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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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etliche Wochen hinaus geschoben, mein Bräutigam
hatte öffters Gelegenheit, etliche Stunden gantz al-
leine bey mir zu seyn, derowegen begunte er immer
dreuster zu werden, muthete mir auch solche Dinge
zu, von welchen ich zu der Zeit noch gantz und gar
keine Wissenschafft hatte. Wenn ich ihm nun die-
serwegen eine eintzige scheele Mine machte, kam er
zuweilen in 8. Tagen nicht wieder, so lange biß ihm
etwa der Rummel vergangen war, hernach stellete
er sich aber desto freundlicher, that jedoch immer
neue Ansuchung, ihm seinen lasterhafften Willen zu
erfüllen, welches jedoch von mir durchaus nicht
zu erlangen war, denn bey so gestalten Sachen
kehrete ich mich wenig an sein Kommen und Hinweg-
gehen, hätte auch fast lieber gesehen, er wäre gar
nicht wieder gekommen. Mittlerweile nahete un-
ser bestimmter Hochzeit-Tag heran, mein Bräuti-
gam war 8. Tage, seinem Sagen nach, verreiset ge-
wesen, kam aber des zweyten Abends vorhero wie-
der zu Hause, und in meines Vaters Hauß, da
eben mein Vater ein paar gute Freunde bey sich hat-
te, und mit ihnen in der Charte spielete. Nachdem
mich nun mein Schatz, vielleicht aus falschen Her-
tzen, ein wenig becomplimentiret, ließ er sich mit
ins Spiel ein, bath sich aber aus, daß ich auch ne-
ben ihn sitzen, und seine Cassa sühren möchte. Auf
Besehl meines Vaters gehorsamete ich, er spielete
biß ohngefähr halb 12. Uhr mit Lust, hernach zohe
er seine Uhr heraus, wurde auf einmahl verdrüßlich,
und sagte, daß es nunmehro Zeit wäre, nach Hause
zu gehen, indem er sehr müde von der Reise sey.
Jch vermerckte, daß er mit der Uhr ein Billet her-

aus

etliche Wochen hinaus geſchoben, mein Braͤutigam
hatte oͤffters Gelegenheit, etliche Stunden gantz al-
leine bey mir zu ſeyn, derowegen begunte er immer
dreuſter zu werden, muthete mir auch ſolche Dinge
zu, von welchen ich zu der Zeit noch gantz und gar
keine Wiſſenſchafft hatte. Wenn ich ihm nun die-
ſerwegen eine eintzige ſcheele Mine machte, kam er
zuweilen in 8. Tagen nicht wieder, ſo lange biß ihm
etwa der Rummel vergangen war, hernach ſtellete
er ſich aber deſto freundlicher, that jedoch immer
neue Anſuchung, ihm ſeinen laſterhafften Willen zu
erfuͤllen, welches jedoch von mir durchaus nicht
zu erlangen war, denn bey ſo geſtalten Sachen
kehrete ich mich wenig an ſein Kommen und Hinweg-
gehen, haͤtte auch faſt lieber geſehen, er waͤre gar
nicht wieder gekommen. Mittlerweile nahete un-
ſer beſtimmter Hochzeit-Tag heran, mein Braͤuti-
gam war 8. Tage, ſeinem Sagen nach, verreiſet ge-
weſen, kam aber des zweyten Abends vorhero wie-
der zu Hauſe, und in meines Vaters Hauß, da
eben mein Vater ein paar gute Freunde bey ſich hat-
te, und mit ihnen in der Charte ſpielete. Nachdem
mich nun mein Schatz, vielleicht aus falſchen Her-
tzen, ein wenig becomplimentiret, ließ er ſich mit
ins Spiel ein, bath ſich aber aus, daß ich auch ne-
ben ihn ſitzen, und ſeine Caſſa ſuͤhren moͤchte. Auf
Beſehl meines Vaters gehorſamete ich, er ſpielete
biß ohngefaͤhr halb 12. Uhr mit Luſt, hernach zohe
er ſeine Uhr heraus, wurde auf einmahl verdruͤßlich,
und ſagte, daß es nunmehro Zeit waͤre, nach Hauſe
zu gehen, indem er ſehr muͤde von der Reiſe ſey.
Jch vermerckte, daß er mit der Uhr ein Billet her-

aus
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[154/0162] etliche Wochen hinaus geſchoben, mein Braͤutigam hatte oͤffters Gelegenheit, etliche Stunden gantz al- leine bey mir zu ſeyn, derowegen begunte er immer dreuſter zu werden, muthete mir auch ſolche Dinge zu, von welchen ich zu der Zeit noch gantz und gar keine Wiſſenſchafft hatte. Wenn ich ihm nun die- ſerwegen eine eintzige ſcheele Mine machte, kam er zuweilen in 8. Tagen nicht wieder, ſo lange biß ihm etwa der Rummel vergangen war, hernach ſtellete er ſich aber deſto freundlicher, that jedoch immer neue Anſuchung, ihm ſeinen laſterhafften Willen zu erfuͤllen, welches jedoch von mir durchaus nicht zu erlangen war, denn bey ſo geſtalten Sachen kehrete ich mich wenig an ſein Kommen und Hinweg- gehen, haͤtte auch faſt lieber geſehen, er waͤre gar nicht wieder gekommen. Mittlerweile nahete un- ſer beſtimmter Hochzeit-Tag heran, mein Braͤuti- gam war 8. Tage, ſeinem Sagen nach, verreiſet ge- weſen, kam aber des zweyten Abends vorhero wie- der zu Hauſe, und in meines Vaters Hauß, da eben mein Vater ein paar gute Freunde bey ſich hat- te, und mit ihnen in der Charte ſpielete. Nachdem mich nun mein Schatz, vielleicht aus falſchen Her- tzen, ein wenig becomplimentiret, ließ er ſich mit ins Spiel ein, bath ſich aber aus, daß ich auch ne- ben ihn ſitzen, und ſeine Caſſa ſuͤhren moͤchte. Auf Beſehl meines Vaters gehorſamete ich, er ſpielete biß ohngefaͤhr halb 12. Uhr mit Luſt, hernach zohe er ſeine Uhr heraus, wurde auf einmahl verdruͤßlich, und ſagte, daß es nunmehro Zeit waͤre, nach Hauſe zu gehen, indem er ſehr muͤde von der Reiſe ſey. Jch vermerckte, daß er mit der Uhr ein Billet her- aus

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/162>, abgerufen am 24.11.2024.