zu werden. Jch wuste vor Erschrecken keine Ant- wort zu geben, der Verschnittene aber mochte glau- ben, daß ich wegen der besondern Ehre und Gnade dergestalt bestürtzt wäre, ging also ohngesäumt sei- ner Wege.
Habe ich es nicht gesagt, sprach die Französin, daß es seine Richtigkeit hätte, und also kommen wür- de? Jhr seyd glücklicher als ich, denn ich habe viel länger auf diese Gnade warten müssen. Verflucht ist diese Gnade, war meine Antwort, und ehe ich mich darzu bequeme, soll, noch ehe man mich aus diesen Zimmer bringt, ein Messer in meinem Her- tzen stecken. O! schrye die Französin, wer wolte so wunderlich seyn in der Welt, es ersodert der Menschen Schuldigkeit, sich in ihr Verhängniß schicken zu lernen. Was sich nicht will än- dern lassen, muß man mit Gedult umfassen. Einmahl vor allemahl haben wir, so lange dieser alte Kayser lebt, keine Erlösung zu hoffen, denn er ist viel zu eigensinnig, daß er eine von seinen Kebs- Weibern in Freyheit stellete, und warum solte ich nicht mich überwinden können, binnen 6. 8. oder wohl mehr Monaten, einmahl bey einem solchen alten Manne zu liegen, welcher nicht einmahl mehr thun kan, was er gerne will.
Jch hörte aus diesen und noch mehr andern Worten, welche ich mich zu sagen schäme, nur all- zuwohl, weß Geistes Kind diese Franzöfische Dame, und daß sie gar keine Kost-Verächterin wäre, es möchte gleich Christe, Heyde, Jude oder Türcke über sie kommen, denn sie hatte den guten Glau- ben, daß alle solche Leute ebenfalls Menschen wä- ren wie wir.
Jn-
zu werden. Jch wuſte vor Erſchrecken keine Ant- wort zu geben, der Verſchnittene aber mochte glau- ben, daß ich wegen der beſondern Ehre und Gnade dergeſtalt beſtuͤrtzt waͤre, ging alſo ohngeſaͤumt ſei- ner Wege.
Habe ich es nicht geſagt, ſprach die Franzoͤſin, daß es ſeine Richtigkeit haͤtte, und alſo kom̃en wuͤr- de? Jhr ſeyd gluͤcklicher als ich, denn ich habe viel laͤnger auf dieſe Gnade warten muͤſſen. Verflucht iſt dieſe Gnade, war meine Antwort, und ehe ich mich darzu bequeme, ſoll, noch ehe man mich aus dieſen Zimmer bringt, ein Meſſer in meinem Her- tzen ſtecken. O! ſchrye die Franzoͤſin, wer wolte ſo wunderlich ſeyn in der Welt, es erſodert der Menſchen Schuldigkeit, ſich in ihr Verhaͤngniß ſchicken zu lernen. Was ſich nicht will aͤn- dern laſſen, muß man mit Gedult umfaſſen. Einmahl vor allemahl haben wir, ſo lange dieſer alte Kayſer lebt, keine Erloͤſung zu hoffen, denn er iſt viel zu eigenſinnig, daß er eine von ſeinen Kebs- Weibern in Freyheit ſtellete, und warum ſolte ich nicht mich uͤberwinden koͤnnen, binnen 6. 8. oder wohl mehr Monaten, einmahl bey einem ſolchen alten Manne zu liegen, welcher nicht einmahl mehr thun kan, was er gerne will.
Jch hoͤrte aus dieſen und noch mehr andern Worten, welche ich mich zu ſagen ſchaͤme, nur all- zuwohl, weß Geiſtes Kind dieſe Franzoͤfiſche Dame, und daß ſie gar keine Koſt-Veraͤchterin waͤre, es moͤchte gleich Chriſte, Heyde, Jude oder Tuͤrcke uͤber ſie kommen, denn ſie hatte den guten Glau- ben, daß alle ſolche Leute ebenfalls Menſchen waͤ- ren wie wir.
Jn-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0172"n="164"/>
zu werden. Jch wuſte vor Erſchrecken keine Ant-<lb/>
wort zu geben, der Verſchnittene aber mochte glau-<lb/>
ben, daß ich wegen der beſondern Ehre und Gnade<lb/>
dergeſtalt beſtuͤrtzt waͤre, ging alſo ohngeſaͤumt ſei-<lb/>
ner Wege.</p><lb/><p>Habe ich es nicht geſagt, ſprach die Franzoͤſin,<lb/>
daß es ſeine Richtigkeit haͤtte, und alſo kom̃en wuͤr-<lb/>
de? Jhr ſeyd gluͤcklicher als ich, denn ich habe viel<lb/>
laͤnger auf dieſe Gnade warten muͤſſen. Verflucht<lb/>
iſt dieſe Gnade, war meine Antwort, und ehe ich<lb/>
mich darzu bequeme, ſoll, noch ehe man mich aus<lb/>
dieſen Zimmer bringt, ein Meſſer in meinem Her-<lb/>
tzen ſtecken. O! ſchrye die Franzoͤſin, wer wolte<lb/>ſo wunderlich ſeyn in der Welt, es erſodert der<lb/>
Menſchen Schuldigkeit, ſich in ihr Verhaͤngniß<lb/>ſchicken zu lernen. <hirendition="#fr">Was ſich nicht will aͤn-<lb/>
dern laſſen, muß man mit Gedult umfaſſen.</hi><lb/>
Einmahl vor allemahl haben wir, ſo lange dieſer<lb/>
alte Kayſer lebt, keine Erloͤſung zu hoffen, denn er<lb/>
iſt viel zu eigenſinnig, daß er eine von ſeinen Kebs-<lb/>
Weibern in Freyheit ſtellete, und warum ſolte ich<lb/>
nicht mich uͤberwinden koͤnnen, binnen 6. 8. oder<lb/>
wohl mehr Monaten, einmahl bey einem ſolchen<lb/>
alten Manne zu liegen, welcher nicht einmahl mehr<lb/>
thun kan, was er gerne will.</p><lb/><p>Jch hoͤrte aus dieſen und noch mehr andern<lb/>
Worten, welche ich mich zu ſagen ſchaͤme, nur all-<lb/>
zuwohl, weß Geiſtes Kind dieſe Franzoͤfiſche <hirendition="#aq">Dame,</hi><lb/>
und daß ſie gar keine Koſt-Veraͤchterin waͤre, es<lb/>
moͤchte gleich Chriſte, Heyde, Jude oder Tuͤrcke<lb/>
uͤber ſie kommen, denn ſie hatte den guten Glau-<lb/>
ben, daß alle ſolche Leute ebenfalls Menſchen waͤ-<lb/>
ren wie wir.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Jn-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[164/0172]
zu werden. Jch wuſte vor Erſchrecken keine Ant-
wort zu geben, der Verſchnittene aber mochte glau-
ben, daß ich wegen der beſondern Ehre und Gnade
dergeſtalt beſtuͤrtzt waͤre, ging alſo ohngeſaͤumt ſei-
ner Wege.
Habe ich es nicht geſagt, ſprach die Franzoͤſin,
daß es ſeine Richtigkeit haͤtte, und alſo kom̃en wuͤr-
de? Jhr ſeyd gluͤcklicher als ich, denn ich habe viel
laͤnger auf dieſe Gnade warten muͤſſen. Verflucht
iſt dieſe Gnade, war meine Antwort, und ehe ich
mich darzu bequeme, ſoll, noch ehe man mich aus
dieſen Zimmer bringt, ein Meſſer in meinem Her-
tzen ſtecken. O! ſchrye die Franzoͤſin, wer wolte
ſo wunderlich ſeyn in der Welt, es erſodert der
Menſchen Schuldigkeit, ſich in ihr Verhaͤngniß
ſchicken zu lernen. Was ſich nicht will aͤn-
dern laſſen, muß man mit Gedult umfaſſen.
Einmahl vor allemahl haben wir, ſo lange dieſer
alte Kayſer lebt, keine Erloͤſung zu hoffen, denn er
iſt viel zu eigenſinnig, daß er eine von ſeinen Kebs-
Weibern in Freyheit ſtellete, und warum ſolte ich
nicht mich uͤberwinden koͤnnen, binnen 6. 8. oder
wohl mehr Monaten, einmahl bey einem ſolchen
alten Manne zu liegen, welcher nicht einmahl mehr
thun kan, was er gerne will.
Jch hoͤrte aus dieſen und noch mehr andern
Worten, welche ich mich zu ſagen ſchaͤme, nur all-
zuwohl, weß Geiſtes Kind dieſe Franzoͤfiſche Dame,
und daß ſie gar keine Koſt-Veraͤchterin waͤre, es
moͤchte gleich Chriſte, Heyde, Jude oder Tuͤrcke
uͤber ſie kommen, denn ſie hatte den guten Glau-
ben, daß alle ſolche Leute ebenfalls Menſchen waͤ-
ren wie wir.
Jn-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/172>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.