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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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sten Winter war, verzog sich die Reise bis kurtz vor
den Oster-Feyertagen, da sie denn endlich nebst ih-
rem kleinen säugenden Kinde dieselbe antrat, und
noch vor dem Feste wieder zu kommen versprach.
Der Stief-Vater war inzwischen sehr fleißig, und
machte in der nahgelegenen Stadt Zörbig, alle sei-
ne Korbmacher-Arbeit zu Gelde. Mittwochs vor
Ostern aber, da die Mutter noch nicht zu Hause
war, schaffte er die letzten Stücke in die Stadt, und
welches mir am bedencklichsten vorkam, so packte
er so wohl meiner Mutter, als sein eigenes ange-
schafftes Geräthe, in einen grossen Deckel-Korb,
verband denselben sehr feste, und ließ ihn mit in die
Stadt fahren, hätte ich oder mein Bruder ge-
fragt, was dieses bedeuten solte, würde es ohnfehl-
bar entsetzliche Schläge geregnet haben, derowegen
schwiegen wir stille, er aber gab uns gute Worte
und versprach, noch vor abends wieder zukommen,
wir solten aber ja durchaus nicht aus dem Hause ge-
hen, sondern fein fleißig Korb-Höltzer schnitzeln,
denn die Mutter würde heute oder Morgen gantz
gewiß zurück kommen, und uns Magdeburger Sem-
meln mitbringen. Demnach gaben wir uns zu-
frieden, zumahl da er wieder feine Gewohnheit, den
Brod-Kammer Schlüssel stecken gelassen, in wel-
cher noch 4. Hausbackene Brode, nebst ein halb
Schock Käse, etwa zwey Pfund Butter, auch Möh-
ren, Rüben und andern Koch-Speisen lagen.

Wir kochten, speiseten, und bedienten uns alle
beyde nach Hertzens-Lust, sahen auch öffters zur
Thür hinaus nach der Mutter, allein es wolte sich

selbi-

ſten Winter war, verzog ſich die Reiſe bis kurtz vor
den Oſter-Feyertagen, da ſie denn endlich nebſt ih-
rem kleinen ſaͤugenden Kinde dieſelbe antrat, und
noch vor dem Feſte wieder zu kommen verſprach.
Der Stief-Vater war inzwiſchen ſehr fleißig, und
machte in der nahgelegenen Stadt Zoͤrbig, alle ſei-
ne Korbmacher-Arbeit zu Gelde. Mittwochs vor
Oſtern aber, da die Mutter noch nicht zu Hauſe
war, ſchaffte er die letzten Stuͤcke in die Stadt, und
welches mir am bedencklichſten vorkam, ſo packte
er ſo wohl meiner Mutter, als ſein eigenes ange-
ſchafftes Geraͤthe, in einen groſſen Deckel-Korb,
verband denſelben ſehr feſte, und ließ ihn mit in die
Stadt fahren, haͤtte ich oder mein Bruder ge-
fragt, was dieſes bedeuten ſolte, wuͤrde es ohnfehl-
bar entſetzliche Schlaͤge geregnet haben, derowegen
ſchwiegen wir ſtille, er aber gab uns gute Worte
und verſprach, noch vor abends wieder zukommen,
wir ſolten aber ja durchaus nicht aus dem Hauſe ge-
hen, ſondern fein fleißig Korb-Hoͤltzer ſchnitzeln,
denn die Mutter wuͤrde heute oder Morgen gantz
gewiß zuruͤck kommen, und uns Magdeburger Sem-
meln mitbringen. Demnach gaben wir uns zu-
frieden, zumahl da er wieder feine Gewohnheit, den
Brod-Kammer Schluͤſſel ſtecken gelaſſen, in wel-
cher noch 4. Hausbackene Brode, nebſt ein halb
Schock Kaͤſe, etwa zwey Pfund Butter, auch Moͤh-
ren, Ruͤben und andern Koch-Speiſen lagen.

Wir kochten, ſpeiſeten, und bedienten uns alle
beyde nach Hertzens-Luſt, ſahen auch oͤffters zur
Thuͤr hinaus nach der Mutter, allein es wolte ſich

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[470/0486] ſten Winter war, verzog ſich die Reiſe bis kurtz vor den Oſter-Feyertagen, da ſie denn endlich nebſt ih- rem kleinen ſaͤugenden Kinde dieſelbe antrat, und noch vor dem Feſte wieder zu kommen verſprach. Der Stief-Vater war inzwiſchen ſehr fleißig, und machte in der nahgelegenen Stadt Zoͤrbig, alle ſei- ne Korbmacher-Arbeit zu Gelde. Mittwochs vor Oſtern aber, da die Mutter noch nicht zu Hauſe war, ſchaffte er die letzten Stuͤcke in die Stadt, und welches mir am bedencklichſten vorkam, ſo packte er ſo wohl meiner Mutter, als ſein eigenes ange- ſchafftes Geraͤthe, in einen groſſen Deckel-Korb, verband denſelben ſehr feſte, und ließ ihn mit in die Stadt fahren, haͤtte ich oder mein Bruder ge- fragt, was dieſes bedeuten ſolte, wuͤrde es ohnfehl- bar entſetzliche Schlaͤge geregnet haben, derowegen ſchwiegen wir ſtille, er aber gab uns gute Worte und verſprach, noch vor abends wieder zukommen, wir ſolten aber ja durchaus nicht aus dem Hauſe ge- hen, ſondern fein fleißig Korb-Hoͤltzer ſchnitzeln, denn die Mutter wuͤrde heute oder Morgen gantz gewiß zuruͤck kommen, und uns Magdeburger Sem- meln mitbringen. Demnach gaben wir uns zu- frieden, zumahl da er wieder feine Gewohnheit, den Brod-Kammer Schluͤſſel ſtecken gelaſſen, in wel- cher noch 4. Hausbackene Brode, nebſt ein halb Schock Kaͤſe, etwa zwey Pfund Butter, auch Moͤh- ren, Ruͤben und andern Koch-Speiſen lagen. Wir kochten, ſpeiſeten, und bedienten uns alle beyde nach Hertzens-Luſt, ſahen auch oͤffters zur Thuͤr hinaus nach der Mutter, allein es wolte ſich ſelbi-

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/486>, abgerufen am 25.11.2024.