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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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Durch diese Reden ließ sich mein Herr dermassen
zum Mitleiden bewegen, daß er mich hertzlich um-
armte, er selbst schenckte mir ein Glas über das an-
dere von dem allerbesten Wein ein, gab mir anbey
etliche Stücke vom Hertz-stärckenden Confecte,
kurtz! mein Herr, Martin und ich lebten die gantze
Nacht hindurch dergestalt lustig und brüderlich zu-
sammen, daß wir mit anbrechenden Tage so voll
als die Bestien waren. Nachdem der Rausch ausge-
schlafen war, fiengen wir aufs neue an, mit dreyen,
mittlerzeit angekommenen andern Ertz-Dieben, zu
fressen und zu sauffen, jedoch in aller Stille, so,
daß weder der Wirth noch jemand anders wahr-
nahm, daß Herrn und Knechte in so genauer Freund-
schafft und ohne alle Ceremonien lebten. Es er-
zehlete, so bald die Nasen begossen waren, ein jeder
seine hier und dort erwiesenen Helden-Thaten und
klugen Streiche, die er seit vielen Jahren erwiesen
hatte, und es würde keine geringste Erstaunung ver-
ursachen, wenn ich dasjenige, was mir annoch da-
von in Gedancken schwebt, voritzo mit erwehnen
wolte, allein, solches mag bis auf eine andere Zeit
versparet bleiben, weil es allzu viele Ausschweiffung
in ineiner eigenen Geschichte machen möchte, dero-
wegen will nur sagen, daß mein Herr, wegen seiner
ausgeführten recht seltsamen unzähligen Händel,
den besten Preiß darvon trug, unter welches Er-
zehlung ich angemerckt, daß er grausame Vergiff-
tungen und andere Mordthaten theils angestifftet,
theils selbst begangen, und durch subtile und grobe
Diebstähle ein grosses Guth erbeutet hätte. Jch
armer Schelm war von ihm nicht etwa aus einer

beson-

Durch dieſe Reden ließ ſich mein Herr dermaſſen
zum Mitleiden bewegen, daß er mich hertzlich um-
armte, er ſelbſt ſchenckte mir ein Glas uͤber das an-
dere von dem allerbeſten Wein ein, gab mir anbey
etliche Stuͤcke vom Hertz-ſtaͤrckenden Confecte,
kurtz! mein Herr, Martin und ich lebten die gantze
Nacht hindurch dergeſtalt luſtig und bruͤderlich zu-
ſammen, daß wir mit anbrechenden Tage ſo voll
als die Beſtien waren. Nachdem der Rauſch ausge-
ſchlafen war, fiengen wir aufs neue an, mit dreyen,
mittlerzeit angekommenen andern Ertz-Dieben, zu
freſſen und zu ſauffen, jedoch in aller Stille, ſo,
daß weder der Wirth noch jemand anders wahr-
nahm, daß Herrn und Knechte in ſo genauer Freund-
ſchafft und ohne alle Ceremonien lebten. Es er-
zehlete, ſo bald die Naſen begoſſen waren, ein jeder
ſeine hier und dort erwieſenen Helden-Thaten und
klugen Streiche, die er ſeit vielen Jahren erwieſen
hatte, und es wuͤrde keine geringſte Erſtaunung ver-
urſachen, wenn ich dasjenige, was mir annoch da-
von in Gedancken ſchwebt, voritzo mit erwehnen
wolte, allein, ſolches mag bis auf eine andere Zeit
verſparet bleiben, weil es allzu viele Ausſchweiffung
in ineiner eigenen Geſchichte machen moͤchte, dero-
wegen will nur ſagen, daß mein Herr, wegen ſeiner
ausgefuͤhrten recht ſeltſamen unzaͤhligen Haͤndel,
den beſten Preiß darvon trug, unter welches Er-
zehlung ich angemerckt, daß er grauſame Vergiff-
tungen und andere Mordthaten theils angeſtifftet,
theils ſelbſt begangen, und durch ſubtile und grobe
Diebſtaͤhle ein groſſes Guth erbeutet haͤtte. Jch
armer Schelm war von ihm nicht etwa aus einer

beſon-
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[496/0512] Durch dieſe Reden ließ ſich mein Herr dermaſſen zum Mitleiden bewegen, daß er mich hertzlich um- armte, er ſelbſt ſchenckte mir ein Glas uͤber das an- dere von dem allerbeſten Wein ein, gab mir anbey etliche Stuͤcke vom Hertz-ſtaͤrckenden Confecte, kurtz! mein Herr, Martin und ich lebten die gantze Nacht hindurch dergeſtalt luſtig und bruͤderlich zu- ſammen, daß wir mit anbrechenden Tage ſo voll als die Beſtien waren. Nachdem der Rauſch ausge- ſchlafen war, fiengen wir aufs neue an, mit dreyen, mittlerzeit angekommenen andern Ertz-Dieben, zu freſſen und zu ſauffen, jedoch in aller Stille, ſo, daß weder der Wirth noch jemand anders wahr- nahm, daß Herrn und Knechte in ſo genauer Freund- ſchafft und ohne alle Ceremonien lebten. Es er- zehlete, ſo bald die Naſen begoſſen waren, ein jeder ſeine hier und dort erwieſenen Helden-Thaten und klugen Streiche, die er ſeit vielen Jahren erwieſen hatte, und es wuͤrde keine geringſte Erſtaunung ver- urſachen, wenn ich dasjenige, was mir annoch da- von in Gedancken ſchwebt, voritzo mit erwehnen wolte, allein, ſolches mag bis auf eine andere Zeit verſparet bleiben, weil es allzu viele Ausſchweiffung in ineiner eigenen Geſchichte machen moͤchte, dero- wegen will nur ſagen, daß mein Herr, wegen ſeiner ausgefuͤhrten recht ſeltſamen unzaͤhligen Haͤndel, den beſten Preiß darvon trug, unter welches Er- zehlung ich angemerckt, daß er grauſame Vergiff- tungen und andere Mordthaten theils angeſtifftet, theils ſelbſt begangen, und durch ſubtile und grobe Diebſtaͤhle ein groſſes Guth erbeutet haͤtte. Jch armer Schelm war von ihm nicht etwa aus einer beſon-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/512>, abgerufen am 25.11.2024.