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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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indem sein Pfarr-Herr und Seelsorger verstorben,
mittlerzeit Predigten und Bet-Stunden, in seiner
Dorff-Kirche halten könte, weilen die benachbarten
Herren Pastores, selbige allzu sparsam besuchten.
Der Edelmann hatte zu Ende des Briefs noch die
tröstliche Clausul angehenckt, daß wenn es ein ge-
lehrter und habiler Mensch sey, man ihn en regard
Jhro Magnificenz bey künfftiger Pfarr-Verge-
bung, vor allen andern in Consideration ziehen
würde. Jch reisete demnach ohne Säumniß dahin,
und wurde von dem alten Edelmanne und seiner
ebenfalls ziemlich bejahrten Gemahlin, allem An-
sehen nach, recht treuhertzig bewillkommet, ja so
bald ich nur meine erste Predigt abgelegt, dermassen
mit Lob-Reden und täglichen Wohlthaten über-
häufft, daß sie mich mehr vor einen Engel, als sterb-
lichen Menschen zu betrachten, schienen. Ein voll-
kommenes Viertel Jahr war ich also in dieses Edel-
manns Hause und an seiner Tafel gewesen, binnen
welcher Zeit ich nicht allein den Gottesdienst der
Gemeine aufs eifrigste befördert, sondern auch des
Edelmanns zwey jüngste, sehr wild und übel erzoge-
ne Söhne, mit äusserster Treue und Liebe, auf bessere
Wege zu bringen gesucht hatte, als eines Abends
mein am Podagra kranck liegender Edelmann, sei-
nen Verwalter, welches ein betagter und ziemlich
vernünfftiger Mann war, an mich schickte und mel-
den ließ, wie ich vor dieses mahl auf die künfftige
Sonntags Predigt zu studiren nicht nöthig hätte,
denn es würde kommenden Sonntag, nebst andern
Gästen, ein benachbarter Edelmann seinen Infor-
matorem
mit bringen, welchem der Principal eine

Gast-

indem ſein Pfarr-Herr und Seelſorger verſtorben,
mittlerzeit Predigten und Bet-Stunden, in ſeiner
Dorff-Kirche halten koͤnte, weilen die benachbarten
Herren Paſtores, ſelbige allzu ſparſam beſuchten.
Der Edelmann hatte zu Ende des Briefs noch die
troͤſtliche Clauſul angehenckt, daß wenn es ein ge-
lehrter und habiler Menſch ſey, man ihn en regard
Jhro Magnificenz bey kuͤnfftiger Pfarr-Verge-
bung, vor allen andern in Conſideration ziehen
wuͤrde. Jch reiſete demnach ohne Saͤumniß dahin,
und wurde von dem alten Edelmanne und ſeiner
ebenfalls ziemlich bejahrten Gemahlin, allem An-
ſehen nach, recht treuhertzig bewillkommet, ja ſo
bald ich nur meine erſte Predigt abgelegt, dermaſſen
mit Lob-Reden und taͤglichen Wohlthaten uͤber-
haͤufft, daß ſie mich mehr vor einen Engel, als ſterb-
lichen Menſchen zu betrachten, ſchienen. Ein voll-
kommenes Viertel Jahr war ich alſo in dieſes Edel-
manns Hauſe und an ſeiner Tafel geweſen, binnen
welcher Zeit ich nicht allein den Gottesdienſt der
Gemeine aufs eifrigſte befoͤrdert, ſondern auch des
Edelmanns zwey juͤngſte, ſehr wild und uͤbel erzoge-
ne Soͤhne, mit aͤuſſerſter Treue und Liebe, auf beſſere
Wege zu bringen geſucht hatte, als eines Abends
mein am Podagra kranck liegender Edelmann, ſei-
nen Verwalter, welches ein betagter und ziemlich
vernuͤnfftiger Mann war, an mich ſchickte und mel-
den ließ, wie ich vor dieſes mahl auf die kuͤnfftige
Sonntags Predigt zu ſtudiren nicht noͤthig haͤtte,
denn es wuͤrde kommenden Sonntag, nebſt andern
Gaͤſten, ein benachbarter Edelmann ſeinen Infor-
matorem
mit bringen, welchem der Principal eine

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[45/0059] indem ſein Pfarr-Herr und Seelſorger verſtorben, mittlerzeit Predigten und Bet-Stunden, in ſeiner Dorff-Kirche halten koͤnte, weilen die benachbarten Herren Paſtores, ſelbige allzu ſparſam beſuchten. Der Edelmann hatte zu Ende des Briefs noch die troͤſtliche Clauſul angehenckt, daß wenn es ein ge- lehrter und habiler Menſch ſey, man ihn en regard Jhro Magnificenz bey kuͤnfftiger Pfarr-Verge- bung, vor allen andern in Conſideration ziehen wuͤrde. Jch reiſete demnach ohne Saͤumniß dahin, und wurde von dem alten Edelmanne und ſeiner ebenfalls ziemlich bejahrten Gemahlin, allem An- ſehen nach, recht treuhertzig bewillkommet, ja ſo bald ich nur meine erſte Predigt abgelegt, dermaſſen mit Lob-Reden und taͤglichen Wohlthaten uͤber- haͤufft, daß ſie mich mehr vor einen Engel, als ſterb- lichen Menſchen zu betrachten, ſchienen. Ein voll- kommenes Viertel Jahr war ich alſo in dieſes Edel- manns Hauſe und an ſeiner Tafel geweſen, binnen welcher Zeit ich nicht allein den Gottesdienſt der Gemeine aufs eifrigſte befoͤrdert, ſondern auch des Edelmanns zwey juͤngſte, ſehr wild und uͤbel erzoge- ne Soͤhne, mit aͤuſſerſter Treue und Liebe, auf beſſere Wege zu bringen geſucht hatte, als eines Abends mein am Podagra kranck liegender Edelmann, ſei- nen Verwalter, welches ein betagter und ziemlich vernuͤnfftiger Mann war, an mich ſchickte und mel- den ließ, wie ich vor dieſes mahl auf die kuͤnfftige Sonntags Predigt zu ſtudiren nicht noͤthig haͤtte, denn es wuͤrde kommenden Sonntag, nebſt andern Gaͤſten, ein benachbarter Edelmann ſeinen Infor- matorem mit bringen, welchem der Principal eine Gaſt-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/59>, abgerufen am 25.11.2024.