es nur immer wolte, noch immer so mit gelassenen Augen anfahen, und nicht eine eintzige scheele Mi- ne darzu machten. Hergegen machten mein Bru- der und ich ein ander immer desto scheelere Minen, welches den andern Anwesenden zwar bedencklich vorkam, jedoch es muste unter dem Vorwande durchgehen, daß wir eine und andere Streit-und Zwistigkeiten gehabt, und dieselben noch nicht völ- lig beygelegt hätten.
Allein es war die gantze Sache in Wahrheit kein Schertz oder Spaß zwischen uns Brüdern, denn eines Abends, als sich mein Bruder, mei- nen Gedancken nach, etwas allzu frey gegen seine Amasiam beym Tantze aufgeführet hatte, bemerck te ich, daß ein paar Jnsulanis. Officiers von nicht geringem Stande und Würden, sich über ihn höhnisch aufhielten, weßwegen ich meinen Bruder bey Seite zohe, ihm seine verliebte Thorheit vor- rückte, und freundlich ermahnete, sich klüger und gescheuter aufzuführen, damit ich und alle die Un- srigen nicht etwa mit der Zeit Ursache hätten, ihm unsere Verunglückung eintzig und allein zu zu- schreiben.
Meines Bruders Antwort war diese: Bru- der! ihr redet vor dieses mahl, wie ein Kind, da ihr doch euch dessen schämen soltet, weilen ihr viel älter seyd, als ich, allein thut mir den Gefallen, und kommet früh Morgens um die Zeit des Aufgangs der Sonnen zu mir hinunter in eine, euch selber beliebige Sommer-Läube des grösten Lust-Gar- tens, vielleicht bringt ihr in der freyen Lufft ver- nünfftigere Dinge vor, als voritzo.
Wir
es nur immer wolte, noch immer ſo mit gelaſſenen Augen anfahen, und nicht eine eintzige ſcheele Mi- ne darzu machten. Hergegen machten mein Bru- der und ich ein ander immer deſto ſcheelere Minen, welches den andern Anweſenden zwar bedencklich vorkam, jedoch es muſte unter dem Vorwande durchgehen, daß wir eine und andere Streit-und Zwiſtigkeiten gehabt, und dieſelben noch nicht voͤl- lig beygelegt haͤtten.
Allein es war die gantze Sache in Wahrheit kein Schertz oder Spaß zwiſchen uns Bruͤdern, denn eines Abends, als ſich mein Bruder, mei- nen Gedancken nach, etwas allzu frey gegen ſeine Amaſiam beym Tantze aufgefuͤhret hatte, bemerck te ich, daß ein paar Jnſulaniſ. Officiers von nicht geringem Stande und Wuͤrden, ſich uͤber ihn hoͤhniſch aufhielten, weßwegen ich meinen Bruder bey Seite zohe, ihm ſeine verliebte Thorheit vor- ruͤckte, und freundlich ermahnete, ſich kluͤger und geſcheuter aufzufuͤhren, damit ich und alle die Un- ſrigen nicht etwa mit der Zeit Urſache haͤtten, ihm unſere Verungluͤckung eintzig und allein zu zu- ſchreiben.
Meines Bruders Antwort war dieſe: Bru- der! ihr redet vor dieſes mahl, wie ein Kind, da ihr doch euch deſſen ſchaͤmen ſoltet, weilen ihr viel aͤlter ſeyd, als ich, allein thut mir den Gefallen, und kommet fruͤh Morgens um die Zeit des Aufgangs der Sonnen zu mir hinunter in eine, euch ſelber beliebige Sommer-Laͤube des groͤſten Luſt-Gar- tens, vielleicht bringt ihr in der freyen Lufft ver- nuͤnfftigere Dinge vor, als voritzo.
Wir
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0174"n="164"/>
es nur immer wolte, noch immer ſo mit gelaſſenen<lb/>
Augen anfahen, und nicht eine eintzige ſcheele Mi-<lb/>
ne darzu machten. Hergegen machten mein Bru-<lb/>
der und ich ein ander immer deſto ſcheelere Minen,<lb/>
welches den andern Anweſenden zwar bedencklich<lb/>
vorkam, jedoch es muſte unter dem Vorwande<lb/>
durchgehen, daß wir eine und andere Streit-und<lb/>
Zwiſtigkeiten gehabt, und dieſelben noch nicht voͤl-<lb/>
lig beygelegt haͤtten.</p><lb/><p>Allein es war die gantze Sache in Wahrheit<lb/>
kein Schertz oder Spaß zwiſchen uns Bruͤdern,<lb/>
denn eines Abends, als ſich mein Bruder, mei-<lb/>
nen Gedancken nach, etwas allzu frey gegen ſeine<lb/><hirendition="#aq">Amaſiam</hi> beym Tantze aufgefuͤhret hatte, bemerck<lb/>
te ich, daß ein paar Jnſulaniſ. <hirendition="#aq">Officiers</hi> von nicht<lb/>
geringem Stande und Wuͤrden, ſich uͤber ihn<lb/>
hoͤhniſch aufhielten, weßwegen ich meinen Bruder<lb/>
bey Seite zohe, ihm ſeine verliebte Thorheit vor-<lb/>
ruͤckte, und freundlich ermahnete, ſich kluͤger und<lb/>
geſcheuter aufzufuͤhren, damit ich und alle die Un-<lb/>ſrigen nicht etwa mit der Zeit Urſache haͤtten, ihm<lb/>
unſere Verungluͤckung eintzig und allein zu zu-<lb/>ſchreiben.</p><lb/><p>Meines Bruders Antwort war dieſe: Bru-<lb/>
der! ihr redet vor dieſes mahl, wie ein Kind, da<lb/>
ihr doch euch deſſen ſchaͤmen ſoltet, weilen ihr viel<lb/>
aͤlter ſeyd, als ich, allein thut mir den Gefallen, und<lb/>
kommet fruͤh Morgens um die Zeit des Aufgangs<lb/>
der Sonnen zu mir hinunter in eine, euch ſelber<lb/>
beliebige Sommer-Laͤube des groͤſten Luſt-Gar-<lb/>
tens, vielleicht bringt ihr in der freyen Lufft ver-<lb/>
nuͤnfftigere Dinge vor, als voritzo.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wir</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[164/0174]
es nur immer wolte, noch immer ſo mit gelaſſenen
Augen anfahen, und nicht eine eintzige ſcheele Mi-
ne darzu machten. Hergegen machten mein Bru-
der und ich ein ander immer deſto ſcheelere Minen,
welches den andern Anweſenden zwar bedencklich
vorkam, jedoch es muſte unter dem Vorwande
durchgehen, daß wir eine und andere Streit-und
Zwiſtigkeiten gehabt, und dieſelben noch nicht voͤl-
lig beygelegt haͤtten.
Allein es war die gantze Sache in Wahrheit
kein Schertz oder Spaß zwiſchen uns Bruͤdern,
denn eines Abends, als ſich mein Bruder, mei-
nen Gedancken nach, etwas allzu frey gegen ſeine
Amaſiam beym Tantze aufgefuͤhret hatte, bemerck
te ich, daß ein paar Jnſulaniſ. Officiers von nicht
geringem Stande und Wuͤrden, ſich uͤber ihn
hoͤhniſch aufhielten, weßwegen ich meinen Bruder
bey Seite zohe, ihm ſeine verliebte Thorheit vor-
ruͤckte, und freundlich ermahnete, ſich kluͤger und
geſcheuter aufzufuͤhren, damit ich und alle die Un-
ſrigen nicht etwa mit der Zeit Urſache haͤtten, ihm
unſere Verungluͤckung eintzig und allein zu zu-
ſchreiben.
Meines Bruders Antwort war dieſe: Bru-
der! ihr redet vor dieſes mahl, wie ein Kind, da
ihr doch euch deſſen ſchaͤmen ſoltet, weilen ihr viel
aͤlter ſeyd, als ich, allein thut mir den Gefallen, und
kommet fruͤh Morgens um die Zeit des Aufgangs
der Sonnen zu mir hinunter in eine, euch ſelber
beliebige Sommer-Laͤube des groͤſten Luſt-Gar-
tens, vielleicht bringt ihr in der freyen Lufft ver-
nuͤnfftigere Dinge vor, als voritzo.
Wir
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/174>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.