stürtzen, sodann habt ihr Freyheit, euch mit ihr zu vereheligen, weilen ich ohnedem mercke, daß ich euren Augen nicht mehr gefalle. Wie wehmüthig nun auch meine Mutter diese ihre Worte vorge- bracht hatte, so ließ sich mein Vater doch dadurch nicht erweichen, sondern sagte mit einem höhnischen Gelächter: Man merckte wohl, daß sie grosse Hitze hätte, und sehr starck phantasirte, derowegen solte man ihr nur noch etliche mahl nach einander eine Ader öffnen, so würde sich das Phantasiren viel- leicht bald verlieren. Gehet mir (gab meine Mut- ter hierauf zur Antwort) vor meinen Augen weg, denn dieses ist eine Cur, die ihr ohnfehlbar von eurer Französischen Canaille werdet gelernet ha- ben etc. Mit solchen und dergleichen Reden, die mir und allen, so zugegen waren, selbst zu Hertzen giengen, kränckten sich meine lieben Eltern von einer Zeit zur andern, jedoch es geschahe bald, daß wir unsern Vater nicht so offt wieder zusehen beka- men, weßwegen wir anfänglich nicht wusten, ob er lebendig, oder todt wäre. Jedoch, nachdem er sich in gantzer 16. Wochen nicht blicken lassen, er- hielten wir eine, wiewohl unsichere und ungegrün- dete Nachricht, daß er mit nach West-Jndien ge- seegelt wäre, worüber meine Mutter gantz froh wurde, nur darum, daß er auf solche Art von der Canaille loßgekommen wäre, denn an Geld und Gütern fehlete es uns zur selbigen Zeit gantz und gar im geringsten nicht, anbey hatte sie die Hoff- nung, daß, wenn er glücklich und gesund wieder zurück käme, er wenigstens etliche 1000. Thaler an Gold und Silber mit sich bringen würde; Allein
diese
ſtuͤrtzen, ſodann habt ihr Freyheit, euch mit ihr zu vereheligen, weilen ich ohnedem mercke, daß ich euren Augen nicht mehr gefalle. Wie wehmuͤthig nun auch meine Mutter dieſe ihre Worte vorge- bracht hatte, ſo ließ ſich mein Vater doch dadurch nicht erweichen, ſondern ſagte mit einem hoͤhniſchen Gelaͤchter: Man merckte wohl, daß ſie groſſe Hitze haͤtte, und ſehr ſtarck phantaſirte, derowegen ſolte man ihr nur noch etliche mahl nach einander eine Ader oͤffnen, ſo wuͤrde ſich das Phantaſiren viel- leicht bald verlieren. Gehet mir (gab meine Mut- ter hierauf zur Antwort) vor meinen Augen weg, denn dieſes iſt eine Cur, die ihr ohnfehlbar von eurer Franzoͤſiſchen Canaille werdet gelernet ha- ben ꝛc. Mit ſolchen und dergleichen Reden, die mir und allen, ſo zugegen waren, ſelbſt zu Hertzen giengen, kraͤnckten ſich meine lieben Eltern von einer Zeit zur andern, jedoch es geſchahe bald, daß wir unſern Vater nicht ſo offt wieder zuſehen beka- men, weßwegen wir anfaͤnglich nicht wuſten, ob er lebendig, oder todt waͤre. Jedoch, nachdem er ſich in gantzer 16. Wochen nicht blicken laſſen, er- hielten wir eine, wiewohl unſichere und ungegruͤn- dete Nachricht, daß er mit nach Weſt-Jndien ge- ſeegelt waͤre, woruͤber meine Mutter gantz froh wurde, nur darum, daß er auf ſolche Art von der Canaille loßgekommen waͤre, denn an Geld und Guͤtern fehlete es uns zur ſelbigen Zeit gantz und gar im geringſten nicht, anbey hatte ſie die Hoff- nung, daß, wenn er gluͤcklich und geſund wieder zuruͤck kaͤme, er wenigſtens etliche 1000. Thaler an Gold und Silber mit ſich bringen wuͤrde; Allein
dieſe
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ſtuͤrtzen, ſodann habt ihr Freyheit, euch mit ihr zu
vereheligen, weilen ich ohnedem mercke, daß ich
euren Augen nicht mehr gefalle. Wie wehmuͤthig
nun auch meine Mutter dieſe ihre Worte vorge-
bracht hatte, ſo ließ ſich mein Vater doch dadurch
nicht erweichen, ſondern ſagte mit einem hoͤhniſchen
Gelaͤchter: Man merckte wohl, daß ſie groſſe Hitze
haͤtte, und ſehr ſtarck phantaſirte, derowegen ſolte
man ihr nur noch etliche mahl nach einander eine
Ader oͤffnen, ſo wuͤrde ſich das Phantaſiren viel-
leicht bald verlieren. Gehet mir (gab meine Mut-
ter hierauf zur Antwort) vor meinen Augen weg,
denn dieſes iſt eine Cur, die ihr ohnfehlbar von
eurer Franzoͤſiſchen Canaille werdet gelernet ha-
ben ꝛc. Mit ſolchen und dergleichen Reden, die
mir und allen, ſo zugegen waren, ſelbſt zu Hertzen
giengen, kraͤnckten ſich meine lieben Eltern von einer
Zeit zur andern, jedoch es geſchahe bald, daß wir
unſern Vater nicht ſo offt wieder zuſehen beka-
men, weßwegen wir anfaͤnglich nicht wuſten, ob
er lebendig, oder todt waͤre. Jedoch, nachdem er
ſich in gantzer 16. Wochen nicht blicken laſſen, er-
hielten wir eine, wiewohl unſichere und ungegruͤn-
dete Nachricht, daß er mit nach Weſt-Jndien ge-
ſeegelt waͤre, woruͤber meine Mutter gantz froh
wurde, nur darum, daß er auf ſolche Art von der
Canaille loßgekommen waͤre, denn an Geld und
Guͤtern fehlete es uns zur ſelbigen Zeit gantz und
gar im geringſten nicht, anbey hatte ſie die Hoff-
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zuruͤck kaͤme, er wenigſtens etliche 1000. Thaler
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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