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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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nicht, denn diese Leute, welche etwas weniges von
den Europäischen Kirch Gebäuden erzehlen hören,
waren dermassen begierig, ihr Gottes-Haus in be-
hörigen Stande zu sehen, so daß sie häuffig, ja fast
überflüßig herzu gelauffen kamen, und eher die sonst
gewöhnlichen Feyerabend-Stunden, zu ihrer Haus-
Arbeit und Ernte anwendeten, als des Vergnü-
gens beraubt seyn wolten, ihren Schweiß beym
Kirchen-Bau zu vergiessen. Jedoch da die Stamm-
Väter, und sonderlich der Altvater Albertus, end-
lich gewahr wurden, daß die allzu vielen Arbeiter
einander sehr öffters nur verhinderten, anbey be-
fürchteten, wie solchergestalt ein und andere Feld-
Früchte zu Schaden kommen könten, machten sie
die klügsten Anstallten, eins so wohl als das andere
zu besorgen, woher denn kam, daß zu Ausgang des
April-Monats, das Mauerwerck der Kirche und
des Thurms, seine völlige Höhe erreichte. Dan-
nenhero waren 12. ziemlich geübte Zimmer-Leute,
unter Beyhülffe und richtiger Anweisung unsers
Tischlers und Müllers, nemlich Lademanns und
Krätzers bemühet, das Sparrwerck und Dach-Ge-
stühle, aus den allbereit zugerichteten und behauenen
Bäumen zu verfertigen, auch einen feinen höltzernen
Aufsatz und zierliche Haube auf den Thurm zu brin-
gen. An statt der Schiefer oder Ziegel-Steine
zum Dach decken, wurden von einem leicht zu spal-
tenden Holtze, Schindeln verfertiget, selbige aber
mit dem Schlamme aus denen östlichen See-La-
chen, bestrichen, welcher, so bald ihn die Sonne ge-
trocknet, einen solchen Glantz von sich gab, wie das
Spieß-Glaß in Europa, auch so fest als ein Kitt auf

dem

nicht, denn dieſe Leute, welche etwas weniges von
den Europaͤiſchen Kirch Gebaͤuden erzehlen hoͤren,
waren dermaſſen begierig, ihr Gottes-Haus in be-
hoͤrigen Stande zu ſehen, ſo daß ſie haͤuffig, ja faſt
uͤberfluͤßig herzu gelauffen kamen, und eher die ſonſt
gewoͤhnlichen Feyerabend-Stunden, zu ihrer Haus-
Arbeit und Ernte anwendeten, als des Vergnuͤ-
gens beraubt ſeyn wolten, ihren Schweiß beym
Kirchen-Bau zu vergieſſen. Jedoch da die Stam̃-
Vaͤter, und ſonderlich der Altvater Albertus, end-
lich gewahr wurden, daß die allzu vielen Arbeiter
einander ſehr oͤffters nur verhinderten, anbey be-
fuͤrchteten, wie ſolchergeſtalt ein und andere Feld-
Fruͤchte zu Schaden kommen koͤnten, machten ſie
die kluͤgſten Anſtallten, eins ſo wohl als das andere
zu beſorgen, woher denn kam, daß zu Ausgang des
April-Monats, das Mauerwerck der Kirche und
des Thurms, ſeine voͤllige Hoͤhe erreichte. Dan-
nenhero waren 12. ziemlich geuͤbte Zimmer-Leute,
unter Beyhuͤlffe und richtiger Anweiſung unſers
Tiſchlers und Muͤllers, nemlich Lademanns und
Krätzers bemuͤhet, das Sparrwerck und Dach-Ge-
ſtuͤhle, aus den allbereit zugerichteten und behauenen
Baͤumen zu verfertigen, auch einen feinen hoͤltzernen
Aufſatz und zierliche Haube auf den Thurm zu brin-
gen. An ſtatt der Schiefer oder Ziegel-Steine
zum Dach decken, wurden von einem leicht zu ſpal-
tenden Holtze, Schindeln verfertiget, ſelbige aber
mit dem Schlamme aus denen oͤſtlichen See-La-
chen, beſtrichen, welcher, ſo bald ihn die Sonne ge-
trocknet, einen ſolchen Glantz von ſich gab, wie das
Spieß-Glaß in Europa, auch ſo feſt als ein Kitt auf

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[72/0086] nicht, denn dieſe Leute, welche etwas weniges von den Europaͤiſchen Kirch Gebaͤuden erzehlen hoͤren, waren dermaſſen begierig, ihr Gottes-Haus in be- hoͤrigen Stande zu ſehen, ſo daß ſie haͤuffig, ja faſt uͤberfluͤßig herzu gelauffen kamen, und eher die ſonſt gewoͤhnlichen Feyerabend-Stunden, zu ihrer Haus- Arbeit und Ernte anwendeten, als des Vergnuͤ- gens beraubt ſeyn wolten, ihren Schweiß beym Kirchen-Bau zu vergieſſen. Jedoch da die Stam̃- Vaͤter, und ſonderlich der Altvater Albertus, end- lich gewahr wurden, daß die allzu vielen Arbeiter einander ſehr oͤffters nur verhinderten, anbey be- fuͤrchteten, wie ſolchergeſtalt ein und andere Feld- Fruͤchte zu Schaden kommen koͤnten, machten ſie die kluͤgſten Anſtallten, eins ſo wohl als das andere zu beſorgen, woher denn kam, daß zu Ausgang des April-Monats, das Mauerwerck der Kirche und des Thurms, ſeine voͤllige Hoͤhe erreichte. Dan- nenhero waren 12. ziemlich geuͤbte Zimmer-Leute, unter Beyhuͤlffe und richtiger Anweiſung unſers Tiſchlers und Muͤllers, nemlich Lademanns und Krätzers bemuͤhet, das Sparrwerck und Dach-Ge- ſtuͤhle, aus den allbereit zugerichteten und behauenen Baͤumen zu verfertigen, auch einen feinen hoͤltzernen Aufſatz und zierliche Haube auf den Thurm zu brin- gen. An ſtatt der Schiefer oder Ziegel-Steine zum Dach decken, wurden von einem leicht zu ſpal- tenden Holtze, Schindeln verfertiget, ſelbige aber mit dem Schlamme aus denen oͤſtlichen See-La- chen, beſtrichen, welcher, ſo bald ihn die Sonne ge- trocknet, einen ſolchen Glantz von ſich gab, wie das Spieß-Glaß in Europa, auch ſo feſt als ein Kitt auf dem

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/86>, abgerufen am 30.11.2024.