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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Messe aber des 1715ten Jahres, da ich von einem gu-
ten Freunde zur mündlichen Unterredung nach Leip-
zig verschrieben worden, gab mir derselbe die betrüb-
te Zeitung zu vernehmen, daß meine liebe Mutter,
seit etlichen Wochen an einem auszehrenden Fieber
darnieder läge, und zu ihrem Wiederaufkommen
schlechte Hoffnung vorhanden sey, derowegen die-
selbe ein hertzliches Verlangen trüge, mich vor ihrem
Ende noch einmahl zusehen und zu sprechen, wie
denn derselben an mich abgelassenes Schreiben
solches mit mehrern Umständen bekräfftigte.

Demnach begab mich mit erst erwehntem guten
Freunde auf die Reise, und kam unterwegs mit dem
Kauffmanne, Herrn Frantz Martin Julio in Be-
kandtschafft, welcher an meiner wenigen Person et-
was ihm gefälliges finden mochte, u. derowegen mir
sogleich in seinem Hause die Condition eines Infor-
matoris
vor seinen 10. jährigen Sohn, und 7. jährige
Tochter, unter sehr profitablen Vorschlägen an-
trug. Jch konte zwar damahls auf der Reise, we-
der Ja noch Nein darzu sagen, nachdem aber den
Handschlag von mir gegeben, den Zustand der Mei-
nigen erstlich zu erkundigen, so dann deßfalls weiter
mit ihm Briefe zu wechseln, reisete wenig Tage her-
nach, ein jeder von uns seine Strasse.

Meine liebe Mutter traff ich in sehr schwachen
Zustande an, und ob sie zwar in folgenden Tagen,
durch meine Gegenwart sehr gestärckt zu werden
schien, so nahm dennoch bald hernach das hectische
Fieber, von neuen dergestalt überhand, daß sie end-
lich am 4. Decembr. selbiges Jahres, bey vollem

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Meſſe aber des 1715ten Jahres, da ich von einem gu-
ten Freunde zur muͤndlichen Unterredung nach Leip-
zig verſchrieben worden, gab mir derſelbe die betruͤb-
te Zeitung zu vernehmen, daß meine liebe Mutter,
ſeit etlichen Wochen an einem auszehrenden Fieber
darnieder laͤge, und zu ihrem Wiederaufkommen
ſchlechte Hoffnung vorhanden ſey, derowegen die-
ſelbe ein hertzliches Verlangen truͤge, mich vor ihrem
Ende noch einmahl zuſehen und zu ſprechen, wie
denn derſelben an mich abgelaſſenes Schreiben
ſolches mit mehrern Umſtaͤnden bekraͤfftigte.

Demnach begab mich mit erſt erwehntem guten
Freunde auf die Reiſe, und kam unterwegs mit dem
Kauffmanne, Herrn Frantz Martin Julio in Be-
kandtſchafft, welcher an meiner wenigen Perſon et-
was ihm gefaͤlliges finden mochte, u. derowegen mir
ſogleich in ſeinem Hauſe die Condition eines Infor-
matoris
vor ſeinen 10. jaͤhrigen Sohn, und 7. jaͤhrige
Tochter, unter ſehr profitablen Vorſchlaͤgen an-
trug. Jch konte zwar damahls auf der Reiſe, we-
der Ja noch Nein darzu ſagen, nachdem aber den
Handſchlag von mir gegeben, den Zuſtand der Mei-
nigen erſtlich zu erkundigen, ſo dann deßfalls weiter
mit ihm Briefe zu wechſeln, reiſete wenig Tage her-
nach, ein jeder von uns ſeine Straſſe.

Meine liebe Mutter traff ich in ſehr ſchwachen
Zuſtande an, und ob ſie zwar in folgenden Tagen,
durch meine Gegenwart ſehr geſtaͤrckt zu werden
ſchien, ſo nahm dennoch bald hernach das hectiſche
Fieber, von neuen dergeſtalt uͤberhand, daß ſie end-
lich am 4. Decembr. ſelbiges Jahres, bey vollem

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[39/0053] Meſſe aber des 1715ten Jahres, da ich von einem gu- ten Freunde zur muͤndlichen Unterredung nach Leip- zig verſchrieben worden, gab mir derſelbe die betruͤb- te Zeitung zu vernehmen, daß meine liebe Mutter, ſeit etlichen Wochen an einem auszehrenden Fieber darnieder laͤge, und zu ihrem Wiederaufkommen ſchlechte Hoffnung vorhanden ſey, derowegen die- ſelbe ein hertzliches Verlangen truͤge, mich vor ihrem Ende noch einmahl zuſehen und zu ſprechen, wie denn derſelben an mich abgelaſſenes Schreiben ſolches mit mehrern Umſtaͤnden bekraͤfftigte. Demnach begab mich mit erſt erwehntem guten Freunde auf die Reiſe, und kam unterwegs mit dem Kauffmanne, Herrn Frantz Martin Julio in Be- kandtſchafft, welcher an meiner wenigen Perſon et- was ihm gefaͤlliges finden mochte, u. derowegen mir ſogleich in ſeinem Hauſe die Condition eines Infor- matoris vor ſeinen 10. jaͤhrigen Sohn, und 7. jaͤhrige Tochter, unter ſehr profitablen Vorſchlaͤgen an- trug. Jch konte zwar damahls auf der Reiſe, we- der Ja noch Nein darzu ſagen, nachdem aber den Handſchlag von mir gegeben, den Zuſtand der Mei- nigen erſtlich zu erkundigen, ſo dann deßfalls weiter mit ihm Briefe zu wechſeln, reiſete wenig Tage her- nach, ein jeder von uns ſeine Straſſe. Meine liebe Mutter traff ich in ſehr ſchwachen Zuſtande an, und ob ſie zwar in folgenden Tagen, durch meine Gegenwart ſehr geſtaͤrckt zu werden ſchien, ſo nahm dennoch bald hernach das hectiſche Fieber, von neuen dergeſtalt uͤberhand, daß ſie end- lich am 4. Decembr. ſelbiges Jahres, bey vollem Ver- c 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/53>, abgerufen am 22.11.2024.