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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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kriegen, allein, es hielt schwer, und noch schwerer
auszuforschen, ob ihr meine Person zum Ehe-Man-
ne anständig, am allerschwersten aber ging es zu,
sie biß dahin zubringen, daß sie sich ordentlich und
öffentlich mit mir verlobte! unsere Hochzeit aber
muste ein und anderer wichtiger Umstände wegen
noch etwa auf ein Viertel Jahr hinaus verschoben
werden. Jedoch, gleich nachdem das Verlöbniß
gewesen, gönnete mir die alte Frau Muhme etwas
mehr alssonsten Freyheit, meine Liebste zu besuchen,
ausgenommen, wenn ich etwas spät vom Schlos-
se kam, woltesie mich durchaus nicht zu ihr einlas-
sen. Endlich ließ sich meine Liebste, welche ihre
eigene Stube und Cammer hatte, dahin erbitten,
daß sie mir einen Nach-Schlüssel zur Hinter-
Thür des Hauses machen ließ, da ich denn im Stal-
le erstlich zwey Treppen hoch in die Höhe steigen/
über einen langen Boden hin-und so dann erstlich
wieder eine Treppe herunter schleichen muste, ehe
ich in ihre Stube kommen konte. Solchergestalt
passirete ich manche nächtliche Stunde mit meiner
Liebste in Geheim, muß aber gestehen, daß sie sich ge-
gen mich ungemein keusch und tugendhafft stelle-
te, indem sie mir, ausser dem Küssen, nicht die aller-
geringste Liebes-Freyheit erlaubte, auch sich hoch
verschwur, bey dieser Art zu verbleiben, biß wir
würcklich mit einander copulirt wären. Dero-
wegen verschonete ich dieselbe mit fernern Versu-
chungen, und gratulirte mich im Hertzen, daß ich
eine solche keusche und züchtige Liebste hätte. Ei-
nes Tages befahl mir mein Herr, mich zu einer

Rei-

kriegen, allein, es hielt ſchwer, und noch ſchwerer
auszuforſchen, ob ihr meine Perſon zum Ehe-Man-
ne anſtaͤndig, am allerſchwerſten aber ging es zu,
ſie biß dahin zubringen, daß ſie ſich ordentlich und
oͤffentlich mit mir verlobte! unſere Hochzeit aber
muſte ein und anderer wichtiger Umſtaͤnde wegen
noch etwa auf ein Viertel Jahr hinaus verſchoben
werden. Jedoch, gleich nachdem das Verloͤbniß
geweſen, goͤnnete mir die alte Frau Muhme etwas
mehr alsſonſten Freyheit, meine Liebſte zu beſuchen,
ausgenommen, wenn ich etwas ſpaͤt vom Schloſ-
ſe kam, wolteſie mich durchaus nicht zu ihr einlaſ-
ſen. Endlich ließ ſich meine Liebſte, welche ihre
eigene Stube und Cammer hatte, dahin erbitten,
daß ſie mir einen Nach-Schluͤſſel zur Hinter-
Thuͤr des Hauſes machen ließ, da ich denn im Stal-
le erſtlich zwey Treppen hoch in die Hoͤhe ſteigen/
uͤber einen langen Boden hin-und ſo dann erſtlich
wieder eine Treppe herunter ſchleichen muſte, ehe
ich in ihre Stube kommen konte. Solchergeſtalt
paſſirete ich manche naͤchtliche Stunde mit meiner
Liebſte in Geheim, muß aber geſtehen, daß ſie ſich ge-
gen mich ungemein keuſch und tugendhafft ſtelle-
te, indem ſie mir, auſſer dem Kuͤſſen, nicht die aller-
geringſte Liebes-Freyheit erlaubte, auch ſich hoch
verſchwur, bey dieſer Art zu verbleiben, biß wir
wuͤrcklich mit einander copulirt waͤren. Dero-
wegen verſchonete ich dieſelbe mit fernern Verſu-
chungen, und gratulirte mich im Hertzen, daß ich
eine ſolche keuſche und zuͤchtige Liebſte haͤtte. Ei-
nes Tages befahl mir mein Herr, mich zu einer

Rei-
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[430/0438] kriegen, allein, es hielt ſchwer, und noch ſchwerer auszuforſchen, ob ihr meine Perſon zum Ehe-Man- ne anſtaͤndig, am allerſchwerſten aber ging es zu, ſie biß dahin zubringen, daß ſie ſich ordentlich und oͤffentlich mit mir verlobte! unſere Hochzeit aber muſte ein und anderer wichtiger Umſtaͤnde wegen noch etwa auf ein Viertel Jahr hinaus verſchoben werden. Jedoch, gleich nachdem das Verloͤbniß geweſen, goͤnnete mir die alte Frau Muhme etwas mehr alsſonſten Freyheit, meine Liebſte zu beſuchen, ausgenommen, wenn ich etwas ſpaͤt vom Schloſ- ſe kam, wolteſie mich durchaus nicht zu ihr einlaſ- ſen. Endlich ließ ſich meine Liebſte, welche ihre eigene Stube und Cammer hatte, dahin erbitten, daß ſie mir einen Nach-Schluͤſſel zur Hinter- Thuͤr des Hauſes machen ließ, da ich denn im Stal- le erſtlich zwey Treppen hoch in die Hoͤhe ſteigen/ uͤber einen langen Boden hin-und ſo dann erſtlich wieder eine Treppe herunter ſchleichen muſte, ehe ich in ihre Stube kommen konte. Solchergeſtalt paſſirete ich manche naͤchtliche Stunde mit meiner Liebſte in Geheim, muß aber geſtehen, daß ſie ſich ge- gen mich ungemein keuſch und tugendhafft ſtelle- te, indem ſie mir, auſſer dem Kuͤſſen, nicht die aller- geringſte Liebes-Freyheit erlaubte, auch ſich hoch verſchwur, bey dieſer Art zu verbleiben, biß wir wuͤrcklich mit einander copulirt waͤren. Dero- wegen verſchonete ich dieſelbe mit fernern Verſu- chungen, und gratulirte mich im Hertzen, daß ich eine ſolche keuſche und zuͤchtige Liebſte haͤtte. Ei- nes Tages befahl mir mein Herr, mich zu einer Rei-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/438>, abgerufen am 23.11.2024.