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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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ließ der Gouverneur 4. der fettesten Ochsen hinter
den Fisch-Wagens hertreiben, und machte unsern
Leuten ein Praesent damit. Wir fanden auf dem
Taffel-Zimmer noch einen herrlichen Caffee, und
nachdem dieser mit Appetit genossen, nahmen wir
vor dißmahl allesammt unter einander Abscheid von
einander, und begaben uns zur Ruhe. Früh Mor-
gens stund mein Bruder wider seine Gewohnheit
sehr früh auf, und sagte zu mir, daß, weil es ein
gar allzu angenehmer Tag wäre, er sich ein wenig
in dem Lust-Garten mit Spatzierengehen divertiren
wolte, um der angenehmen Morgen-Lufft zu ge-
niessen. Jch hatte nichts darwieder einzuwenden,
da mir aber die Sache verdächtig vorkam, schlich
ich nach Verlauf einer guten Stunde ihm nach, und
fand mein Brüderchen mit seiner Amasia in einer
dick belaubten Hütte sitzen. Jch sahe, daß sie ein-
ander hertzten und küsseten, auch sich dergestallt mit
den Armen zusammen geschlossen hatten, als ob sie
ewig also sitzen bleiben wolten. Erstlich gieng ich
wieder zurück auf etliche Schritte, trat aber bald zu
ihnen hinein, und both ihnen einen guten Morgen.
Hierauf sagte ich: Kinderchen, ich habe von ferne
gesehen, daß ihr einen hertzhafften Morgen-Seegen
mit einander gebethet, es ist mir lieb, daß ihr einan-
der lieb habt, allein führet euch behutsam auf, und
macht das Spiel nicht zu bund, damit es die Eltern
und andere Aufsehers nicht gewahr werden, ich
aber will euch nicht verrathen.

Das Fräulein wurde so roth, als ein Stück-
Blut, kam aber auf mich zu, und küssete mir erst-
lich die Hand, hernach den Mund, worauf ich mich

gedop-

ließ der Gouverneur 4. der fetteſten Ochſen hinter
den Fiſch-Wagens hertreiben, und machte unſern
Leuten ein Præſent damit. Wir fanden auf dem
Taffel-Zimmer noch einen herrlichen Caffee, und
nachdem dieſer mit Appetit genoſſen, nahmen wir
vor dißmahl alleſammt unter einander Abſcheid von
einander, und begaben uns zur Ruhe. Fruͤh Mor-
gens ſtund mein Bruder wider ſeine Gewohnheit
ſehr fruͤh auf, und ſagte zu mir, daß, weil es ein
gar allzu angenehmer Tag waͤre, er ſich ein wenig
in dem Luſt-Garten mit Spatzierengehen divertiren
wolte, um der angenehmen Morgen-Lufft zu ge-
nieſſen. Jch hatte nichts darwieder einzuwenden,
da mir aber die Sache verdaͤchtig vorkam, ſchlich
ich nach Verlauf einer guten Stunde ihm nach, und
fand mein Bruͤderchen mit ſeiner Amaſia in einer
dick belaubten Huͤtte ſitzen. Jch ſahe, daß ſie ein-
ander hertzten und kuͤſſeten, auch ſich dergeſtallt mit
den Armen zuſammen geſchloſſen hatten, als ob ſie
ewig alſo ſitzen bleiben wolten. Erſtlich gieng ich
wieder zuruͤck auf etliche Schritte, trat aber bald zu
ihnen hinein, und both ihnen einen guten Morgen.
Hierauf ſagte ich: Kinderchen, ich habe von ferne
geſehen, daß ihr einen hertzhafften Morgen-Seegen
mit einander gebethet, es iſt mir lieb, daß ihr einan-
der lieb habt, allein fuͤhret euch behutſam auf, und
macht das Spiel nicht zu bund, damit es die Eltern
und andere Aufſehers nicht gewahr werden, ich
aber will euch nicht verrathen.

Das Fraͤulein wurde ſo roth, als ein Stuͤck-
Blut, kam aber auf mich zu, und kuͤſſete mir erſt-
lich die Hand, hernach den Mund, worauf ich mich

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[105/0115] ließ der Gouverneur 4. der fetteſten Ochſen hinter den Fiſch-Wagens hertreiben, und machte unſern Leuten ein Præſent damit. Wir fanden auf dem Taffel-Zimmer noch einen herrlichen Caffee, und nachdem dieſer mit Appetit genoſſen, nahmen wir vor dißmahl alleſammt unter einander Abſcheid von einander, und begaben uns zur Ruhe. Fruͤh Mor- gens ſtund mein Bruder wider ſeine Gewohnheit ſehr fruͤh auf, und ſagte zu mir, daß, weil es ein gar allzu angenehmer Tag waͤre, er ſich ein wenig in dem Luſt-Garten mit Spatzierengehen divertiren wolte, um der angenehmen Morgen-Lufft zu ge- nieſſen. Jch hatte nichts darwieder einzuwenden, da mir aber die Sache verdaͤchtig vorkam, ſchlich ich nach Verlauf einer guten Stunde ihm nach, und fand mein Bruͤderchen mit ſeiner Amaſia in einer dick belaubten Huͤtte ſitzen. Jch ſahe, daß ſie ein- ander hertzten und kuͤſſeten, auch ſich dergeſtallt mit den Armen zuſammen geſchloſſen hatten, als ob ſie ewig alſo ſitzen bleiben wolten. Erſtlich gieng ich wieder zuruͤck auf etliche Schritte, trat aber bald zu ihnen hinein, und both ihnen einen guten Morgen. Hierauf ſagte ich: Kinderchen, ich habe von ferne geſehen, daß ihr einen hertzhafften Morgen-Seegen mit einander gebethet, es iſt mir lieb, daß ihr einan- der lieb habt, allein fuͤhret euch behutſam auf, und macht das Spiel nicht zu bund, damit es die Eltern und andere Aufſehers nicht gewahr werden, ich aber will euch nicht verrathen. Das Fraͤulein wurde ſo roth, als ein Stuͤck- Blut, kam aber auf mich zu, und kuͤſſete mir erſt- lich die Hand, hernach den Mund, worauf ich mich gedop-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/115>, abgerufen am 22.11.2024.