Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

unvergnügte Braut-Paar sich auf der obersten
Stufe praesentirte. Kaum hatte ich meine liebste
Schwester nur durch einen eintzigen Blick erkannt,
als mich, im andern Blicke, die entsetzliche häßliche
Gesichts-Bildung und gantze Leibes-Gestalt ihres
mir bereits einiger massen beschriebenen Liebsten,
dergestalt erschreckte, daß ich die Augen sogleich nie-
derschlagen mußte, und dieselben kaum empor heben
konte, da ich mich bereits auf der obersten Stufe
bey ihnen befand.

So bald mir meine Schwester ins Gesichte ge-
sehen, fiel sie nach den ausgeschryenen Worten: Ach
mein Bruder Eberhard! augenblicklich ohnmäch-
tig zurücke. Jch befand mich am allermeisten hier-
durch bewegt, und war nicht im Stande die höfli-
chen Complimente zu beantworten, mit welchen
mich so wohl der Herr Schwager als meine Frau
Baase, nebst andern unbekandten Personen über-
schütteten, sondern hatte beständig die Augen auf
meine Schwester gerichtet, welche doch von den an-
wesenden Dames in kurtzen völlig wieder zu sich selbst
gebracht wurde.

Ein jedes solte zwar von rechtswegen glauben,
diese Ohnmacht wäre ihr von gar zu jählinger Freu-
de zugestossen, allein es stack ein mehreres dahinter.
Jmmittelst war dieses Zufalls wegen die gantze Lust
unterbrochen, ohngeacht man mir aber, unter dem
Vorwande einer sorgfältigen Bewirthung, alle
Gelegenheit abschneiden wolte mit meiner Schwe-
ster etliche Wort in geheim zu sprechen, so ließ ich
mich doch nicht eher von ihrer Seite bringen, bis

mir
o o 5

unvergnuͤgte Braut-Paar ſich auf der oberſten
Stufe præſentirte. Kaum hatte ich meine liebſte
Schweſter nur durch einen eintzigen Blick erkannt,
als mich, im andern Blicke, die entſetzliche haͤßliche
Geſichts-Bildung und gantze Leibes-Geſtalt ihres
mir bereits einiger maſſen beſchriebenen Liebſten,
dergeſtalt erſchreckte, daß ich die Augen ſogleich nie-
derſchlagen mußte, und dieſelben kaum empor heben
konte, da ich mich bereits auf der oberſten Stufe
bey ihnen befand.

So bald mir meine Schweſter ins Geſichte ge-
ſehen, fiel ſie nach den ausgeſchryenen Worten: Ach
mein Bruder Eberhard! augenblicklich ohnmaͤch-
tig zuruͤcke. Jch befand mich am allermeiſten hier-
durch bewegt, und war nicht im Stande die hoͤfli-
chen Complimente zu beantworten, mit welchen
mich ſo wohl der Herr Schwager als meine Frau
Baaſe, nebſt andern unbekandten Perſonen uͤber-
ſchuͤtteten, ſondern hatte beſtaͤndig die Augen auf
meine Schweſter gerichtet, welche doch von den an-
weſenden Dames in kurtzen voͤllig wieder zu ſich ſelbſt
gebracht wurde.

Ein jedes ſolte zwar von rechtswegen glauben,
dieſe Ohnmacht waͤre ihr von gar zu jaͤhlinger Freu-
de zugeſtoſſen, allein es ſtack ein mehreres dahinter.
Jmmittelſt war dieſes Zufalls wegen die gantze Luſt
unterbrochen, ohngeacht man mir aber, unter dem
Vorwande einer ſorgfaͤltigen Bewirthung, alle
Gelegenheit abſchneiden wolte mit meiner Schwe-
ſter etliche Wort in geheim zu ſprechen, ſo ließ ich
mich doch nicht eher von ihrer Seite bringen, bis

mir
o o 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0601" n="585"/>
unvergnu&#x0364;gte Braut-Paar &#x017F;ich auf der ober&#x017F;ten<lb/>
Stufe <hi rendition="#aq">præ&#x017F;enti</hi>rte. Kaum hatte ich meine lieb&#x017F;te<lb/>
Schwe&#x017F;ter nur durch einen eintzigen Blick erkannt,<lb/>
als mich, im andern Blicke, die ent&#x017F;etzliche ha&#x0364;ßliche<lb/>
Ge&#x017F;ichts-Bildung und gantze Leibes-Ge&#x017F;talt ihres<lb/>
mir bereits einiger ma&#x017F;&#x017F;en be&#x017F;chriebenen Lieb&#x017F;ten,<lb/>
derge&#x017F;talt er&#x017F;chreckte, daß ich die Augen &#x017F;ogleich nie-<lb/>
der&#x017F;chlagen mußte, und die&#x017F;elben kaum empor heben<lb/>
konte, da ich mich bereits auf der ober&#x017F;ten Stufe<lb/>
bey ihnen befand.</p><lb/>
            <p>So bald mir meine Schwe&#x017F;ter ins Ge&#x017F;ichte ge-<lb/>
&#x017F;ehen, fiel &#x017F;ie nach den ausge&#x017F;chryenen Worten: Ach<lb/>
mein Bruder Eberhard! augenblicklich ohnma&#x0364;ch-<lb/>
tig zuru&#x0364;cke. Jch befand mich am allermei&#x017F;ten hier-<lb/>
durch bewegt, und war nicht im Stande die ho&#x0364;fli-<lb/>
chen <hi rendition="#aq">Complimente</hi> zu beantworten, mit welchen<lb/>
mich &#x017F;o wohl der Herr Schwager als meine Frau<lb/>
Baa&#x017F;e, neb&#x017F;t andern unbekandten Per&#x017F;onen u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tteten, &#x017F;ondern hatte be&#x017F;ta&#x0364;ndig die Augen auf<lb/>
meine Schwe&#x017F;ter gerichtet, welche doch von den an-<lb/>
we&#x017F;enden <hi rendition="#aq">Dames</hi> in kurtzen vo&#x0364;llig wieder zu &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
gebracht wurde.</p><lb/>
            <p>Ein jedes &#x017F;olte zwar von rechtswegen glauben,<lb/>
die&#x017F;e Ohnmacht wa&#x0364;re ihr von gar zu ja&#x0364;hlinger Freu-<lb/>
de zuge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en, allein es &#x017F;tack ein mehreres dahinter.<lb/>
Jmmittel&#x017F;t war die&#x017F;es Zufalls wegen die gantze Lu&#x017F;t<lb/>
unterbrochen, ohngeacht man mir aber, unter dem<lb/>
Vorwande einer &#x017F;orgfa&#x0364;ltigen Bewirthung, alle<lb/>
Gelegenheit ab&#x017F;chneiden wolte mit meiner Schwe-<lb/>
&#x017F;ter etliche Wort in geheim zu &#x017F;prechen, &#x017F;o ließ ich<lb/>
mich doch nicht eher von ihrer Seite bringen, bis<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">o o 5</fw><fw place="bottom" type="catch">mir</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[585/0601] unvergnuͤgte Braut-Paar ſich auf der oberſten Stufe præſentirte. Kaum hatte ich meine liebſte Schweſter nur durch einen eintzigen Blick erkannt, als mich, im andern Blicke, die entſetzliche haͤßliche Geſichts-Bildung und gantze Leibes-Geſtalt ihres mir bereits einiger maſſen beſchriebenen Liebſten, dergeſtalt erſchreckte, daß ich die Augen ſogleich nie- derſchlagen mußte, und dieſelben kaum empor heben konte, da ich mich bereits auf der oberſten Stufe bey ihnen befand. So bald mir meine Schweſter ins Geſichte ge- ſehen, fiel ſie nach den ausgeſchryenen Worten: Ach mein Bruder Eberhard! augenblicklich ohnmaͤch- tig zuruͤcke. Jch befand mich am allermeiſten hier- durch bewegt, und war nicht im Stande die hoͤfli- chen Complimente zu beantworten, mit welchen mich ſo wohl der Herr Schwager als meine Frau Baaſe, nebſt andern unbekandten Perſonen uͤber- ſchuͤtteten, ſondern hatte beſtaͤndig die Augen auf meine Schweſter gerichtet, welche doch von den an- weſenden Dames in kurtzen voͤllig wieder zu ſich ſelbſt gebracht wurde. Ein jedes ſolte zwar von rechtswegen glauben, dieſe Ohnmacht waͤre ihr von gar zu jaͤhlinger Freu- de zugeſtoſſen, allein es ſtack ein mehreres dahinter. Jmmittelſt war dieſes Zufalls wegen die gantze Luſt unterbrochen, ohngeacht man mir aber, unter dem Vorwande einer ſorgfaͤltigen Bewirthung, alle Gelegenheit abſchneiden wolte mit meiner Schwe- ſter etliche Wort in geheim zu ſprechen, ſo ließ ich mich doch nicht eher von ihrer Seite bringen, bis mir o o 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/601
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 585. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/601>, abgerufen am 22.11.2024.