kommen zu laſſen.

Noch ehe aber haͤtten wir uns des Himmels
Einfall verſehen, als bey ſo geſtalten Sachen un-
ſern Vater in dieſer Welt wieder mit Augen zu er-

blicken;
(o) 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0221" n="211"/>
die&#x017F;e Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach<lb/>
der Zeit um &#x017F;o viel de&#x017F;to gewi&#x017F;&#x017F;er ver&#x017F;ichert wurden,<lb/>
wie &#x017F;ich mein Vater noch be&#x017F;ta&#x0364;ndig in Londen auf-<lb/>
hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte,<lb/>
von daraus aber einmahl wie immer &#x017F;eine Frantzo&#x0364;-<lb/>
&#x017F;in &#x017F;o wohl bey Tage, als bey Nacht be&#x017F;uchte. Dem-<lb/>
nach aber meine Mutter in &#x017F;ichere Erfahrung ge-<lb/>
bracht, wo eigentlich &#x017F;ein <hi rendition="#aq">Logis</hi> wa&#x0364;re, warff &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ &#x017F;ich<lb/>
durch einen getreuen Men&#x017F;chen dahin bringen. Sie<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;o glu&#x0364;cklich, meinen Vater zu Hau&#x017F;e anzutreffen,<lb/>
weßwegen &#x017F;ie in &#x017F;ein Zimmer gehet, &#x017F;ich zu &#x017F;einen<lb/>
Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wirfft, und um alles de&#x017F;&#x017F;en, was heilig i&#x017F;t,<lb/>
bittet, mir ihr in un&#x017F;er <hi rendition="#aq">Logis</hi> zuru&#x0364;ck zu kehren, auch<lb/>
fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und &#x017F;einen<lb/>
Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene<lb/>
in Verge&#x017F;&#x017F;enheit zu &#x017F;tellen &#xA75B;c. An &#x017F;tatt aber, daß &#x017F;ich<lb/>
meines Vaters Hertz ha&#x0364;tte &#x017F;ollen erweichen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
karbat&#x017F;cht er &#x017F;ie Gottes-ja&#x0364;mmerlich in dem Zimmer<lb/>
herum, und la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ie durch &#x017F;einen Bedienten die Trep-<lb/>
pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen,<lb/>
als ob er eine fal&#x017F;che <hi rendition="#aq">Vi&#x017F;ite</hi> von einem Spitzbuben be-<lb/>
kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Ko&#x017F;t-<lb/>
barkeiten be&#x017F;chnellen wollen.</p><lb/>
        <p>Solcherge&#x017F;talt kam meine Mutter in erba&#x0364;rm-<lb/>
lichem Zu&#x017F;tande zuru&#x0364;ck nach Hau&#x017F;e, und wu&#x017F;te &#x017F;ich<lb/>
weder zu rathen noch zu helffen, indem &#x017F;ie &#x017F;ich das<lb/>
wichtig&#x017F;te Bedencken nahm, die&#x017F;e gantze Begeben-<lb/>
heit vor die Obrigkeit kommen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Noch ehe aber ha&#x0364;tten wir uns des Himmels<lb/>
Einfall ver&#x017F;ehen, als bey &#x017F;o ge&#x017F;talten Sachen un-<lb/>
&#x017F;ern Vater in die&#x017F;er Welt wieder mit Augen zu er-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(o) 2</fw><fw place="bottom" type="catch">blicken;</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0221] dieſe Hoffnung fiel in den Brunnen, da wir nach der Zeit um ſo viel deſto gewiſſer verſichert wurden, wie ſich mein Vater noch beſtaͤndig in Londen auf- hielte, und zwar an einem gantz abgelegenen Orte, von daraus aber einmahl wie immer ſeine Frantzoͤ- ſin ſo wohl bey Tage, als bey Nacht beſuchte. Dem- nach aber meine Mutter in ſichere Erfahrung ge- bracht, wo eigentlich ſein Logis waͤre, warff ſie ſich eines Abends in Manns-Kleider, und ließ ſich durch einen getreuen Menſchen dahin bringen. Sie iſt ſo gluͤcklich, meinen Vater zu Hauſe anzutreffen, weßwegen ſie in ſein Zimmer gehet, ſich zu ſeinen Fuͤſſen wirfft, und um alles deſſen, was heilig iſt, bittet, mir ihr in unſer Logis zuruͤck zu kehren, auch fernerhin als ein getreuer Ehemann ihr und ſeinen Kindern beyzuwohnen, auch alles vorgegangene in Vergeſſenheit zu ſtellen ꝛc. An ſtatt aber, daß ſich meines Vaters Hertz haͤtte ſollen erweichen laſſen, karbatſcht er ſie Gottes-jaͤmmerlich in dem Zimmer herum, und laͤſt ſie durch ſeinen Bedienten die Trep- pe hinunter werffen, den Leuten aber weiß machen, als ob er eine falſche Viſite von einem Spitzbuben be- kommen, der ihn vielleicht um eine oder andere Koſt- barkeiten beſchnellen wollen. Solchergeſtalt kam meine Mutter in erbaͤrm- lichem Zuſtande zuruͤck nach Hauſe, und wuſte ſich weder zu rathen noch zu helffen, indem ſie ſich das wichtigſte Bedencken nahm, dieſe gantze Begeben- heit vor die Obrigkeit kommen zu laſſen. Noch ehe aber haͤtten wir uns des Himmels Einfall verſehen, als bey ſo geſtalten Sachen un- ſern Vater in dieſer Welt wieder mit Augen zu er- blicken; (o) 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/221
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/221>, abgerufen am 21.11.2024.