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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Jch küssete ihr hierauf die Hand, verschloß das
Cabinet, und legte mich haussen in der Stube hin-
ter einer Spanischen Wand auf meinem Bette auch
ein wenig zur Ruhe. Allein, an statt des Schlaffs
stiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn
ich gedachte: Wenn der eigensinnige Mann in Leu-
warden
seine Frau nicht wieder haben wolte, solte
das nicht ein schönes Fütterchen vor mich werden
können, denn sie war in Wahrheit ein umgemein
schönes Bild, und mit Recht eine von den allerschön-
sten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich
mich denn gleich anfänglich, so bald ihr Portrait
empfing, noch mehr aber, da ich das Original selbst
sahe, sterblich in sie verliebte, allein, ihre strenge
Tugend, Gottesfurcht und Frömmigkeit, nebst
unsern gefährlichen Umständen, hatten mich bißhero
beständig abgehalten, das geringste von dem, in
meiner Brust verborgenen Feuer mercken zu lassen,
hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der sittsamsten
Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da sie,
seit unserer erstern Bekanntschafft und Umgangs an,
nicht die geringste geile oder leichtfertige Mine, son-
dern die grösten Zeichen der Keuschheit von sich bli-
cken lassrn, so ahmete ich ihr in allen Stücken nach,
und unterdrückte die mir zuweilen aufsteigenden
Affecten, nicht so wohl aus Blödigkeit, sondern
vielmehr aus besonderer Hochachtung vor eine sol-
che tugendhaffte Seele, welches mich denn in sol-
chen Credit bey ihr setzte, daß sie öffters, jedoch in
ihren Kleidern, wie schon in Mequinez im Juden-
Hause geschehen, gantz ruhig und sicher an meiner
Seite schlieff. Dieses alles, wie schon gemeldet,

kam

Jch kuͤſſete ihr hierauf die Hand, verſchloß das
Cabinet, und legte mich hauſſen in der Stube hin-
ter einer Spaniſchen Wand auf meinem Bette auch
ein wenig zur Ruhe. Allein, an ſtatt des Schlaffs
ſtiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn
ich gedachte: Wenn der eigenſinnige Mann in Leu-
warden
ſeine Frau nicht wieder haben wolte, ſolte
das nicht ein ſchoͤnes Fuͤtterchen vor mich werden
koͤnnen, denn ſie war in Wahrheit ein umgemein
ſchoͤnes Bild, und mit Recht eine von den allerſchoͤn-
ſten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich
mich denn gleich anfaͤnglich, ſo bald ihr Portrait
empfing, noch mehr aber, da ich das Original ſelbſt
ſahe, ſterblich in ſie verliebte, allein, ihre ſtrenge
Tugend, Gottesfurcht und Froͤmmigkeit, nebſt
unſern gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, hatten mich bißhero
beſtaͤndig abgehalten, das geringſte von dem, in
meiner Bruſt verborgenen Feuer mercken zu laſſen,
hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der ſittſamſten
Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da ſie,
ſeit unſerer erſtern Bekanntſchafft und Umgangs an,
nicht die geringſte geile oder leichtfertige Mine, ſon-
dern die groͤſten Zeichen der Keuſchheit von ſich bli-
cken laſſrn, ſo ahmete ich ihr in allen Stuͤcken nach,
und unterdruͤckte die mir zuweilen aufſteigenden
Affecten, nicht ſo wohl aus Bloͤdigkeit, ſondern
vielmehr aus beſonderer Hochachtung vor eine ſol-
che tugendhaffte Seele, welches mich denn in ſol-
chen Credit bey ihr ſetzte, daß ſie oͤffters, jedoch in
ihren Kleidern, wie ſchon in Mequinez im Juden-
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Seite ſchlieff. Dieſes alles, wie ſchon gemeldet,

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[143/0151] Jch kuͤſſete ihr hierauf die Hand, verſchloß das Cabinet, und legte mich hauſſen in der Stube hin- ter einer Spaniſchen Wand auf meinem Bette auch ein wenig zur Ruhe. Allein, an ſtatt des Schlaffs ſtiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn ich gedachte: Wenn der eigenſinnige Mann in Leu- warden ſeine Frau nicht wieder haben wolte, ſolte das nicht ein ſchoͤnes Fuͤtterchen vor mich werden koͤnnen, denn ſie war in Wahrheit ein umgemein ſchoͤnes Bild, und mit Recht eine von den allerſchoͤn- ſten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich mich denn gleich anfaͤnglich, ſo bald ihr Portrait empfing, noch mehr aber, da ich das Original ſelbſt ſahe, ſterblich in ſie verliebte, allein, ihre ſtrenge Tugend, Gottesfurcht und Froͤmmigkeit, nebſt unſern gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, hatten mich bißhero beſtaͤndig abgehalten, das geringſte von dem, in meiner Bruſt verborgenen Feuer mercken zu laſſen, hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der ſittſamſten Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da ſie, ſeit unſerer erſtern Bekanntſchafft und Umgangs an, nicht die geringſte geile oder leichtfertige Mine, ſon- dern die groͤſten Zeichen der Keuſchheit von ſich bli- cken laſſrn, ſo ahmete ich ihr in allen Stuͤcken nach, und unterdruͤckte die mir zuweilen aufſteigenden Affecten, nicht ſo wohl aus Bloͤdigkeit, ſondern vielmehr aus beſonderer Hochachtung vor eine ſol- che tugendhaffte Seele, welches mich denn in ſol- chen Credit bey ihr ſetzte, daß ſie oͤffters, jedoch in ihren Kleidern, wie ſchon in Mequinez im Juden- Hauſe geſchehen, gantz ruhig und ſicher an meiner Seite ſchlieff. Dieſes alles, wie ſchon gemeldet, kam

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/151>, abgerufen am 25.11.2024.