Eines Tages, da ich vor der Börse stund, und mich an diesem kostbaren Gebäude nicht satt sehen konte, zupffte mich jemand beym Ermel, und da ich mich umsahe, war es mein jüngster Bruder, über dessen Daseyn ich mich fast zu Tode verwun- derte, nachhero aber von ihm erfuhr, daß er end- lich seiner Frauen altes Thaler-Loch gefunden, die meisten heraus genommen, und weil er es nicht länger bey ihr ausstehen können, hierher gereiset wäre, um nach Ost-Jndien zu gehen. So bald er hörete, daß eben dieses mein Vorsatz wäre, war er ungemein erfreuet, wir schossen demnach unsere Gelder zusammen, legten dieselben an taugliche Waaren, engagirten uns bey der Ost-Jndischen Compagnie, und gingen als Kauff-Leute mit zu Schiffe, und nach Ost-Jndien, erworben bey der ersten Reise ein ziemlich Stück Geld, allein, weil wir Brüder, uns im Handel nicht wohl vertragen konten, theileten wir unsern Erwerb Christlich, und schieden in Friede von einander, da denn einer nach Ost-und der andere nach West-Jndien ging. Mein Bruder, welchen ich nachhero zwey mahl wieder gesprochen, war so glücklich geworden, in wenig Jahren ein eigenes Schiff und anderweitiges Vermögen zu erwerben, allein mit mir wolte es nicht fort, denn wenn mir gleich das Glück nach vieler sauren Mühe und Arbeit etwa ein ziemliches Capital zugewendet, so verlohr doch bald hier, bald dort etwas darvon, und endlich war ich auf der Retour aus West-Jndien so unglücklich, alles mein Gut durch Schiff-Bruch zu verliehren, danckte
aber
(F f 4)
Eines Tages, da ich vor der Boͤrſe ſtund, und mich an dieſem koſtbaren Gebaͤude nicht ſatt ſehen konte, zupffte mich jemand beym Ermel, und da ich mich umſahe, war es mein juͤngſter Bruder, uͤber deſſen Daſeyn ich mich faſt zu Tode verwun- derte, nachhero aber von ihm erfuhr, daß er end- lich ſeiner Frauen altes Thaler-Loch gefunden, die meiſten heraus genommen, und weil er es nicht laͤnger bey ihr ausſtehen koͤnnen, hierher gereiſet waͤre, um nach Oſt-Jndien zu gehen. So bald er hoͤrete, daß eben dieſes mein Vorſatz waͤre, war er ungemein erfreuet, wir ſchoſſen demnach unſere Gelder zuſammen, legten dieſelben an taugliche Waaren, engagirten uns bey der Oſt-Jndiſchen Compagnie, und gingen als Kauff-Leute mit zu Schiffe, und nach Oſt-Jndien, erworben bey der erſten Reiſe ein ziemlich Stuͤck Geld, allein, weil wir Bruͤder, uns im Handel nicht wohl vertragen konten, theileten wir unſern Erwerb Chriſtlich, und ſchieden in Friede von einander, da denn einer nach Oſt-und der andere nach Weſt-Jndien ging. Mein Bruder, welchen ich nachhero zwey mahl wieder geſprochen, war ſo gluͤcklich geworden, in wenig Jahren ein eigenes Schiff und anderweitiges Vermoͤgen zu erwerben, allein mit mir wolte es nicht fort, denn wenn mir gleich das Gluͤck nach vieler ſauren Muͤhe und Arbeit etwa ein ziemliches Capital zugewendet, ſo verlohr doch bald hier, bald dort etwas darvon, und endlich war ich auf der Retour aus Weſt-Jndien ſo ungluͤcklich, alles mein Gut durch Schiff-Bruch zu verliehren, danckte
aber
(F f 4)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0463"n="455"/><p>Eines Tages, da ich vor der Boͤrſe ſtund, und<lb/>
mich an dieſem koſtbaren Gebaͤude nicht ſatt ſehen<lb/>
konte, zupffte mich jemand beym Ermel, und da<lb/>
ich mich umſahe, war es mein juͤngſter Bruder,<lb/>
uͤber deſſen Daſeyn ich mich faſt zu Tode verwun-<lb/>
derte, nachhero aber von ihm erfuhr, daß er end-<lb/>
lich ſeiner Frauen altes Thaler-Loch gefunden, die<lb/>
meiſten heraus genommen, und weil er es nicht<lb/>
laͤnger bey ihr ausſtehen koͤnnen, hierher gereiſet<lb/>
waͤre, um nach Oſt-Jndien zu gehen. So bald<lb/>
er hoͤrete, daß eben dieſes mein Vorſatz waͤre, war<lb/>
er ungemein erfreuet, wir ſchoſſen demnach unſere<lb/>
Gelder zuſammen, legten dieſelben an taugliche<lb/>
Waaren, <hirendition="#aq">engagirt</hi>en uns bey der Oſt-Jndiſchen<lb/><hirendition="#aq">Compagnie,</hi> und gingen als Kauff-Leute mit zu<lb/>
Schiffe, und nach Oſt-Jndien, erworben bey der<lb/>
erſten Reiſe ein ziemlich Stuͤck Geld, allein, weil<lb/>
wir Bruͤder, uns im Handel nicht wohl vertragen<lb/>
konten, theileten wir unſern Erwerb Chriſtlich, und<lb/>ſchieden in Friede von einander, da denn einer<lb/>
nach Oſt-und der andere nach Weſt-Jndien ging.<lb/>
Mein Bruder, welchen ich nachhero zwey mahl<lb/>
wieder geſprochen, war ſo gluͤcklich geworden, in<lb/>
wenig Jahren ein eigenes Schiff und anderweitiges<lb/>
Vermoͤgen zu erwerben, allein mit mir wolte es<lb/>
nicht fort, denn wenn mir gleich das Gluͤck nach<lb/>
vieler ſauren Muͤhe und Arbeit etwa ein ziemliches<lb/><hirendition="#aq">Capital</hi> zugewendet, ſo verlohr doch bald hier,<lb/>
bald dort etwas darvon, und endlich war ich auf<lb/>
der <hirendition="#aq">Retour</hi> aus Weſt-Jndien ſo ungluͤcklich, alles<lb/>
mein Gut durch Schiff-Bruch zu verliehren, danckte<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(F f 4)</fw><fwplace="bottom"type="catch">aber</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[455/0463]
Eines Tages, da ich vor der Boͤrſe ſtund, und
mich an dieſem koſtbaren Gebaͤude nicht ſatt ſehen
konte, zupffte mich jemand beym Ermel, und da
ich mich umſahe, war es mein juͤngſter Bruder,
uͤber deſſen Daſeyn ich mich faſt zu Tode verwun-
derte, nachhero aber von ihm erfuhr, daß er end-
lich ſeiner Frauen altes Thaler-Loch gefunden, die
meiſten heraus genommen, und weil er es nicht
laͤnger bey ihr ausſtehen koͤnnen, hierher gereiſet
waͤre, um nach Oſt-Jndien zu gehen. So bald
er hoͤrete, daß eben dieſes mein Vorſatz waͤre, war
er ungemein erfreuet, wir ſchoſſen demnach unſere
Gelder zuſammen, legten dieſelben an taugliche
Waaren, engagirten uns bey der Oſt-Jndiſchen
Compagnie, und gingen als Kauff-Leute mit zu
Schiffe, und nach Oſt-Jndien, erworben bey der
erſten Reiſe ein ziemlich Stuͤck Geld, allein, weil
wir Bruͤder, uns im Handel nicht wohl vertragen
konten, theileten wir unſern Erwerb Chriſtlich, und
ſchieden in Friede von einander, da denn einer
nach Oſt-und der andere nach Weſt-Jndien ging.
Mein Bruder, welchen ich nachhero zwey mahl
wieder geſprochen, war ſo gluͤcklich geworden, in
wenig Jahren ein eigenes Schiff und anderweitiges
Vermoͤgen zu erwerben, allein mit mir wolte es
nicht fort, denn wenn mir gleich das Gluͤck nach
vieler ſauren Muͤhe und Arbeit etwa ein ziemliches
Capital zugewendet, ſo verlohr doch bald hier,
bald dort etwas darvon, und endlich war ich auf
der Retour aus Weſt-Jndien ſo ungluͤcklich, alles
mein Gut durch Schiff-Bruch zu verliehren, danckte
aber
(F f 4)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/463>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.