Jch küssete ihr hierauf die Hand, verschloß das Cabinet, und legte mich haussen in der Stube hin- ter einer Spanischen Wand auf meinem Bette auch ein wenig zur Ruhe. Allein, an statt des Schlaffs stiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn ich gedachte: Wenn der eigensinnige Mann in Leu- warden seine Frau nicht wieder haben wolte, solte das nicht ein schönes Fütterchen vor mich werden können, denn sie war in Wahrheit ein umgemein schönes Bild, und mit Recht eine von den allerschön- sten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich mich denn gleich anfänglich, so bald ihr Portrait empfing, noch mehr aber, da ich das Original selbst sahe, sterblich in sie verliebte, allein, ihre strenge Tugend, Gottesfurcht und Frömmigkeit, nebst unsern gefährlichen Umständen, hatten mich bißhero beständig abgehalten, das geringste von dem, in meiner Brust verborgenen Feuer mercken zu lassen, hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der sittsamsten Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da sie, seit unserer erstern Bekanntschafft und Umgangs an, nicht die geringste geile oder leichtfertige Mine, son- dern die grösten Zeichen der Keuschheit von sich bli- cken lassrn, so ahmete ich ihr in allen Stücken nach, und unterdrückte die mir zuweilen aufsteigenden Affecten, nicht so wohl aus Blödigkeit, sondern vielmehr aus besonderer Hochachtung vor eine sol- che tugendhaffte Seele, welches mich denn in sol- chen Credit bey ihr setzte, daß sie öffters, jedoch in ihren Kleidern, wie schon in Mequinez im Juden- Hause geschehen, gantz ruhig und sicher an meiner Seite schlieff. Dieses alles, wie schon gemeldet,
kam
Jch kuͤſſete ihr hierauf die Hand, verſchloß das Cabinet, und legte mich hauſſen in der Stube hin- ter einer Spaniſchen Wand auf meinem Bette auch ein wenig zur Ruhe. Allein, an ſtatt des Schlaffs ſtiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn ich gedachte: Wenn der eigenſinnige Mann in Leu- warden ſeine Frau nicht wieder haben wolte, ſolte das nicht ein ſchoͤnes Fuͤtterchen vor mich werden koͤnnen, denn ſie war in Wahrheit ein umgemein ſchoͤnes Bild, und mit Recht eine von den allerſchoͤn- ſten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich mich denn gleich anfaͤnglich, ſo bald ihr Portrait empfing, noch mehr aber, da ich das Original ſelbſt ſahe, ſterblich in ſie verliebte, allein, ihre ſtrenge Tugend, Gottesfurcht und Froͤmmigkeit, nebſt unſern gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, hatten mich bißhero beſtaͤndig abgehalten, das geringſte von dem, in meiner Bruſt verborgenen Feuer mercken zu laſſen, hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der ſittſamſten Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da ſie, ſeit unſerer erſtern Bekanntſchafft und Umgangs an, nicht die geringſte geile oder leichtfertige Mine, ſon- dern die groͤſten Zeichen der Keuſchheit von ſich bli- cken laſſrn, ſo ahmete ich ihr in allen Stuͤcken nach, und unterdruͤckte die mir zuweilen aufſteigenden Affecten, nicht ſo wohl aus Bloͤdigkeit, ſondern vielmehr aus beſonderer Hochachtung vor eine ſol- che tugendhaffte Seele, welches mich denn in ſol- chen Credit bey ihr ſetzte, daß ſie oͤffters, jedoch in ihren Kleidern, wie ſchon in Mequinez im Juden- Hauſe geſchehen, gantz ruhig und ſicher an meiner Seite ſchlieff. Dieſes alles, wie ſchon gemeldet,
kam
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0151"n="143"/><p>Jch kuͤſſete ihr hierauf die Hand, verſchloß das<lb/>
Cabinet, und legte mich hauſſen in der Stube hin-<lb/>
ter einer Spaniſchen Wand auf meinem Bette auch<lb/>
ein wenig zur Ruhe. Allein, an ſtatt des Schlaffs<lb/>ſtiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn<lb/>
ich gedachte: Wenn der eigenſinnige Mann in <hirendition="#aq">Leu-<lb/>
warden</hi>ſeine Frau nicht wieder haben wolte, ſolte<lb/>
das nicht ein ſchoͤnes Fuͤtterchen vor mich werden<lb/>
koͤnnen, denn ſie war in Wahrheit ein umgemein<lb/>ſchoͤnes Bild, und mit Recht eine von den allerſchoͤn-<lb/>ſten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich<lb/>
mich denn gleich anfaͤnglich, ſo bald ihr <hirendition="#aq">Portrait</hi><lb/>
empfing, noch mehr aber, da ich das <hirendition="#aq">Original</hi>ſelbſt<lb/>ſahe, ſterblich in ſie verliebte, allein, ihre ſtrenge<lb/>
Tugend, Gottesfurcht und Froͤmmigkeit, nebſt<lb/>
unſern gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, hatten mich bißhero<lb/>
beſtaͤndig abgehalten, das geringſte von dem, in<lb/>
meiner Bruſt verborgenen Feuer mercken zu laſſen,<lb/>
hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der ſittſamſten<lb/>
Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da ſie,<lb/>ſeit unſerer erſtern Bekanntſchafft und Umgangs an,<lb/>
nicht die geringſte geile oder leichtfertige Mine, ſon-<lb/>
dern die groͤſten Zeichen der Keuſchheit von ſich bli-<lb/>
cken laſſrn, ſo ahmete ich ihr in allen Stuͤcken nach,<lb/>
und unterdruͤckte die mir zuweilen aufſteigenden<lb/><hirendition="#aq">Affect</hi>en, nicht ſo wohl aus Bloͤdigkeit, ſondern<lb/>
vielmehr aus beſonderer Hochachtung vor eine ſol-<lb/>
che tugendhaffte Seele, welches mich denn in ſol-<lb/>
chen <hirendition="#aq">Credit</hi> bey ihr ſetzte, daß ſie oͤffters, jedoch in<lb/>
ihren Kleidern, wie ſchon in <hirendition="#aq">Mequinez</hi> im Juden-<lb/>
Hauſe geſchehen, gantz ruhig und ſicher an meiner<lb/>
Seite ſchlieff. Dieſes alles, wie ſchon gemeldet,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">kam</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[143/0151]
Jch kuͤſſete ihr hierauf die Hand, verſchloß das
Cabinet, und legte mich hauſſen in der Stube hin-
ter einer Spaniſchen Wand auf meinem Bette auch
ein wenig zur Ruhe. Allein, an ſtatt des Schlaffs
ſtiegen mir allerhand Gedancken in den Kopff, denn
ich gedachte: Wenn der eigenſinnige Mann in Leu-
warden ſeine Frau nicht wieder haben wolte, ſolte
das nicht ein ſchoͤnes Fuͤtterchen vor mich werden
koͤnnen, denn ſie war in Wahrheit ein umgemein
ſchoͤnes Bild, und mit Recht eine von den allerſchoͤn-
ſten Frauen in gantz Holland zu nennen, wie ich
mich denn gleich anfaͤnglich, ſo bald ihr Portrait
empfing, noch mehr aber, da ich das Original ſelbſt
ſahe, ſterblich in ſie verliebte, allein, ihre ſtrenge
Tugend, Gottesfurcht und Froͤmmigkeit, nebſt
unſern gefaͤhrlichen Umſtaͤnden, hatten mich bißhero
beſtaͤndig abgehalten, das geringſte von dem, in
meiner Bruſt verborgenen Feuer mercken zu laſſen,
hergegen hatte ich ihr jederzeit mit der ſittſamſten
Aufrichtigkeit und Treue begegnet. Kurtz: da ſie,
ſeit unſerer erſtern Bekanntſchafft und Umgangs an,
nicht die geringſte geile oder leichtfertige Mine, ſon-
dern die groͤſten Zeichen der Keuſchheit von ſich bli-
cken laſſrn, ſo ahmete ich ihr in allen Stuͤcken nach,
und unterdruͤckte die mir zuweilen aufſteigenden
Affecten, nicht ſo wohl aus Bloͤdigkeit, ſondern
vielmehr aus beſonderer Hochachtung vor eine ſol-
che tugendhaffte Seele, welches mich denn in ſol-
chen Credit bey ihr ſetzte, daß ſie oͤffters, jedoch in
ihren Kleidern, wie ſchon in Mequinez im Juden-
Hauſe geſchehen, gantz ruhig und ſicher an meiner
Seite ſchlieff. Dieſes alles, wie ſchon gemeldet,
kam
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/151>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.