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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Mein Bruder war seit dem, daß wir auf den
kleinen Jnsuln herum geschwärmet oder geschmau-
set hatten, gantz dreuste mit seiner Amasia wor-
den, da doch solches bey damahligen Umständen,
um so viel mehr hätte unterdruckt werden sollen,
wenn man anders die Klugheit beobachten wollen.

Wie nun dieses Frauen zimmer ihn vor allen
andern Manns-Personen distinguirte, so fiel ihre
Liebes-Kranckheit allen Leuten auf einmahl in die
Augen, ja, mein Bruder und diese seine Erwählte
trieben es so toll mit Hertzen, Küssen und an-
dern Liebkosungen, daß es auch so gar den Eltern
gefährlich vorzukommen schiene, ihnen beyden fer-
nerhin zu trauen. Meinen Credit hatten sie alle
beyde gleich bey Anfang ihres Commercii, so
bald ich nemlich dessen innen wurde, vollkommen
verlohren. Jch stellete meinem Bruder zuweilen,
wenn wir uns in der Einsamkeit ohne andere Ge-
sellschafft befunden, Himmel und Hölle vor, um
ihn von der mir und ihm höchst fatalen Liebe ab-
zugewöhnen, allein, ich predigte tauben Ohren,
denn er antwortete mir zum öfftern kaum darauf,
und wenn er ja allenfalls zum Stande zu bringen
war, mit hochtrabenden und thörichten, zum öfftern
auch lächerlichen Redens-Arten und Minen, wel-
che mich zu vielen mahlen nicht wenig verdrossen;
allein ich hielt ihm, als einem verliebten Haasen,
oder wohl gar etwas mehr, sehr viel zu gute, bewun-
derte aber anbey nichts, als dieses, daß der Gou-
verneur
so wohl, als seine Gemahlin, das Her-
tzen, Lecken und Küssen dieser zweyen Verliebten,
es mochte auch bey was vor Gelegenheit seyn, als

es
(l) 2

Mein Bruder war ſeit dem, daß wir auf den
kleinen Jnſuln herum geſchwaͤrmet oder geſchmau-
ſet hatten, gantz dreuſte mit ſeiner Amaſia wor-
den, da doch ſolches bey damahligen Umſtaͤnden,
um ſo viel mehr haͤtte unterdruckt werden ſollen,
wenn man anders die Klugheit beobachten wollen.

Wie nun dieſes Frauen zimmer ihn vor allen
andern Manns-Perſonen diſtinguirte, ſo fiel ihre
Liebes-Kranckheit allen Leuten auf einmahl in die
Augen, ja, mein Bruder und dieſe ſeine Erwaͤhlte
trieben es ſo toll mit Hertzen, Kuͤſſen und an-
dern Liebkoſungen, daß es auch ſo gar den Eltern
gefaͤhrlich vorzukommen ſchiene, ihnen beyden fer-
nerhin zu trauen. Meinen Credit hatten ſie alle
beyde gleich bey Anfang ihres Commercii, ſo
bald ich nemlich deſſen innen wurde, vollkommen
verlohren. Jch ſtellete meinem Bruder zuweilen,
wenn wir uns in der Einſamkeit ohne andere Ge-
ſellſchafft befunden, Himmel und Hoͤlle vor, um
ihn von der mir und ihm hoͤchſt fatalen Liebe ab-
zugewoͤhnen, allein, ich predigte tauben Ohren,
denn er antwortete mir zum oͤfftern kaum darauf,
und wenn er ja allenfalls zum Stande zu bringen
war, mit hochtrabenden und thoͤrichten, zum oͤfftern
auch laͤcherlichen Redens-Arten und Minen, wel-
che mich zu vielen mahlen nicht wenig verdroſſen;
allein ich hielt ihm, als einem verliebten Haaſen,
oder wohl gar etwas mehr, ſehr viel zu gute, bewun-
derte aber anbey nichts, als dieſes, daß der Gou-
verneur
ſo wohl, als ſeine Gemahlin, das Her-
tzen, Lecken und Kuͤſſen dieſer zweyen Verliebten,
es mochte auch bey was vor Gelegenheit ſeyn, als

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[163/0173] Mein Bruder war ſeit dem, daß wir auf den kleinen Jnſuln herum geſchwaͤrmet oder geſchmau- ſet hatten, gantz dreuſte mit ſeiner Amaſia wor- den, da doch ſolches bey damahligen Umſtaͤnden, um ſo viel mehr haͤtte unterdruckt werden ſollen, wenn man anders die Klugheit beobachten wollen. Wie nun dieſes Frauen zimmer ihn vor allen andern Manns-Perſonen diſtinguirte, ſo fiel ihre Liebes-Kranckheit allen Leuten auf einmahl in die Augen, ja, mein Bruder und dieſe ſeine Erwaͤhlte trieben es ſo toll mit Hertzen, Kuͤſſen und an- dern Liebkoſungen, daß es auch ſo gar den Eltern gefaͤhrlich vorzukommen ſchiene, ihnen beyden fer- nerhin zu trauen. Meinen Credit hatten ſie alle beyde gleich bey Anfang ihres Commercii, ſo bald ich nemlich deſſen innen wurde, vollkommen verlohren. Jch ſtellete meinem Bruder zuweilen, wenn wir uns in der Einſamkeit ohne andere Ge- ſellſchafft befunden, Himmel und Hoͤlle vor, um ihn von der mir und ihm hoͤchſt fatalen Liebe ab- zugewoͤhnen, allein, ich predigte tauben Ohren, denn er antwortete mir zum oͤfftern kaum darauf, und wenn er ja allenfalls zum Stande zu bringen war, mit hochtrabenden und thoͤrichten, zum oͤfftern auch laͤcherlichen Redens-Arten und Minen, wel- che mich zu vielen mahlen nicht wenig verdroſſen; allein ich hielt ihm, als einem verliebten Haaſen, oder wohl gar etwas mehr, ſehr viel zu gute, bewun- derte aber anbey nichts, als dieſes, daß der Gou- verneur ſo wohl, als ſeine Gemahlin, das Her- tzen, Lecken und Kuͤſſen dieſer zweyen Verliebten, es mochte auch bey was vor Gelegenheit ſeyn, als es (l) 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/173>, abgerufen am 24.11.2024.