Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

denn einen unvergnügten Tag gehabt, als nun-
mehro diese Stunde, da wir Abschied von einander
nehmen müssen. Wolte GOtt! wir hätten Zeit-
Lebens beysammen bleiben können, da aber dieses ei-
ne unmögliche Sache, so kränckt mir und den Mei-
nigen in der Seele nichts mehr, als daß ihr so ei-
gensinnig oder hochmüthig seyn wollet, die gerin-
gen Gegen-Geschencke gegen die eurigen, welche
weit reichlicher gewesen, als die unserigen, von
uns nicht anzunehmen. Wie nun die Portugiesen
erweißlich machten, daß Dero Geschencke allzu kost-
bar, und zwar von beyden Seiten, gegen das we-
nige, was sie von uns empfangen hätten, ohne die
allzu vielen Gefälligkeiten und Gnaden-Bezeugun-
gen zu rechnen, die wir von Tage zu Tage von Jh-
nen genossen; so fieng der Gouverneur endlich al-
so zu reden an: Meine lieben Brüder! Gold und
Silber habe ich im Uberflusse, so wohl als die Mei-
nigen, die wenig Wäsch- und Kleidungs-Stücke
herbey gebracht haben. Wir hitten demnach alle
aus einem Munde, uns nicht zu verschmähen, son-
dern dieses wenige zum geneigten Andencken, nicht
aber als ein Geschenck anzunehmen, wiedrigenfalls
will in eurer aller Gegenwart einen theuren Schwur
thun, daß alle diese Sachen noch vor eurer Abfahrt
in die See geworffen werden sollen, und zwar, wo
dieselbe am tieffsten ist.

Der Streit währete noch eine ziemliche Zeit-
lang, endlich aber, nachdem der Gouverneur,
seine Gemahlin, Töchter und Söhne die Portu-
giesen nochmahls alle zärtlich umarmet und geküs-
set, gaben sich diese überwunden, und gewiß, das

Ab-

denn einen unvergnuͤgten Tag gehabt, als nun-
mehro dieſe Stunde, da wir Abſchied von einander
nehmen muͤſſen. Wolte GOtt! wir haͤtten Zeit-
Lebens beyſammen bleiben koͤnnen, da aber dieſes ei-
ne unmoͤgliche Sache, ſo kraͤnckt mir und den Mei-
nigen in der Seele nichts mehr, als daß ihr ſo ei-
genſinnig oder hochmuͤthig ſeyn wollet, die gerin-
gen Gegen-Geſchencke gegen die eurigen, welche
weit reichlicher geweſen, als die unſerigen, von
uns nicht anzunehmen. Wie nun die Portugieſen
erweißlich machten, daß Dero Geſchencke allzu koſt-
bar, und zwar von beyden Seiten, gegen das we-
nige, was ſie von uns empfangen haͤtten, ohne die
allzu vielen Gefaͤlligkeiten und Gnaden-Bezeugun-
gen zu rechnen, die wir von Tage zu Tage von Jh-
nen genoſſen; ſo fieng der Gouverneur endlich al-
ſo zu reden an: Meine lieben Bruͤder! Gold und
Silber habe ich im Uberfluſſe, ſo wohl als die Mei-
nigen, die wenig Waͤſch- und Kleidungs-Stuͤcke
herbey gebracht haben. Wir hitten demnach alle
aus einem Munde, uns nicht zu verſchmaͤhen, ſon-
dern dieſes wenige zum geneigten Andencken, nicht
aber als ein Geſchenck anzunehmen, wiedrigenfalls
will in eurer aller Gegenwart einen theuren Schwur
thun, daß alle dieſe Sachen noch vor eurer Abfahrt
in die See geworffen werden ſollen, und zwar, wo
dieſelbe am tieffſten iſt.

Der Streit waͤhrete noch eine ziemliche Zeit-
lang, endlich aber, nachdem der Gouverneur,
ſeine Gemahlin, Toͤchter und Soͤhne die Portu-
gieſen nochmahls alle zaͤrtlich umarmet und gekuͤſ-
ſet, gaben ſich dieſe uͤberwunden, und gewiß, das

Ab-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0165" n="155"/>
denn einen unvergnu&#x0364;gten Tag gehabt, als nun-<lb/>
mehro die&#x017F;e Stunde, da wir Ab&#x017F;chied von einander<lb/>
nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wolte GOtt! wir ha&#x0364;tten Zeit-<lb/>
Lebens bey&#x017F;ammen bleiben ko&#x0364;nnen, da aber die&#x017F;es ei-<lb/>
ne unmo&#x0364;gliche Sache, &#x017F;o kra&#x0364;nckt mir und den Mei-<lb/>
nigen in der Seele nichts mehr, als daß ihr &#x017F;o ei-<lb/>
gen&#x017F;innig oder hochmu&#x0364;thig &#x017F;eyn wollet, die gerin-<lb/>
gen Gegen-Ge&#x017F;chencke gegen die eurigen, welche<lb/>
weit reichlicher gewe&#x017F;en, als die un&#x017F;erigen, von<lb/>
uns nicht anzunehmen. Wie nun die Portugie&#x017F;en<lb/>
erweißlich machten, daß Dero Ge&#x017F;chencke allzu ko&#x017F;t-<lb/>
bar, und zwar von beyden Seiten, gegen das we-<lb/>
nige, was &#x017F;ie von uns empfangen ha&#x0364;tten, ohne die<lb/>
allzu vielen Gefa&#x0364;lligkeiten und Gnaden-Bezeugun-<lb/>
gen zu rechnen, die wir von Tage zu Tage von Jh-<lb/>
nen geno&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;o fieng der <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> endlich al-<lb/>
&#x017F;o zu reden an: Meine lieben Bru&#x0364;der! Gold und<lb/>
Silber habe ich im Uberflu&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;o wohl als die Mei-<lb/>
nigen, die wenig Wa&#x0364;&#x017F;ch- und Kleidungs-Stu&#x0364;cke<lb/>
herbey gebracht haben. Wir hitten demnach alle<lb/>
aus einem Munde, uns nicht zu ver&#x017F;chma&#x0364;hen, &#x017F;on-<lb/>
dern die&#x017F;es wenige zum geneigten Andencken, nicht<lb/>
aber als ein Ge&#x017F;chenck anzunehmen, wiedrigenfalls<lb/>
will in eurer aller Gegenwart einen theuren Schwur<lb/>
thun, daß alle die&#x017F;e Sachen noch vor eurer Abfahrt<lb/>
in die See geworffen werden &#x017F;ollen, und zwar, wo<lb/>
die&#x017F;elbe am tieff&#x017F;ten i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Der Streit wa&#x0364;hrete noch eine ziemliche Zeit-<lb/>
lang, endlich aber, nachdem der <hi rendition="#aq">Gouverneur,</hi><lb/>
&#x017F;eine Gemahlin, To&#x0364;chter und So&#x0364;hne die Portu-<lb/>
gie&#x017F;en nochmahls alle za&#x0364;rtlich umarmet und geku&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;et, gaben &#x017F;ich die&#x017F;e u&#x0364;berwunden, und gewiß, das<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ab-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0165] denn einen unvergnuͤgten Tag gehabt, als nun- mehro dieſe Stunde, da wir Abſchied von einander nehmen muͤſſen. Wolte GOtt! wir haͤtten Zeit- Lebens beyſammen bleiben koͤnnen, da aber dieſes ei- ne unmoͤgliche Sache, ſo kraͤnckt mir und den Mei- nigen in der Seele nichts mehr, als daß ihr ſo ei- genſinnig oder hochmuͤthig ſeyn wollet, die gerin- gen Gegen-Geſchencke gegen die eurigen, welche weit reichlicher geweſen, als die unſerigen, von uns nicht anzunehmen. Wie nun die Portugieſen erweißlich machten, daß Dero Geſchencke allzu koſt- bar, und zwar von beyden Seiten, gegen das we- nige, was ſie von uns empfangen haͤtten, ohne die allzu vielen Gefaͤlligkeiten und Gnaden-Bezeugun- gen zu rechnen, die wir von Tage zu Tage von Jh- nen genoſſen; ſo fieng der Gouverneur endlich al- ſo zu reden an: Meine lieben Bruͤder! Gold und Silber habe ich im Uberfluſſe, ſo wohl als die Mei- nigen, die wenig Waͤſch- und Kleidungs-Stuͤcke herbey gebracht haben. Wir hitten demnach alle aus einem Munde, uns nicht zu verſchmaͤhen, ſon- dern dieſes wenige zum geneigten Andencken, nicht aber als ein Geſchenck anzunehmen, wiedrigenfalls will in eurer aller Gegenwart einen theuren Schwur thun, daß alle dieſe Sachen noch vor eurer Abfahrt in die See geworffen werden ſollen, und zwar, wo dieſelbe am tieffſten iſt. Der Streit waͤhrete noch eine ziemliche Zeit- lang, endlich aber, nachdem der Gouverneur, ſeine Gemahlin, Toͤchter und Soͤhne die Portu- gieſen nochmahls alle zaͤrtlich umarmet und gekuͤſ- ſet, gaben ſich dieſe uͤberwunden, und gewiß, das Ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/165
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/165>, abgerufen am 24.11.2024.