viel lieber thun, als ob euer Herr noch gar nicht wieder gekommen wäre, damit sie nicht etwa aus Schrecken wieder in die vorige Kranckheit verfällt; unterdessen wünsche ich eurem Herrn baldige Bes- serung, daß er sie selbst besuchen kan, und ich glau- be, daß sie alsdenn alle beyde auf einmahl wieder gesund werden, wenn sie nur erstlich einander wie- der gesehen haben.
So listig konte das verzweiffelte Weibes-Volck seine Streiche spielen, mich zu übertölpeln, allein, es war ein Glück, daß mich der Himmel noch zu rechter Zeit hinter solche Boßheiten kommen lassen. Jndessen schwieg ich mit allem Fleisse noch eine Zeit lang stille, um der Jungfer Wöchnerin in den ersten Tagen kein Schrecken einzujagen, und sie etwa um ihre Gesundheit, oder gar um ihr keusches Le- ben zu bringen; die Complimenten-Träger aber gingen täglich ab und zu, und endlich empfing ich von der Madame Charlotte ein also lautendes Schreiben:
Mein allerliebster Schatz!
HEute ist mir erstlich gesagt worden, daß Jhr bereits vor 14. Tagen von der Rei- se zurück gekommen und unglücklich gewe- sen seyd. Hätte man mir solches gleich zu wissen gethan, so wäre ich bey meinen da- mahligen Zustande auf der Stelle des To- des gewesen, weil, wie ihr schon überzeugt
seyd,
(Ee 2)
viel lieber thun, als ob euer Herr noch gar nicht wieder gekommen waͤre, damit ſie nicht etwa aus Schrecken wieder in die vorige Kranckheit verfaͤllt; unterdeſſen wuͤnſche ich eurem Herrn baldige Beſ- ſerung, daß er ſie ſelbſt beſuchen kan, und ich glau- be, daß ſie alsdenn alle beyde auf einmahl wieder geſund werden, wenn ſie nur erſtlich einander wie- der geſehen haben.
So liſtig konte das verzweiffelte Weibes-Volck ſeine Streiche ſpielen, mich zu uͤbertoͤlpeln, allein, es war ein Gluͤck, daß mich der Himmel noch zu rechter Zeit hinter ſolche Boßheiten kommen laſſen. Jndeſſen ſchwieg ich mit allem Fleiſſe noch eine Zeit lang ſtille, um der Jungfer Woͤchnerin in den erſten Tagen kein Schrecken einzujagen, und ſie etwa um ihre Geſundheit, oder gar um ihr keuſches Le- ben zu bringen; die Complimenten-Traͤger aber gingen taͤglich ab und zu, und endlich empfing ich von der Madame Charlotte ein alſo lautendes Schreiben:
Mein allerliebſter Schatz!
HEute iſt mir erſtlich geſagt worden, daß Jhr bereits vor 14. Tagen von der Rei- ſe zuruͤck gekommen und ungluͤcklich gewe- ſen ſeyd. Haͤtte man mir ſolches gleich zu wiſſen gethan, ſo waͤre ich bey meinen da- mahligen Zuſtande auf der Stelle des To- des geweſen, weil, wie ihr ſchon uͤberzeugt
ſeyd,
(Ee 2)
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viel lieber thun, als ob euer Herr noch gar nicht
wieder gekommen waͤre, damit ſie nicht etwa aus
Schrecken wieder in die vorige Kranckheit verfaͤllt;
unterdeſſen wuͤnſche ich eurem Herrn baldige Beſ-
ſerung, daß er ſie ſelbſt beſuchen kan, und ich glau-
be, daß ſie alsdenn alle beyde auf einmahl wieder
geſund werden, wenn ſie nur erſtlich einander wie-
der geſehen haben.
So liſtig konte das verzweiffelte Weibes-Volck
ſeine Streiche ſpielen, mich zu uͤbertoͤlpeln, allein,
es war ein Gluͤck, daß mich der Himmel noch zu
rechter Zeit hinter ſolche Boßheiten kommen laſſen.
Jndeſſen ſchwieg ich mit allem Fleiſſe noch eine Zeit
lang ſtille, um der Jungfer Woͤchnerin in den erſten
Tagen kein Schrecken einzujagen, und ſie etwa um
ihre Geſundheit, oder gar um ihr keuſches Le-
ben zu bringen; die Complimenten-Traͤger aber
gingen taͤglich ab und zu, und endlich empfing ich
von der Madame Charlotte ein alſo lautendes
Schreiben:
Mein allerliebſter Schatz!
HEute iſt mir erſtlich geſagt worden, daß
Jhr bereits vor 14. Tagen von der Rei-
ſe zuruͤck gekommen und ungluͤcklich gewe-
ſen ſeyd. Haͤtte man mir ſolches gleich zu
wiſſen gethan, ſo waͤre ich bey meinen da-
mahligen Zuſtande auf der Stelle des To-
des geweſen, weil, wie ihr ſchon uͤberzeugt
ſeyd,
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/443>, abgerufen am 23.11.2024.
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