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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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war ein wohlgebrautes Bier und ein schöner Fel-
senburger Wein unser Geträncke.

Weil der Alt-Vater mit meinem Vater bestän-
dig im Discurs begriffen war, welchem die an-
dern eiffrig zuhöreten, gerieth ich ohngefähr in tief-
fe Gedancken, und muß nur gestehen, daß mich der
Magnet zu meiner Cordula zohe, welche ich noch
nicht gesehen, auch sie noch diesen Tag zusehen nicht
hoffen konte, weil sie ihrer Mutter, und der andern
Aussage nach, schon seit vielen Wochen immer
kräncklich gewesen wäre, und sich nicht wohl aus
dem Hause wagen dürffte. Demnach war mir ei-
niger massen verdrüßlich, daß ich aus Respect
gegen den Alt-Vater und die Fremden heute nicht
zu ihr reisen könte, sonsten hätte lieber Essen und
Trincken entbehren wollen. Jndem kam Mons.
Litzberg ohnvermerckt, stöhrete mich in meinen tief-
fen Gedancken, und vermeynete, er wolle wohl er-
rathen, was mich so tieffsinnig machte. Jch fragte:
wie ihm zu Muthe gewesen, da er einsmahls ver-
liebt gewesen wäre? Hierauf sagte er: Wartet
ein klein wenig, mein Herr, ich muß mich eurer
erbarmen, und euch ein Pflaster aufs Hertze holen.
Hiermit ging er in ein Neben-Zimmer, und brach-
te mir meine Cordula heraus geführet, ich sprang
gleich auf, und konte mich nicht enthalten, sie mit
einem Kusse zu bewillkommen, weßwegen ihre blas-
se Farbe sich in eine Blut-rothe verwandelte. Sie
wuste hernach die andern Fremden mit einer un-
gemein artigen Stellung, meine Schwester aber
mit einem heissen Kusse zu bewillkommen, weß-
wegen mein Vater vor Freuden zu weinen | anfieng,

und

war ein wohlgebrautes Bier und ein ſchoͤner Fel-
ſenburger Wein unſer Getraͤncke.

Weil der Alt-Vater mit meinem Vater beſtaͤn-
dig im Diſcurs begriffen war, welchem die an-
dern eiffrig zuhoͤreten, gerieth ich ohngefaͤhr in tief-
fe Gedancken, und muß nur geſtehen, daß mich der
Magnet zu meiner Cordula zohe, welche ich noch
nicht geſehen, auch ſie noch dieſen Tag zuſehen nicht
hoffen konte, weil ſie ihrer Mutter, und der andern
Auſſage nach, ſchon ſeit vielen Wochen immer
kraͤncklich geweſen waͤre, und ſich nicht wohl aus
dem Hauſe wagen duͤrffte. Demnach war mir ei-
niger maſſen verdruͤßlich, daß ich aus Reſpect
gegen den Alt-Vater und die Fremden heute nicht
zu ihr reiſen koͤnte, ſonſten haͤtte lieber Eſſen und
Trincken entbehren wollen. Jndem kam Monſ.
Litzberg ohnvermerckt, ſtoͤhrete mich in meinen tief-
fen Gedancken, und vermeynete, er wolle wohl er-
rathen, was mich ſo tieffſinnig machte. Jch fragte:
wie ihm zu Muthe geweſen, da er einsmahls ver-
liebt geweſen waͤre? Hierauf ſagte er: Wartet
ein klein wenig, mein Herr, ich muß mich eurer
erbarmen, und euch ein Pflaſter aufs Hertze holen.
Hiermit ging er in ein Neben-Zimmer, und brach-
te mir meine Cordula heraus gefuͤhret, ich ſprang
gleich auf, und konte mich nicht enthalten, ſie mit
einem Kuſſe zu bewillkommen, weßwegen ihre blaſ-
ſe Farbe ſich in eine Blut-rothe verwandelte. Sie
wuſte hernach die andern Fremden mit einer un-
gemein artigen Stellung, meine Schweſter aber
mit einem heiſſen Kuſſe zu bewillkommen, weß-
wegen mein Vater vor Freuden zu weinen | anfieng,

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[50/0058] war ein wohlgebrautes Bier und ein ſchoͤner Fel- ſenburger Wein unſer Getraͤncke. Weil der Alt-Vater mit meinem Vater beſtaͤn- dig im Diſcurs begriffen war, welchem die an- dern eiffrig zuhoͤreten, gerieth ich ohngefaͤhr in tief- fe Gedancken, und muß nur geſtehen, daß mich der Magnet zu meiner Cordula zohe, welche ich noch nicht geſehen, auch ſie noch dieſen Tag zuſehen nicht hoffen konte, weil ſie ihrer Mutter, und der andern Auſſage nach, ſchon ſeit vielen Wochen immer kraͤncklich geweſen waͤre, und ſich nicht wohl aus dem Hauſe wagen duͤrffte. Demnach war mir ei- niger maſſen verdruͤßlich, daß ich aus Reſpect gegen den Alt-Vater und die Fremden heute nicht zu ihr reiſen koͤnte, ſonſten haͤtte lieber Eſſen und Trincken entbehren wollen. Jndem kam Monſ. Litzberg ohnvermerckt, ſtoͤhrete mich in meinen tief- fen Gedancken, und vermeynete, er wolle wohl er- rathen, was mich ſo tieffſinnig machte. Jch fragte: wie ihm zu Muthe geweſen, da er einsmahls ver- liebt geweſen waͤre? Hierauf ſagte er: Wartet ein klein wenig, mein Herr, ich muß mich eurer erbarmen, und euch ein Pflaſter aufs Hertze holen. Hiermit ging er in ein Neben-Zimmer, und brach- te mir meine Cordula heraus gefuͤhret, ich ſprang gleich auf, und konte mich nicht enthalten, ſie mit einem Kuſſe zu bewillkommen, weßwegen ihre blaſ- ſe Farbe ſich in eine Blut-rothe verwandelte. Sie wuſte hernach die andern Fremden mit einer un- gemein artigen Stellung, meine Schweſter aber mit einem heiſſen Kuſſe zu bewillkommen, weß- wegen mein Vater vor Freuden zu weinen | anfieng, und

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/58>, abgerufen am 24.11.2024.