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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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schlagen kan, und der den Rath so wohl als die
oberste Geistlichkeit gegen sich erbirtert gemacht
hat, ungemein behutsam gehen muß, wenn er
heutiges Tages in Teutschland, allwo ohnedem
in vielen Städten das Kirchen-und Regierungs-
Schiff, von lauter Affects-Winden hin und her
getrieben wird, sichern und geruhigen Aufenthalt
finden will. Jch will mich zwar eben nicht so gar
weiß und unschuldig brennen, sondern viellieber ge-
stehen, daß ich mich starck vergangen gehabt, denn
es war ein schlechter Verstand, auf solche spitzige
Art, denenjenigen Ursach zu hadern geben, die
da höher waren als ich. Und ausserdem, was hat-
ten mir die armen Schneider gethan, daß ich sie
mit dem Ziegen Bocke ärgerte? Wahrhafftig, ich
wußte nichts anders auf sie zu bringen, als daß der
Bürgermeister eines Schneiders Sohn, und mit
vielen andern Schneidern beschwägert war, son-
sten mußte ich sie so wohl damahls, als wie annoch
bis auf diese Stunde in ihrem Handwercke, vor
rechtschaffene, ehrliche und brave Leute erkennen.
Aber was nimmt ein junger Toll-Kopf, der die
Hörner noch nicht völlig abgelauffen, zuweilen nicht
vor thörichte Händel vor?

Kurtz von der Sache zu reden, ohngeacht ich, je-
doch mit der ausdrücklichen Weisung, hinführo alle
spitzfündigen Streiche zu vermeiden, in höhern
Schutz genommen war, so mußte doch von Zeit zu
Zeit allerhand Verdruß erdulten, unter welchen
mich aber nichts mehr kränckte, als daß mir mei-
ne Liebste, die eines reichen Bürgers Tochter, und
sonsten ein Mägdgen von feiner Gestalt und herr-

lichen
II. Theil. d d

ſchlagen kan, und der den Rath ſo wohl als die
oberſte Geiſtlichkeit gegen ſich erbirtert gemacht
hat, ungemein behutſam gehen muß, wenn er
heutiges Tages in Teutſchland, allwo ohnedem
in vielen Staͤdten das Kirchen-und Regierungs-
Schiff, von lauter Affects-Winden hin und her
getrieben wird, ſichern und geruhigen Aufenthalt
finden will. Jch will mich zwar eben nicht ſo gar
weiß und unſchuldig brennen, ſondern viellieber ge-
ſtehen, daß ich mich ſtarck vergangen gehabt, denn
es war ein ſchlechter Verſtand, auf ſolche ſpitzige
Art, denenjenigen Urſach zu hadern geben, die
da hoͤher waren als ich. Und auſſerdem, was hat-
ten mir die armen Schneider gethan, daß ich ſie
mit dem Ziegen Bocke aͤrgerte? Wahrhafftig, ich
wußte nichts anders auf ſie zu bringen, als daß der
Buͤrgermeiſter eines Schneiders Sohn, und mit
vielen andern Schneidern beſchwaͤgert war, ſon-
ſten mußte ich ſie ſo wohl damahls, als wie annoch
bis auf dieſe Stunde in ihrem Handwercke, vor
rechtſchaffene, ehrliche und brave Leute erkennen.
Aber was nimmt ein junger Toll-Kopf, der die
Hoͤrner noch nicht voͤllig abgelauffen, zuweilen nicht
vor thoͤrichte Haͤndel vor?

Kurtz von der Sache zu reden, ohngeacht ich, je-
doch mit der ausdruͤcklichen Weiſung, hinfuͤhro alle
ſpitzfuͤndigen Streiche zu vermeiden, in hoͤhern
Schutz genommen war, ſo mußte doch von Zeit zu
Zeit allerhand Verdruß erdulten, unter welchen
mich aber nichts mehr kraͤnckte, als daß mir mei-
ne Liebſte, die eines reichen Buͤrgers Tochter, und
ſonſten ein Maͤgdgen von feiner Geſtalt und herr-

lichen
II. Theil. d d
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[417/0431] ſchlagen kan, und der den Rath ſo wohl als die oberſte Geiſtlichkeit gegen ſich erbirtert gemacht hat, ungemein behutſam gehen muß, wenn er heutiges Tages in Teutſchland, allwo ohnedem in vielen Staͤdten das Kirchen-und Regierungs- Schiff, von lauter Affects-Winden hin und her getrieben wird, ſichern und geruhigen Aufenthalt finden will. Jch will mich zwar eben nicht ſo gar weiß und unſchuldig brennen, ſondern viellieber ge- ſtehen, daß ich mich ſtarck vergangen gehabt, denn es war ein ſchlechter Verſtand, auf ſolche ſpitzige Art, denenjenigen Urſach zu hadern geben, die da hoͤher waren als ich. Und auſſerdem, was hat- ten mir die armen Schneider gethan, daß ich ſie mit dem Ziegen Bocke aͤrgerte? Wahrhafftig, ich wußte nichts anders auf ſie zu bringen, als daß der Buͤrgermeiſter eines Schneiders Sohn, und mit vielen andern Schneidern beſchwaͤgert war, ſon- ſten mußte ich ſie ſo wohl damahls, als wie annoch bis auf dieſe Stunde in ihrem Handwercke, vor rechtſchaffene, ehrliche und brave Leute erkennen. Aber was nimmt ein junger Toll-Kopf, der die Hoͤrner noch nicht voͤllig abgelauffen, zuweilen nicht vor thoͤrichte Haͤndel vor? Kurtz von der Sache zu reden, ohngeacht ich, je- doch mit der ausdruͤcklichen Weiſung, hinfuͤhro alle ſpitzfuͤndigen Streiche zu vermeiden, in hoͤhern Schutz genommen war, ſo mußte doch von Zeit zu Zeit allerhand Verdruß erdulten, unter welchen mich aber nichts mehr kraͤnckte, als daß mir mei- ne Liebſte, die eines reichen Buͤrgers Tochter, und ſonſten ein Maͤgdgen von feiner Geſtalt und herr- lichen II. Theil. d d

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 417. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/431>, abgerufen am 28.11.2024.