Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

zu erretten, welcher schon viele Wochen daher, von
ihnen entsetzliche Marter erdulten müssen, weil er
den Evangelisch-Lutherischen Glauben nicht ab-
schwören will. Ja mein Herr, fuhr ich fort, ihre
Reise ist voritzo hauptsächlich darum angestellet,
mich in ein abgelegenes Closter zu stecken, allwo ich
gewiß durch weit mehr Quaal und Marter zum Ab-
sall gezwungen werden, oder darinnen jämmerlich
sterben soll.

Wie klinget dieses, meine schönen Herren Patres?
fragte hierauf der Officier, indem er sie beyde mit
einer martialischen Mine ansahe, darauf gab der
eine, welcher ein ausgelernter Ertz-Vogel war, dem
Scheine nach, gantz unpassionirt und lächelnd zur
Antwort: Gestrenger Herr! Sie können nicht glau-
ben, was massen dieser Bube eine rechte Quinta Es-
sentia
aller Schelmen ist, die nur auf der Welt leben
können. Man bedencke nur, was vor eine verzwei-
felte Lügen derselbe so gleich vorbringen kan, indem
er eines Römisch-Catholischen Kauffmanns Sohn
ist. Sein Vater hat sehr viel an ihn gewendet, der
Bube hat auch so ziemlich was gelernet, dabey aber
mit stehlen, rauben, huren, spielen, sauffen, ja mit al-
len Lastern seinem Vater dermassen viel Hertzeleid
zugefügt, daß dieser endlich die Patres de Societate
Jesu
um GOttes willen gebeten, ihn in ihre Zucht zu
nehmen, damit er bekehret, und zuletzt nicht etwa an
den Galgen gebracht werde.

Mentiris Cain! ja du Gewissenloser Pfaffe,
schrye ich ihm ins Angesicht hinein, du leugst dieses
in deinen Hals, und wirst solches nimmermehr vor
der redlichen Welt, vielweniger bey GOtt im Him-

mel

zu erretten, welcher ſchon viele Wochen daher, von
ihnen entſetzliche Marter erdulten muͤſſen, weil er
den Evangeliſch-Lutheriſchen Glauben nicht ab-
ſchwoͤren will. Ja mein Herr, fuhr ich fort, ihre
Reiſe iſt voritzo hauptſaͤchlich darum angeſtellet,
mich in ein abgelegenes Cloſter zu ſtecken, allwo ich
gewiß durch weit mehr Quaal und Marter zum Ab-
ſall gezwungen werden, oder darinnen jaͤmmerlich
ſterben ſoll.

Wie klinget dieſes, meine ſchoͤnen Herren Patres?
fragte hierauf der Officier, indem er ſie beyde mit
einer martialiſchen Mine anſahe, darauf gab der
eine, welcher ein ausgelernter Ertz-Vogel war, dem
Scheine nach, gantz unpaſſionirt und laͤchelnd zur
Antwort: Geſtrenger Herr! Sie koͤnnen nicht glau-
ben, was maſſen dieſer Bube eine rechte Quinta Eſ-
ſentia
aller Schelmen iſt, die nur auf der Welt leben
koͤnnen. Man bedencke nur, was vor eine verzwei-
felte Luͤgen derſelbe ſo gleich vorbringen kan, indem
er eines Roͤmiſch-Catholiſchen Kauffmanns Sohn
iſt. Sein Vater hat ſehr viel an ihn gewendet, der
Bube hat auch ſo ziemlich was gelernet, dabey aber
mit ſtehlen, rauben, huren, ſpielen, ſauffen, ja mit al-
len Laſtern ſeinem Vater dermaſſen viel Hertzeleid
zugefuͤgt, daß dieſer endlich die Patres de Societate
Jeſu
um GOttes willen gebeten, ihn in ihre Zucht zu
nehmen, damit er bekehret, und zuletzt nicht etwa an
den Galgen gebracht werde.

Mentiris Cain! ja du Gewiſſenloſer Pfaffe,
ſchrye ich ihm ins Angeſicht hinein, du leugſt dieſes
in deinen Hals, und wirſt ſolches nimmermehr vor
der redlichen Welt, vielweniger bey GOtt im Him-

mel
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0044" n="30"/>
zu erretten, welcher &#x017F;chon viele Wochen daher, von<lb/>
ihnen ent&#x017F;etzliche Marter erdulten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, weil er<lb/>
den Evangeli&#x017F;ch-Lutheri&#x017F;chen Glauben nicht ab-<lb/>
&#x017F;chwo&#x0364;ren will. Ja mein Herr, fuhr ich fort, ihre<lb/>
Rei&#x017F;e i&#x017F;t voritzo haupt&#x017F;a&#x0364;chlich darum ange&#x017F;tellet,<lb/>
mich in ein abgelegenes Clo&#x017F;ter zu &#x017F;tecken, allwo ich<lb/>
gewiß durch weit mehr Quaal und Marter zum Ab-<lb/>
&#x017F;all gezwungen werden, oder darinnen ja&#x0364;mmerlich<lb/>
&#x017F;terben &#x017F;oll.</p><lb/>
          <p>Wie klinget die&#x017F;es, meine &#x017F;cho&#x0364;nen Herren <hi rendition="#aq">Patres?</hi><lb/>
fragte hierauf der <hi rendition="#aq">Officier,</hi> indem er &#x017F;ie beyde mit<lb/>
einer <hi rendition="#aq">martiali</hi>&#x017F;chen <hi rendition="#aq">Mine</hi> an&#x017F;ahe, darauf gab der<lb/>
eine, welcher ein ausgelernter Ertz-Vogel war, dem<lb/>
Scheine nach, gantz un<hi rendition="#aq">pa&#x017F;&#x017F;ioni</hi>rt und la&#x0364;chelnd zur<lb/>
Antwort: Ge&#x017F;trenger Herr! Sie ko&#x0364;nnen nicht glau-<lb/>
ben, was ma&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;er Bube eine rechte <hi rendition="#aq">Quinta E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;entia</hi> aller Schelmen i&#x017F;t, die nur auf der Welt leben<lb/>
ko&#x0364;nnen. Man bedencke nur, was vor eine verzwei-<lb/>
felte Lu&#x0364;gen der&#x017F;elbe &#x017F;o gleich vorbringen kan, indem<lb/>
er eines Ro&#x0364;mi&#x017F;ch-Catholi&#x017F;chen Kauffmanns Sohn<lb/>
i&#x017F;t. Sein Vater hat &#x017F;ehr viel an ihn gewendet, der<lb/>
Bube hat auch &#x017F;o ziemlich was gelernet, dabey aber<lb/>
mit &#x017F;tehlen, rauben, huren, &#x017F;pielen, &#x017F;auffen, ja mit al-<lb/>
len La&#x017F;tern &#x017F;einem Vater derma&#x017F;&#x017F;en viel Hertzeleid<lb/>
zugefu&#x0364;gt, daß die&#x017F;er endlich die <hi rendition="#aq">Patres de Societate<lb/>
Je&#x017F;u</hi> um GOttes willen gebeten, ihn in ihre Zucht zu<lb/>
nehmen, damit er bekehret, und zuletzt nicht etwa an<lb/>
den Galgen gebracht werde.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Mentiris Cain!</hi> ja du Gewi&#x017F;&#x017F;enlo&#x017F;er Pfaffe,<lb/>
&#x017F;chrye ich ihm ins Ange&#x017F;icht hinein, du leug&#x017F;t die&#x017F;es<lb/>
in deinen Hals, und wir&#x017F;t &#x017F;olches nimmermehr vor<lb/>
der redlichen Welt, vielweniger bey GOtt im Him-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mel</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0044] zu erretten, welcher ſchon viele Wochen daher, von ihnen entſetzliche Marter erdulten muͤſſen, weil er den Evangeliſch-Lutheriſchen Glauben nicht ab- ſchwoͤren will. Ja mein Herr, fuhr ich fort, ihre Reiſe iſt voritzo hauptſaͤchlich darum angeſtellet, mich in ein abgelegenes Cloſter zu ſtecken, allwo ich gewiß durch weit mehr Quaal und Marter zum Ab- ſall gezwungen werden, oder darinnen jaͤmmerlich ſterben ſoll. Wie klinget dieſes, meine ſchoͤnen Herren Patres? fragte hierauf der Officier, indem er ſie beyde mit einer martialiſchen Mine anſahe, darauf gab der eine, welcher ein ausgelernter Ertz-Vogel war, dem Scheine nach, gantz unpaſſionirt und laͤchelnd zur Antwort: Geſtrenger Herr! Sie koͤnnen nicht glau- ben, was maſſen dieſer Bube eine rechte Quinta Eſ- ſentia aller Schelmen iſt, die nur auf der Welt leben koͤnnen. Man bedencke nur, was vor eine verzwei- felte Luͤgen derſelbe ſo gleich vorbringen kan, indem er eines Roͤmiſch-Catholiſchen Kauffmanns Sohn iſt. Sein Vater hat ſehr viel an ihn gewendet, der Bube hat auch ſo ziemlich was gelernet, dabey aber mit ſtehlen, rauben, huren, ſpielen, ſauffen, ja mit al- len Laſtern ſeinem Vater dermaſſen viel Hertzeleid zugefuͤgt, daß dieſer endlich die Patres de Societate Jeſu um GOttes willen gebeten, ihn in ihre Zucht zu nehmen, damit er bekehret, und zuletzt nicht etwa an den Galgen gebracht werde. Mentiris Cain! ja du Gewiſſenloſer Pfaffe, ſchrye ich ihm ins Angeſicht hinein, du leugſt dieſes in deinen Hals, und wirſt ſolches nimmermehr vor der redlichen Welt, vielweniger bey GOtt im Him- mel

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/44
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/44>, abgerufen am 18.12.2024.