Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

gebohrner Schwede, eben nicht allzu fein von Ge-
sichte, doch jederzeit sehr gefällig gegen mich gewesen
war, unverhofft auf meine Kammer und traff mich
in der grösten Bestürtzung an, denn ich weinete eben
und die 3. Contrasaits, als meiner seel. Liebste und
dieser meiner beyden Kinder lagen vor mir auf dem
Tische. Jch gab meinem Aufwärter so gleich Befehl,
ein und anderes herbey zu bringen, um diesen jungen,
jedoch sehr reichen Schwedischen Kauffmann behö-
rig zu bewirthen; mittlerweile wirfft dieser seine Au-
gen auf die Contrafaits und fragte so gleich: Mein
Herr! was sind das vor Bildnisse? Dieses erste
sagte ich, ist meine ohnlängst verstorbene Liebste, die
andern beyde stellen meine 2. zurück gelassenen Kin-
der vor. Jhr habt, gab der Schwede darauf, eine
sehr schöne Frau gehabt, aber die Tochter ist noch
weit schöner, wo befindet sich dieselbe? Voritzo, war
meine Antwort, in Stockholm bey meiner Be-
freundtin. Glückseelig ist mein Vaterland, sprach
er, eine solche seltene Schöne in sich zu haben. Jhr
schertzet oder flattiret sehr, mein Herr sagte ich, denn
da ich 2. mahl in Schweden gewefen bin, so kan ver-
sichern, daß ich weit schönere Gesichter darinnen an-
getroffen habe. Hirauf lenckte ich den Discours auf
Handlungs-Affairen, der Schwede aber schien mir
auf einmahl gantz Melancholisch zu werden, wel-
ches er dem getrunckenen Coffee Schuld gab, dero-
wegen ich ihm ein gut Glaß Wein vorsetzte. Er
trunck davon, sagte aber: mein Herr ihr habt ei-
nen recht guten Wein, aber so gut ist er doch nicht
als der Canari, von welcher Sorte ich eine ziemliche
Quantität in meinem Logis liegen habe, weil es

noch
(B) 3

gebohrner Schwede, eben nicht allzu fein von Ge-
ſichte, doch jederzeit ſehr gefaͤllig gegen mich geweſen
war, unverhofft auf meine Kammer und traff mich
in der groͤſten Beſtuͤrtzung an, denn ich weinete eben
und die 3. Contraſaits, als meiner ſeel. Liebſte und
dieſer meiner beyden Kinder lagen vor mir auf dem
Tiſche. Jch gab meinem Aufwaͤrter ſo gleich Befehl,
ein und anderes herbey zu bringen, um dieſen jungen,
jedoch ſehr reichen Schwediſchen Kauffmann behoͤ-
rig zu bewirthen; mittlerweile wirfft dieſer ſeine Au-
gen auf die Contrafaits und fragte ſo gleich: Mein
Herr! was ſind das vor Bildniſſe? Dieſes erſte
ſagte ich, iſt meine ohnlaͤngſt verſtorbene Liebſte, die
andern beyde ſtellen meine 2. zuruͤck gelaſſenen Kin-
der vor. Jhr habt, gab der Schwede darauf, eine
ſehr ſchoͤne Frau gehabt, aber die Tochter iſt noch
weit ſchoͤner, wo befindet ſich dieſelbe? Voritzo, war
meine Antwort, in Stockholm bey meiner Be-
freundtin. Gluͤckſeelig iſt mein Vaterland, ſprach
er, eine ſolche ſeltene Schoͤne in ſich zu haben. Jhr
ſchertzet oder flattiret ſehr, mein Herr ſagte ich, denn
da ich 2. mahl in Schweden gewefen bin, ſo kan ver-
ſichern, daß ich weit ſchoͤnere Geſichter darinnen an-
getroffen habe. Hirauf lenckte ich den Diſcours auf
Handlungs-Affairen, der Schwede aber ſchien mir
auf einmahl gantz Melancholiſch zu werden, wel-
ches er dem getrunckenen Coffée Schuld gab, dero-
wegen ich ihm ein gut Glaß Wein vorſetzte. Er
trunck davon, ſagte aber: mein Herr ihr habt ei-
nen recht guten Wein, aber ſo gut iſt er doch nicht
als der Canari, von welcher Sorte ich eine ziemliche
Quantitaͤt in meinem Logis liegen habe, weil es

noch
(B) 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0029" n="21"/>
gebohrner Schwede, eben nicht allzu fein von Ge-<lb/>
&#x017F;ichte, doch jederzeit &#x017F;ehr gefa&#x0364;llig gegen mich gewe&#x017F;en<lb/>
war, unverhofft auf meine Kammer und traff mich<lb/>
in der gro&#x0364;&#x017F;ten Be&#x017F;tu&#x0364;rtzung an, denn ich weinete eben<lb/>
und die 3. <hi rendition="#aq">Contra&#x017F;aits,</hi> als meiner &#x017F;eel. Lieb&#x017F;te und<lb/>
die&#x017F;er meiner beyden Kinder lagen vor mir auf dem<lb/>
Ti&#x017F;che. Jch gab meinem Aufwa&#x0364;rter &#x017F;o gleich Befehl,<lb/>
ein und anderes herbey zu bringen, um die&#x017F;en jungen,<lb/>
jedoch &#x017F;ehr reichen Schwedi&#x017F;chen Kauffmann beho&#x0364;-<lb/>
rig zu bewirthen; mittlerweile wirfft die&#x017F;er &#x017F;eine Au-<lb/>
gen auf die <hi rendition="#aq">Contrafaits</hi> und fragte &#x017F;o gleich: Mein<lb/>
Herr! was &#x017F;ind das vor Bildni&#x017F;&#x017F;e? Die&#x017F;es er&#x017F;te<lb/>
&#x017F;agte ich, i&#x017F;t meine ohnla&#x0364;ng&#x017F;t ver&#x017F;torbene Lieb&#x017F;te, die<lb/>
andern beyde &#x017F;tellen meine 2. zuru&#x0364;ck gela&#x017F;&#x017F;enen Kin-<lb/>
der vor. Jhr habt, gab der Schwede darauf, eine<lb/>
&#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne Frau gehabt, aber die Tochter i&#x017F;t noch<lb/>
weit &#x017F;cho&#x0364;ner, wo befindet &#x017F;ich die&#x017F;elbe? Voritzo, war<lb/>
meine Antwort, in Stockholm bey meiner Be-<lb/>
freundtin. Glu&#x0364;ck&#x017F;eelig i&#x017F;t mein Vaterland, &#x017F;prach<lb/>
er, eine &#x017F;olche &#x017F;eltene Scho&#x0364;ne in &#x017F;ich zu haben. Jhr<lb/>
&#x017F;chertzet oder flattiret &#x017F;ehr, mein Herr &#x017F;agte ich, denn<lb/>
da ich 2. mahl in Schweden gewefen bin, &#x017F;o kan ver-<lb/>
&#x017F;ichern, daß ich weit &#x017F;cho&#x0364;nere Ge&#x017F;ichter darinnen an-<lb/>
getroffen habe. Hirauf lenckte ich den <hi rendition="#aq">Di&#x017F;cours</hi> auf<lb/>
Handlungs-Affairen, der Schwede aber &#x017F;chien mir<lb/>
auf einmahl gantz Melancholi&#x017F;ch zu werden, wel-<lb/>
ches er dem getrunckenen <hi rendition="#aq">Coffée</hi> Schuld gab, dero-<lb/>
wegen ich ihm ein gut Glaß Wein vor&#x017F;etzte. Er<lb/>
trunck davon, &#x017F;agte aber: mein Herr ihr habt ei-<lb/>
nen recht guten Wein, aber &#x017F;o gut i&#x017F;t er doch nicht<lb/>
als der <hi rendition="#aq">Canari,</hi> von welcher Sorte ich eine ziemliche<lb/>
Quantita&#x0364;t in meinem <hi rendition="#aq">Logis</hi> liegen habe, weil es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">(B) 3</fw><fw place="bottom" type="catch">noch</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0029] gebohrner Schwede, eben nicht allzu fein von Ge- ſichte, doch jederzeit ſehr gefaͤllig gegen mich geweſen war, unverhofft auf meine Kammer und traff mich in der groͤſten Beſtuͤrtzung an, denn ich weinete eben und die 3. Contraſaits, als meiner ſeel. Liebſte und dieſer meiner beyden Kinder lagen vor mir auf dem Tiſche. Jch gab meinem Aufwaͤrter ſo gleich Befehl, ein und anderes herbey zu bringen, um dieſen jungen, jedoch ſehr reichen Schwediſchen Kauffmann behoͤ- rig zu bewirthen; mittlerweile wirfft dieſer ſeine Au- gen auf die Contrafaits und fragte ſo gleich: Mein Herr! was ſind das vor Bildniſſe? Dieſes erſte ſagte ich, iſt meine ohnlaͤngſt verſtorbene Liebſte, die andern beyde ſtellen meine 2. zuruͤck gelaſſenen Kin- der vor. Jhr habt, gab der Schwede darauf, eine ſehr ſchoͤne Frau gehabt, aber die Tochter iſt noch weit ſchoͤner, wo befindet ſich dieſelbe? Voritzo, war meine Antwort, in Stockholm bey meiner Be- freundtin. Gluͤckſeelig iſt mein Vaterland, ſprach er, eine ſolche ſeltene Schoͤne in ſich zu haben. Jhr ſchertzet oder flattiret ſehr, mein Herr ſagte ich, denn da ich 2. mahl in Schweden gewefen bin, ſo kan ver- ſichern, daß ich weit ſchoͤnere Geſichter darinnen an- getroffen habe. Hirauf lenckte ich den Diſcours auf Handlungs-Affairen, der Schwede aber ſchien mir auf einmahl gantz Melancholiſch zu werden, wel- ches er dem getrunckenen Coffée Schuld gab, dero- wegen ich ihm ein gut Glaß Wein vorſetzte. Er trunck davon, ſagte aber: mein Herr ihr habt ei- nen recht guten Wein, aber ſo gut iſt er doch nicht als der Canari, von welcher Sorte ich eine ziemliche Quantitaͤt in meinem Logis liegen habe, weil es noch (B) 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/29
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/29>, abgerufen am 24.11.2024.