wegen seiner etwas hart lautenden Grund-Sätze, gantz und gar zum Atheisten machen wolten, gab ich mir die Mühe, ihn disputationis gratia zu de- fendiren, zeigte auch, daß derselbe Grund-gelehrte Mann in vielen Stücken gantz anders verstanden seyn wolte.
Da nun die darbey sitzenden einheimischen jun- gen Gelehrten letzlich fast nichts mehr gegen meine, wiewohl mehrentheils schertzhaffte defension auf- zubringen wußten, mochten sie etwa aus Verdruß und Bosheit in der gantzen Stadt aussprengen: Jch wäre ein Ertz-Anhänger von dem oberwehnten Professore, und würde in dem heiligen Predigt- Amte treffliche Streiche machen. Nun mußte mich zwar von rechtswegen das geistliche Ministerium, welches meine Principia Theologica ernsthafftig genug angehöret hatte, selbsten defendiren, allein ein alter halb-gelehrter Compatronus, der eine starcke Freundschafft in der Stadt hatte, und der, im Fall nur ich abgewiesen wäre, seinen nahen Vet- ter desto eher auf die Cantzel zu bringen gedachte, tritt so gleich auf und ruft: O Domini! Domini! latet anguis in herba, bedencket nach eurem Gewissen, was das beste sey, auch der geringste Verdacht in die- sem Stücke ist schon vermögend Jrrthümer anzu- richten, es sind noch genug andere untadelhaffte Leute in der Welt anzutreffen, ob sie gleich nicht in so vielen speculativischen Dingen geübt sind.
Einige mir ungemein wohlwollende, doch meh- rentheils unbekandte Gönner, verursachten, daß ich dieser Blame wegen, noch einmahl vor dem dasigen Corpore Theologico erscheinen, und meines Glau-
bens
d 2
wegen ſeiner etwas hart lautenden Grund-Saͤtze, gantz und gar zum Atheiſten machen wolten, gab ich mir die Muͤhe, ihn diſputationis gratia zu de- fendiren, zeigte auch, daß derſelbe Grund-gelehrte Mann in vielen Stuͤcken gantz anders verſtanden ſeyn wolte.
Da nun die darbey ſitzenden einheimiſchen jun- gen Gelehrten letzlich faſt nichts mehr gegen meine, wiewohl mehrentheils ſchertzhaffte defenſion auf- zubringen wußten, mochten ſie etwa aus Verdruß und Bosheit in der gantzen Stadt ausſprengen: Jch waͤre ein Ertz-Anhaͤnger von dem oberwehnten Profeſſore, und wuͤrde in dem heiligen Predigt- Amte treffliche Streiche machen. Nun mußte mich zwar von rechtswegen das geiſtliche Miniſterium, welches meine Principia Theologica ernſthafftig genug angehoͤret hatte, ſelbſten defendiren, allein ein alter halb-gelehrter Compatronus, der eine ſtarcke Freundſchafft in der Stadt hatte, und der, im Fall nur ich abgewieſen waͤre, ſeinen nahen Vet- ter deſto eher auf die Cantzel zu bringen gedachte, tritt ſo gleich auf und ruft: O Domini! Domini! latet anguis in herba, bedencket nach eurem Gewiſſen, was das beſte ſey, auch der geringſte Verdacht in die- ſem Stuͤcke iſt ſchon vermoͤgend Jrrthuͤmer anzu- richten, es ſind noch genug andere untadelhaffte Leute in der Welt anzutreffen, ob ſie gleich nicht in ſo vielen ſpeculativiſchen Dingen geuͤbt ſind.
Einige mir ungemein wohlwollende, doch meh- rentheils unbekandte Goͤnner, verurſachten, daß ich dieſer Blame wegen, noch einmahl vor dem daſigen Corpore Theologico erſcheinen, und meines Glau-
bens
d 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0065"n="51"/>
wegen ſeiner etwas hart lautenden Grund-Saͤtze,<lb/>
gantz und gar zum <hirendition="#aq">Atheiſten</hi> machen wolten, gab<lb/>
ich mir die Muͤhe, ihn <hirendition="#aq">diſputationis gratia</hi> zu <hirendition="#aq">de-<lb/>
fendir</hi>en, zeigte auch, daß derſelbe Grund-gelehrte<lb/>
Mann in vielen Stuͤcken gantz anders verſtanden<lb/>ſeyn wolte.</p><lb/><p>Da nun die darbey ſitzenden einheimiſchen jun-<lb/>
gen Gelehrten letzlich faſt nichts mehr gegen meine,<lb/>
wiewohl mehrentheils ſchertzhaffte <hirendition="#aq">defenſion</hi> auf-<lb/>
zubringen wußten, mochten ſie etwa aus Verdruß<lb/>
und Bosheit in der gantzen Stadt ausſprengen:<lb/>
Jch waͤre ein Ertz-Anhaͤnger von dem oberwehnten<lb/><hirendition="#aq">Profeſſore,</hi> und wuͤrde in dem heiligen Predigt-<lb/>
Amte treffliche Streiche machen. Nun mußte mich<lb/>
zwar von rechtswegen das geiſtliche <hirendition="#aq">Miniſterium,</hi><lb/>
welches meine <hirendition="#aq">Principia Theologica</hi> ernſthafftig<lb/>
genug angehoͤret hatte, ſelbſten <hirendition="#aq">defendir</hi>en, allein<lb/>
ein alter halb-gelehrter <hirendition="#aq">Compatronus,</hi> der eine<lb/>ſtarcke Freundſchafft in der Stadt hatte, und der,<lb/>
im Fall nur ich abgewieſen waͤre, ſeinen nahen Vet-<lb/>
ter deſto eher auf die Cantzel zu bringen gedachte,<lb/>
tritt ſo gleich auf und ruft: <hirendition="#aq"><hirendition="#i">O Domini! Domini! latet<lb/>
anguis in herba,</hi></hi> bedencket nach eurem Gewiſſen, was<lb/>
das beſte ſey, auch der geringſte Verdacht in die-<lb/>ſem Stuͤcke iſt ſchon vermoͤgend Jrrthuͤmer anzu-<lb/>
richten, es ſind noch genug andere untadelhaffte<lb/>
Leute in der Welt anzutreffen, ob ſie gleich nicht in<lb/>ſo vielen <hirendition="#aq">ſpeculativi</hi>ſchen Dingen geuͤbt ſind.</p><lb/><p>Einige mir ungemein wohlwollende, doch meh-<lb/>
rentheils unbekandte Goͤnner, verurſachten, daß ich<lb/>
dieſer <hirendition="#aq">Blame</hi> wegen, noch einmahl vor dem daſigen<lb/><hirendition="#aq">Corpore Theologico</hi> erſcheinen, und meines Glau-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">d 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">bens</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0065]
wegen ſeiner etwas hart lautenden Grund-Saͤtze,
gantz und gar zum Atheiſten machen wolten, gab
ich mir die Muͤhe, ihn diſputationis gratia zu de-
fendiren, zeigte auch, daß derſelbe Grund-gelehrte
Mann in vielen Stuͤcken gantz anders verſtanden
ſeyn wolte.
Da nun die darbey ſitzenden einheimiſchen jun-
gen Gelehrten letzlich faſt nichts mehr gegen meine,
wiewohl mehrentheils ſchertzhaffte defenſion auf-
zubringen wußten, mochten ſie etwa aus Verdruß
und Bosheit in der gantzen Stadt ausſprengen:
Jch waͤre ein Ertz-Anhaͤnger von dem oberwehnten
Profeſſore, und wuͤrde in dem heiligen Predigt-
Amte treffliche Streiche machen. Nun mußte mich
zwar von rechtswegen das geiſtliche Miniſterium,
welches meine Principia Theologica ernſthafftig
genug angehoͤret hatte, ſelbſten defendiren, allein
ein alter halb-gelehrter Compatronus, der eine
ſtarcke Freundſchafft in der Stadt hatte, und der,
im Fall nur ich abgewieſen waͤre, ſeinen nahen Vet-
ter deſto eher auf die Cantzel zu bringen gedachte,
tritt ſo gleich auf und ruft: O Domini! Domini! latet
anguis in herba, bedencket nach eurem Gewiſſen, was
das beſte ſey, auch der geringſte Verdacht in die-
ſem Stuͤcke iſt ſchon vermoͤgend Jrrthuͤmer anzu-
richten, es ſind noch genug andere untadelhaffte
Leute in der Welt anzutreffen, ob ſie gleich nicht in
ſo vielen ſpeculativiſchen Dingen geuͤbt ſind.
Einige mir ungemein wohlwollende, doch meh-
rentheils unbekandte Goͤnner, verurſachten, daß ich
dieſer Blame wegen, noch einmahl vor dem daſigen
Corpore Theologico erſcheinen, und meines Glau-
bens
d 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/65>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.