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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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vieler Geschäffte sich nicht bemühen will ihm eine
Gabe zu reichen, kömmt ein kleiner Knabe, der mei-
nem Bruder gern ein Allmosen gegeben, wenn er
nur Geld bey sich gehabt hätte, wie er denn alle seine
Schubsäcke aussucht, aber nichts finden können.
Demnach laufft das Kind in die Stube, holet zwey
silberne Löffel, und heisset meinen Bruder damit
fortgehen. Dieser gehet zwar in etwas auf die Sei-
te, bis der kleine Knabe von seiner, die Treppe her-
unter kommenden Mutter in die Stube gejagt ist,
macht sich aber darauf an die vornehme Frau, über-
reicht derselben die von ihrem kleinen Sohne em-
pfangenen Löffel und bittet sich davor etwas zu Essen
aus, weil er wohl merckte, daß diese Gabe vor ihn
zu kostbar wäre, und vielleicht Gefahr bringen kön-
te.

Die vornehme Dame ziehet sich die Redlichkeit,
und den Verstand meines Bruders dermassen, zu
Gemüthe, daß, nachdem sie diesen Streich ihrem
Ehe-Herrn erzehlet, beyderseits Ehe-Leute die Gü-
te haben, meinen damahls etwa 15. jährigen Bru-
der, zu ihren Vedienten auf zunehmen, von Fuß
auf neu kleiden, hiernächst im Lesen, Schreiben
und Rechnen informiren zu lassen. Er war noch
bis auf selbigen Tag in Diensten dieser vortreffli-
chen Leute, welche seine auf vielerley Art probirte
Treue, alljährlich reichlich belohneten, und weil
er ausserdem so glücklich gewesen, bey einer Lotte-
rie
über anderthalb hundert Thaler zu gewinnen,
befand er sich in sehr guten Stande.

Nachdem ich aber erzehlet, auf was vor Art
ich unsere Mutter und Stief-Geschwister versorgt,

war
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vieler Geſchaͤffte ſich nicht bemuͤhen will ihm eine
Gabe zu reichen, koͤmmt ein kleiner Knabe, der mei-
nem Bruder gern ein Allmoſen gegeben, wenn er
nur Geld bey ſich gehabt haͤtte, wie er denn alle ſeine
Schubſaͤcke ausſucht, aber nichts finden koͤnnen.
Demnach laufft das Kind in die Stube, holet zwey
ſilberne Loͤffel, und heiſſet meinen Bruder damit
fortgehen. Dieſer gehet zwar in etwas auf die Sei-
te, bis der kleine Knabe von ſeiner, die Treppe her-
unter kommenden Mutter in die Stube gejagt iſt,
macht ſich aber darauf an die vornehme Frau, uͤber-
reicht derſelben die von ihrem kleinen Sohne em-
pfangenen Loͤffel und bittet ſich davor etwas zu Eſſen
aus, weil er wohl merckte, daß dieſe Gabe vor ihn
zu koſtbar waͤre, und vielleicht Gefahr bringen koͤn-
te.

Die vornehme Dame ziehet ſich die Redlichkeit,
und den Verſtand meines Bruders dermaſſen, zu
Gemuͤthe, daß, nachdem ſie dieſen Streich ihrem
Ehe-Herrn erzehlet, beyderſeits Ehe-Leute die Guͤ-
te haben, meinen damahls etwa 15. jaͤhrigen Bru-
der, zu ihren Vedienten auf zunehmen, von Fuß
auf neu kleiden, hiernaͤchſt im Leſen, Schreiben
und Rechnen informiren zu laſſen. Er war noch
bis auf ſelbigen Tag in Dienſten dieſer vortreffli-
chen Leute, welche ſeine auf vielerley Art probirte
Treue, alljaͤhrlich reichlich belohneten, und weil
er auſſerdem ſo gluͤcklich geweſen, bey einer Lotte-
rie
uͤber anderthalb hundert Thaler zu gewinnen,
befand er ſich in ſehr guten Stande.

Nachdem ich aber erzehlet, auf was vor Art
ich unſere Mutter und Stief-Geſchwiſter verſorgt,

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[489/0505] vieler Geſchaͤffte ſich nicht bemuͤhen will ihm eine Gabe zu reichen, koͤmmt ein kleiner Knabe, der mei- nem Bruder gern ein Allmoſen gegeben, wenn er nur Geld bey ſich gehabt haͤtte, wie er denn alle ſeine Schubſaͤcke ausſucht, aber nichts finden koͤnnen. Demnach laufft das Kind in die Stube, holet zwey ſilberne Loͤffel, und heiſſet meinen Bruder damit fortgehen. Dieſer gehet zwar in etwas auf die Sei- te, bis der kleine Knabe von ſeiner, die Treppe her- unter kommenden Mutter in die Stube gejagt iſt, macht ſich aber darauf an die vornehme Frau, uͤber- reicht derſelben die von ihrem kleinen Sohne em- pfangenen Loͤffel und bittet ſich davor etwas zu Eſſen aus, weil er wohl merckte, daß dieſe Gabe vor ihn zu koſtbar waͤre, und vielleicht Gefahr bringen koͤn- te. Die vornehme Dame ziehet ſich die Redlichkeit, und den Verſtand meines Bruders dermaſſen, zu Gemuͤthe, daß, nachdem ſie dieſen Streich ihrem Ehe-Herrn erzehlet, beyderſeits Ehe-Leute die Guͤ- te haben, meinen damahls etwa 15. jaͤhrigen Bru- der, zu ihren Vedienten auf zunehmen, von Fuß auf neu kleiden, hiernaͤchſt im Leſen, Schreiben und Rechnen informiren zu laſſen. Er war noch bis auf ſelbigen Tag in Dienſten dieſer vortreffli- chen Leute, welche ſeine auf vielerley Art probirte Treue, alljaͤhrlich reichlich belohneten, und weil er auſſerdem ſo gluͤcklich geweſen, bey einer Lotte- rie uͤber anderthalb hundert Thaler zu gewinnen, befand er ſich in ſehr guten Stande. Nachdem ich aber erzehlet, auf was vor Art ich unſere Mutter und Stief-Geſchwiſter verſorgt, war h h 5

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/505>, abgerufen am 22.11.2024.