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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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vor Degen und Pistolen niemahls gefürchtet habe.
Nun saget mir, Madame! (fuhr der | Marquis fort,
indem er sich zu seiner Frau wendete) ob ihr in mei-
ner gantzen Erzählung etwas angemerckt, so wider
die Wahrheit lieffe? Nein, mein Herr! (antwor-
tete sie,) ich müste nicht so redlich und aufrichtig
seyn, als ihr, wenn ich dieses sagen wolte, es ist
demnach zu bejammern, daß, wie ihr selbsten glaubt,
wir beyde bezaubertseyn, doch ist bey unsern Malheur
annoch das gröste Glück, daß wir in gewissen Stü-
cken noch einerley Sinn haben. Hierauf wandte
er sich zu mir, und fragte: Habt ihr wohl, mein
Herr! Zeit-Lebens dergleichen besondere Begenben-
heiten gehöret? Nein, versicherte ich, sondern ich
halte dieselbe vor ein unerhörtes Wunder, werde
solches in meinem Hertzen vergraben halten, und
biß auf den letzten Blut-Tropffen zeigen, daß ich
nichts höher als Dero Generositee und Freund-
schafft aestimire, und solche mit schuldigster Danck-
barkeit zu erkennen alle Gelegenheit suchen. Nach-
diesen schwatzten wir alle drey, als die vertraute-
sten Freunde, von allerhand indifferenten Dingen,
und fuhren mit Untergang der Sonnen zurück |in
des Marquis Wohnung, allwo ich die Abend-Mahl-
zeit eingenommen, mit den beyden Bewunderns-
würdigen Ehe-Leuten noch ein paar Stunden
l'Omber gespielet, und mich hierauf nach Hause
begeben habe.

Was bedünckt euch, (fragte mein Herr nun-
mehro den Cammer-Diener) bey dieser Avantüre?
Sie scheinet mir (ließ sich dieser vernehmen) sehr
wunderlich, und die Folgerung höchst gefährlich,

wenn
III. Theil. (C c)

vor Degen und Piſtolen niemahls gefuͤrchtet habe.
Nun ſaget mir, Madame! (fuhr der | Marquis fort,
indem er ſich zu ſeiner Frau wendete) ob ihr in mei-
ner gantzen Erzaͤhlung etwas angemerckt, ſo wider
die Wahrheit lieffe? Nein, mein Herr! (antwor-
tete ſie,) ich muͤſte nicht ſo redlich und aufrichtig
ſeyn, als ihr, wenn ich dieſes ſagen wolte, es iſt
demnach zu bejammern, daß, wie ihr ſelbſten glaubt,
wir beyde bezaubertſeyn, doch iſt bey unſern Malheur
annoch das groͤſte Gluͤck, daß wir in gewiſſen Stuͤ-
cken noch einerley Sinn haben. Hierauf wandte
er ſich zu mir, und fragte: Habt ihr wohl, mein
Herr! Zeit-Lebens dergleichen beſondere Begenben-
heiten gehoͤret? Nein, verſicherte ich, ſondern ich
halte dieſelbe vor ein unerhoͤrtes Wunder, werde
ſolches in meinem Hertzen vergraben halten, und
biß auf den letzten Blut-Tropffen zeigen, daß ich
nichts hoͤher als Dero Generositée und Freund-
ſchafft æſtimire, und ſolche mit ſchuldigſter Danck-
barkeit zu erkennen alle Gelegenheit ſuchen. Nach-
dieſen ſchwatzten wir alle drey, als die vertraute-
ſten Freunde, von allerhand indifferenten Dingen,
und fuhren mit Untergang der Sonnen zuruͤck |in
des Marquis Wohnung, allwo ich die Abend-Mahl-
zeit eingenommen, mit den beyden Bewunderns-
wuͤrdigen Ehe-Leuten noch ein paar Stunden
l’Omber geſpielet, und mich hierauf nach Hauſe
begeben habe.

Was beduͤnckt euch, (fragte mein Herr nun-
mehro den Cammer-Diener) bey dieſer Avantüre?
Sie ſcheinet mir (ließ ſich dieſer vernehmen) ſehr
wunderlich, und die Folgerung hoͤchſt gefaͤhrlich,

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[401/0409] vor Degen und Piſtolen niemahls gefuͤrchtet habe. Nun ſaget mir, Madame! (fuhr der | Marquis fort, indem er ſich zu ſeiner Frau wendete) ob ihr in mei- ner gantzen Erzaͤhlung etwas angemerckt, ſo wider die Wahrheit lieffe? Nein, mein Herr! (antwor- tete ſie,) ich muͤſte nicht ſo redlich und aufrichtig ſeyn, als ihr, wenn ich dieſes ſagen wolte, es iſt demnach zu bejammern, daß, wie ihr ſelbſten glaubt, wir beyde bezaubertſeyn, doch iſt bey unſern Malheur annoch das groͤſte Gluͤck, daß wir in gewiſſen Stuͤ- cken noch einerley Sinn haben. Hierauf wandte er ſich zu mir, und fragte: Habt ihr wohl, mein Herr! Zeit-Lebens dergleichen beſondere Begenben- heiten gehoͤret? Nein, verſicherte ich, ſondern ich halte dieſelbe vor ein unerhoͤrtes Wunder, werde ſolches in meinem Hertzen vergraben halten, und biß auf den letzten Blut-Tropffen zeigen, daß ich nichts hoͤher als Dero Generositée und Freund- ſchafft æſtimire, und ſolche mit ſchuldigſter Danck- barkeit zu erkennen alle Gelegenheit ſuchen. Nach- dieſen ſchwatzten wir alle drey, als die vertraute- ſten Freunde, von allerhand indifferenten Dingen, und fuhren mit Untergang der Sonnen zuruͤck |in des Marquis Wohnung, allwo ich die Abend-Mahl- zeit eingenommen, mit den beyden Bewunderns- wuͤrdigen Ehe-Leuten noch ein paar Stunden l’Omber geſpielet, und mich hierauf nach Hauſe begeben habe. Was beduͤnckt euch, (fragte mein Herr nun- mehro den Cammer-Diener) bey dieſer Avantüre? Sie ſcheinet mir (ließ ſich dieſer vernehmen) ſehr wunderlich, und die Folgerung hoͤchſt gefaͤhrlich, wenn III. Theil. (C c)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/409>, abgerufen am 23.11.2024.