über die Wangen lieffen, wischete ich ihr dieselben mit einem Tuche sanffte ab, wurde zwar bey die- ser Arbeit selbsten sehr wehmüthig, wuste aber nicht, wo ich auf eimahl die Courage her bekam, ihr einen derben Kuß auf den Mund zu drücken, wo- rüber sie auffuhr, und sagte: Verwegener! was soll das bedeuten? Jch war gleich mit der Antwort fer- tig, und betheurete sehr: daß es nicht aus Geilheit und Unzucht, sondern vielmehr aus Wehmuth und reiner Liebe geschehen wäre, könte aber anbey nicht läugnen, daß, wenn sie ja mit ihrem ersten Manne nicht wieder vereiniget, sondern von ihm geschieden werden solte, ich mir auf dieser Welt kein grösser Vergnügen wünschen wolte, als mit ihr vereheli- get, und so wohl dem Dostart als allen andern Manns-Personen vorgezogen zu werden, wie ich denn schon so viel Mittel zusammen zu bringen ge- dächte, einen honorablen Dienst, wenn es auch gleich ausser unserm Vaterlande wäre, zu erlangen und sie reputirlich zu ernähren. Sie schwieg hie- rauf eine lange Weile stille, da ich aber endlich ihre Hand küssete und fragte, ob sie mich denn hierauf gar keiner Antwort würdigen wolte? ermunterte sie sich, und gab mir diese: Mons. van Blac, in meinem itzigen Zustande, da ich mich noch vor eine Verehligte halten muß, wäre es eine grosse Leichtfertigkeit von mir, wenn ich mich mit euch oder jemand anders in verbothene Vertrau- lichkeit oder zum voraus in ein geheimes Liebes- Verständnißeinlassen wolte; seyd demnach damit zufrieden, wenn ich euch so viel verspreche, daß, woserne ich von meinem ungetreuen Ehe-Manne
nicht
uͤber die Wangen lieffen, wiſchete ich ihr dieſelben mit einem Tuche ſanffte ab, wurde zwar bey die- ſer Arbeit ſelbſten ſehr wehmuͤthig, wuſte aber nicht, wo ich auf eimahl die Courage her bekam, ihr einen derben Kuß auf den Mund zu druͤcken, wo- ruͤber ſie auffuhr, und ſagte: Verwegener! was ſoll das bedeuten? Jch war gleich mit der Antwort fer- tig, und betheurete ſehr: daß es nicht aus Geilheit und Unzucht, ſondern vielmehr aus Wehmuth und reiner Liebe geſchehen waͤre, koͤnte aber anbey nicht laͤugnen, daß, wenn ſie ja mit ihrem erſten Manne nicht wieder vereiniget, ſondern von ihm geſchieden werden ſolte, ich mir auf dieſer Welt kein groͤſſer Vergnuͤgen wuͤnſchen wolte, als mit ihr vereheli- get, und ſo wohl dem Doſtart als allen andern Manns-Perſonen vorgezogen zu werden, wie ich denn ſchon ſo viel Mittel zuſammen zu bringen ge- daͤchte, einen honorablen Dienſt, wenn es auch gleich auſſer unſerm Vaterlande waͤre, zu erlangen und ſie reputirlich zu ernaͤhren. Sie ſchwieg hie- rauf eine lange Weile ſtille, da ich aber endlich ihre Hand kuͤſſete und fragte, ob ſie mich denn hierauf gar keiner Antwort wuͤrdigen wolte? ermunterte ſie ſich, und gab mir dieſe: Monſ. van Blac, in meinem itzigen Zuſtande, da ich mich noch vor eine Verehligte halten muß, waͤre es eine groſſe Leichtfertigkeit von mir, wenn ich mich mit euch oder jemand anders in verbothene Vertrau- lichkeit oder zum voraus in ein geheimes Liebes- Verſtaͤndnißeinlaſſen wolte; ſeyd demnach damit zufrieden, wenn ich euch ſo viel verſpreche, daß, woſerne ich von meinem ungetreuen Ehe-Manne
nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0196"n="188"/>
uͤber die Wangen lieffen, wiſchete ich ihr dieſelben<lb/>
mit einem Tuche ſanffte ab, wurde zwar bey die-<lb/>ſer Arbeit ſelbſten ſehr wehmuͤthig, wuſte aber nicht,<lb/>
wo ich auf eimahl die <hirendition="#aq">Courage</hi> her bekam, ihr<lb/>
einen derben Kuß auf den Mund zu druͤcken, wo-<lb/>
ruͤber ſie auffuhr, und ſagte: Verwegener! was ſoll<lb/>
das bedeuten? Jch war gleich mit der Antwort fer-<lb/>
tig, und betheurete ſehr: daß es nicht aus Geilheit<lb/>
und Unzucht, ſondern vielmehr aus Wehmuth und<lb/>
reiner Liebe geſchehen waͤre, koͤnte aber anbey nicht<lb/>
laͤugnen, daß, wenn ſie ja mit ihrem erſten Manne<lb/>
nicht wieder vereiniget, ſondern von ihm geſchieden<lb/>
werden ſolte, ich mir auf dieſer Welt kein groͤſſer<lb/>
Vergnuͤgen wuͤnſchen wolte, als mit ihr vereheli-<lb/>
get, und ſo wohl dem <hirendition="#aq">Doſtart</hi> als allen andern<lb/>
Manns-Perſonen vorgezogen zu werden, wie ich<lb/>
denn ſchon ſo viel Mittel zuſammen zu bringen ge-<lb/>
daͤchte, einen <hirendition="#aq">honorabl</hi>en Dienſt, wenn es auch<lb/>
gleich auſſer unſerm Vaterlande waͤre, zu erlangen<lb/>
und ſie <hirendition="#aq">reputir</hi>lich zu ernaͤhren. Sie ſchwieg hie-<lb/>
rauf eine lange Weile ſtille, da ich aber endlich ihre<lb/>
Hand kuͤſſete und fragte, ob ſie mich denn hierauf<lb/>
gar keiner Antwort wuͤrdigen wolte? ermunterte<lb/>ſie ſich, und gab mir dieſe: <hirendition="#aq">Monſ. van Blac,</hi> in<lb/>
meinem itzigen Zuſtande, da ich mich noch vor<lb/>
eine Verehligte halten muß, waͤre es eine groſſe<lb/>
Leichtfertigkeit von mir, wenn ich mich mit euch<lb/>
oder jemand anders in verbothene Vertrau-<lb/>
lichkeit oder zum voraus in ein geheimes Liebes-<lb/>
Verſtaͤndnißeinlaſſen wolte; ſeyd demnach damit<lb/>
zufrieden, wenn ich euch ſo viel verſpreche, daß,<lb/>
woſerne ich von meinem ungetreuen Ehe-Manne<lb/><fwplace="bottom"type="catch">nicht</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[188/0196]
uͤber die Wangen lieffen, wiſchete ich ihr dieſelben
mit einem Tuche ſanffte ab, wurde zwar bey die-
ſer Arbeit ſelbſten ſehr wehmuͤthig, wuſte aber nicht,
wo ich auf eimahl die Courage her bekam, ihr
einen derben Kuß auf den Mund zu druͤcken, wo-
ruͤber ſie auffuhr, und ſagte: Verwegener! was ſoll
das bedeuten? Jch war gleich mit der Antwort fer-
tig, und betheurete ſehr: daß es nicht aus Geilheit
und Unzucht, ſondern vielmehr aus Wehmuth und
reiner Liebe geſchehen waͤre, koͤnte aber anbey nicht
laͤugnen, daß, wenn ſie ja mit ihrem erſten Manne
nicht wieder vereiniget, ſondern von ihm geſchieden
werden ſolte, ich mir auf dieſer Welt kein groͤſſer
Vergnuͤgen wuͤnſchen wolte, als mit ihr vereheli-
get, und ſo wohl dem Doſtart als allen andern
Manns-Perſonen vorgezogen zu werden, wie ich
denn ſchon ſo viel Mittel zuſammen zu bringen ge-
daͤchte, einen honorablen Dienſt, wenn es auch
gleich auſſer unſerm Vaterlande waͤre, zu erlangen
und ſie reputirlich zu ernaͤhren. Sie ſchwieg hie-
rauf eine lange Weile ſtille, da ich aber endlich ihre
Hand kuͤſſete und fragte, ob ſie mich denn hierauf
gar keiner Antwort wuͤrdigen wolte? ermunterte
ſie ſich, und gab mir dieſe: Monſ. van Blac, in
meinem itzigen Zuſtande, da ich mich noch vor
eine Verehligte halten muß, waͤre es eine groſſe
Leichtfertigkeit von mir, wenn ich mich mit euch
oder jemand anders in verbothene Vertrau-
lichkeit oder zum voraus in ein geheimes Liebes-
Verſtaͤndnißeinlaſſen wolte; ſeyd demnach damit
zufrieden, wenn ich euch ſo viel verſpreche, daß,
woſerne ich von meinem ungetreuen Ehe-Manne
nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/196>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.