Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

se Katze voll Gold-Stücke, nebst einem noch grös-
sern Sacke voll grob Silber-Geld in seinem Coff-
re
liegen, und ihn selbiges zehlen, gesehen hatte.
Mein Meister arbeitete um selbige Zeit meistens
um Mitternacht, wenn die andern Gesellen und
Jungen im festen Schlafe lagen, nebst mir an al-
lerhand Arten ungewöhnlicher Schlüssel und an-
dern, mir unbekandten Instrumenten, verbot mir
aber aufs Leben, keinem Menschen hiervon etwas zu
sagen, denn es wären sehr geheime künstliche Sa-
chen, die mein Herr mit nach Franckreich nehmen
wolte. Eben derselbe that dergleichen Verbot an
mich, mit der Bedrohung, woferne er erfahren
solte, daß ich von meines Meisters künstlicher Nach-
Arbeit nur ein eintzig Wort ausgeplaudert hätte,
er mich also fort nackend und blos ausziehen, zum
Hencker jagen, und nimmermehr wieder in seine
Gnade aufnehmen wolte. Jn der Gottlosigkeit
hatte ich es damahliger Zeit schon so weit gebracht,
ihn meiner beständigen Treue und Verschwiegen-
heit mit den allergrausamsten Flüchen und Schwü-
ren zu versichern, weßwegen er bis auf fernern Be-
scheid zu frieden war, mich mit 6. gantzen Thalern be-
schenckte, und darbey ausdrücklich befahl, daß ich mir
dann und wann an Sonn-und Fest-Tagen einen
Rausch sauffen solte.

Nachdem also mein Herr fast einen gantzen Mo-
nat lang zu gegen gewesen, nahm er Abschied unter
dem Vorwande, eine Reise in Franckreich zu thun,
und gegen die Zeit meines Lossprechens schon wie-
derum in eigener Person nach Ulm zu kommen. Bey

mei-
h h 2

ſe Katze voll Gold-Stuͤcke, nebſt einem noch groͤſ-
ſern Sacke voll grob Silber-Geld in ſeinem Coff-
re
liegen, und ihn ſelbiges zehlen, geſehen hatte.
Mein Meiſter arbeitete um ſelbige Zeit meiſtens
um Mitternacht, wenn die andern Geſellen und
Jungen im feſten Schlafe lagen, nebſt mir an al-
lerhand Arten ungewoͤhnlicher Schluͤſſel und an-
dern, mir unbekandten Inſtrumenten, verbot mir
aber aufs Leben, keinem Menſchen hiervon etwas zu
ſagen, denn es waͤren ſehr geheime kuͤnſtliche Sa-
chen, die mein Herr mit nach Franckreich nehmen
wolte. Eben derſelbe that dergleichen Verbot an
mich, mit der Bedrohung, woferne er erfahren
ſolte, daß ich von meines Meiſters kuͤnſtlicher Nach-
Arbeit nur ein eintzig Wort ausgeplaudert haͤtte,
er mich alſo fort nackend und blos ausziehen, zum
Hencker jagen, und nimmermehr wieder in ſeine
Gnade aufnehmen wolte. Jn der Gottloſigkeit
hatte ich es damahliger Zeit ſchon ſo weit gebracht,
ihn meiner beſtaͤndigen Treue und Verſchwiegen-
heit mit den allergrauſamſten Fluͤchen und Schwuͤ-
ren zu verſichern, weßwegen er bis auf fernern Be-
ſcheid zu frieden war, mich mit 6. gantzen Thalern be-
ſchenckte, und darbey ausdruͤcklich befahl, daß ich mir
dann und wann an Sonn-und Feſt-Tagen einen
Rauſch ſauffen ſolte.

Nachdem alſo mein Herr faſt einen gantzen Mo-
nat lang zu gegen geweſen, nahm er Abſchied unter
dem Vorwande, eine Reiſe in Franckreich zu thun,
und gegen die Zeit meines Losſprechens ſchon wie-
derum in eigener Perſon nach Ulm zu kommen. Bey

mei-
h h 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0499" n="483"/>
&#x017F;e Katze voll Gold-Stu&#x0364;cke, neb&#x017F;t einem noch gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Sacke voll grob Silber-Geld in &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Coff-<lb/>
re</hi> liegen, und ihn &#x017F;elbiges zehlen, ge&#x017F;ehen hatte.<lb/>
Mein Mei&#x017F;ter arbeitete um &#x017F;elbige Zeit mei&#x017F;tens<lb/>
um Mitternacht, wenn die andern Ge&#x017F;ellen und<lb/>
Jungen im fe&#x017F;ten Schlafe lagen, neb&#x017F;t mir an al-<lb/>
lerhand Arten ungewo&#x0364;hnlicher Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el und an-<lb/>
dern, mir unbekandten <hi rendition="#aq">In&#x017F;trument</hi>en, verbot mir<lb/>
aber aufs Leben, keinem Men&#x017F;chen hiervon etwas zu<lb/>
&#x017F;agen, denn es wa&#x0364;ren &#x017F;ehr geheime ku&#x0364;n&#x017F;tliche Sa-<lb/>
chen, die mein Herr mit nach Franckreich nehmen<lb/>
wolte. Eben der&#x017F;elbe that dergleichen Verbot an<lb/>
mich, mit der Bedrohung, woferne er erfahren<lb/>
&#x017F;olte, daß ich von meines Mei&#x017F;ters ku&#x0364;n&#x017F;tlicher Nach-<lb/>
Arbeit nur ein eintzig Wort ausgeplaudert ha&#x0364;tte,<lb/>
er mich al&#x017F;o fort nackend und blos ausziehen, zum<lb/>
Hencker jagen, und nimmermehr wieder in &#x017F;eine<lb/>
Gnade aufnehmen wolte. Jn der Gottlo&#x017F;igkeit<lb/>
hatte ich es damahliger Zeit &#x017F;chon &#x017F;o weit gebracht,<lb/>
ihn meiner be&#x017F;ta&#x0364;ndigen Treue und Ver&#x017F;chwiegen-<lb/>
heit mit den allergrau&#x017F;am&#x017F;ten Flu&#x0364;chen und Schwu&#x0364;-<lb/>
ren zu ver&#x017F;ichern, weßwegen er bis auf fernern Be-<lb/>
&#x017F;cheid zu frieden war, mich mit 6. gantzen Thalern be-<lb/>
&#x017F;chenckte, und darbey ausdru&#x0364;cklich befahl, daß ich mir<lb/>
dann und wann an Sonn-und Fe&#x017F;t-Tagen einen<lb/>
Rau&#x017F;ch &#x017F;auffen &#x017F;olte.</p><lb/>
            <p>Nachdem al&#x017F;o mein Herr fa&#x017F;t einen gantzen Mo-<lb/>
nat lang zu gegen gewe&#x017F;en, nahm er Ab&#x017F;chied unter<lb/>
dem Vorwande, eine Rei&#x017F;e in Franckreich zu thun,<lb/>
und gegen die Zeit meines Los&#x017F;prechens &#x017F;chon wie-<lb/>
derum in eigener Per&#x017F;on nach Ulm zu kommen. Bey<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">h h 2</fw><fw place="bottom" type="catch">mei-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[483/0499] ſe Katze voll Gold-Stuͤcke, nebſt einem noch groͤſ- ſern Sacke voll grob Silber-Geld in ſeinem Coff- re liegen, und ihn ſelbiges zehlen, geſehen hatte. Mein Meiſter arbeitete um ſelbige Zeit meiſtens um Mitternacht, wenn die andern Geſellen und Jungen im feſten Schlafe lagen, nebſt mir an al- lerhand Arten ungewoͤhnlicher Schluͤſſel und an- dern, mir unbekandten Inſtrumenten, verbot mir aber aufs Leben, keinem Menſchen hiervon etwas zu ſagen, denn es waͤren ſehr geheime kuͤnſtliche Sa- chen, die mein Herr mit nach Franckreich nehmen wolte. Eben derſelbe that dergleichen Verbot an mich, mit der Bedrohung, woferne er erfahren ſolte, daß ich von meines Meiſters kuͤnſtlicher Nach- Arbeit nur ein eintzig Wort ausgeplaudert haͤtte, er mich alſo fort nackend und blos ausziehen, zum Hencker jagen, und nimmermehr wieder in ſeine Gnade aufnehmen wolte. Jn der Gottloſigkeit hatte ich es damahliger Zeit ſchon ſo weit gebracht, ihn meiner beſtaͤndigen Treue und Verſchwiegen- heit mit den allergrauſamſten Fluͤchen und Schwuͤ- ren zu verſichern, weßwegen er bis auf fernern Be- ſcheid zu frieden war, mich mit 6. gantzen Thalern be- ſchenckte, und darbey ausdruͤcklich befahl, daß ich mir dann und wann an Sonn-und Feſt-Tagen einen Rauſch ſauffen ſolte. Nachdem alſo mein Herr faſt einen gantzen Mo- nat lang zu gegen geweſen, nahm er Abſchied unter dem Vorwande, eine Reiſe in Franckreich zu thun, und gegen die Zeit meines Losſprechens ſchon wie- derum in eigener Perſon nach Ulm zu kommen. Bey mei- h h 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/499
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/499>, abgerufen am 25.11.2024.